| # taz.de -- Pestizid-Einsatz in Niedersachsen: In Zukunft mehr Transparenz | |
| > Der Nabu erklagt, dass in Niedersachsen Zahlen zum Einsatz von Pestiziden | |
| > erhoben und veröffentlicht werden müssen. Die Landwirtschaftskammer zieht | |
| > mit. | |
| Bild: Muss künftig Pestizid-Einsätze melden: Landwirt mit einem Glyphosat-Kan… | |
| Göttingen taz | Als letztes Bundesland fängt Niedersachsen damit an, Daten | |
| über den Einsatz von Pestiziden zu erheben und frei zugänglich zu machen. | |
| Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen teilte dem Verwaltungsgericht | |
| Oldenburg mit, dass sie ein entsprechendes Auskunftsersuchen des | |
| Naturschutzbundes (Nabu) nunmehr erfüllen werde. | |
| Der Nabu hatte auf Herausgabe dieser Daten geklagt und sowohl vom | |
| Verwaltungsgericht als auch vom Oberverwaltungsgericht Recht bekommen. Mit | |
| der Erklärung der Landwirtschaftskammer ist das Verfahren erledigt. Die | |
| Kammer ist die Selbstverwaltungsorganisation der niedersächsischen | |
| Landwirt:innen und quasi die Fachbehörde des Landes. | |
| Der Nabu sprach am Dienstag von einem „großen Erfolg für mehr Transparenz�… | |
| Jetzt müsse in ganz Deutschland offengelegt werden, wo und in welchem | |
| Umfang [1][Pestizide] eingesetzt würden, sagte Bundesgeschäftsführer Leif | |
| Miller. Dass mit Niedersachsen künftig auch das letzte Bundesland | |
| Pestizideinsatzdaten übermittele, bestätige das Recht auf | |
| Umweltinformationen und sei zugleich ein großer Erfolg für den Schutz von | |
| Natur und Artenvielfalt. | |
| Miller hält es gleichzeitig für „nahezu grotesk, dass es keine zentrale und | |
| digitale [2][Datenbank zur Erfassung von Einsatzdaten] gibt“. Es sei | |
| beschämend, dass sich Verwaltungen und Behörden bei der Erfüllung ihrer | |
| Informationspflicht stapelweise mit größtenteils handschriftlichen | |
| Aufzeichnungen in Papierform beschäftigen müssten. Diese Zettelwirtschaft | |
| müsse aufhören. Die Bundesregierung müsse endlich die im Koalitionsvertrag | |
| versprochene bundeseinheitliche, digitale Datenbank einführen. | |
| ## Pestizid-Einsatz soll reduziert werden | |
| Die Einsatzdaten könnten nicht nur bei der Bewertung helfen, wo die Risiken | |
| von Pestiziden besonders hoch sind, betont die Nabu-Expertin für | |
| Biodiversität, Verena Riedl. Sie bildeten auch die Grundlage anhand derer | |
| Fortschritte beim Erreichen von [3][Reduktionszielen] messbar würden. | |
| Erst in der vergangenen Woche hatten die Partner des „Niedersächsischen | |
| Wegs“ aus Landesregierung, Umweltverbänden und Landwirtschaft vereinbart, | |
| bis 2030 den Einsatz von Pestiziden im Land um mindestens ein Viertel zu | |
| reduzieren. Das Reduktionsziel bezieht sich auf einen Durchschnittswert der | |
| Jahre 2015/16 bis 2020/21. Weil es für Niedersachsen bisher keine Daten zur | |
| Pestizidmenge gibt, wurde für diesen Zeitraum errechnet, wie viel Geld die | |
| Betriebe für Pflanzenschutzmittel ausgegeben haben. Im Mittel des | |
| Bezugszeitraums waren das 95 Euro je Hektar. | |
| Und nicht nur die Menge der Pestizide soll in Niedersachsen reduziert | |
| werden, sondern auch die Fläche, auf der sie eingesetzt werden. Dafür | |
| sollen etwa Schutzstreifen an Gewässern sowie Auflagen in | |
| Naturschutzgebieten sorgen. Bereits Mitte 2024 soll bewertet werden, welche | |
| Maßnahmen sich wie auswirken, um gegebenenfalls nachsteuern zu können. Das | |
| deutschlandweit beachtete Abkommen „Niedersächsischer Weg“ verpflichtet die | |
| Beteiligten, im „Agrarland Nummer 1“ konkrete Maßnahmen für einen | |
| verbesserten Natur-, Arten- und Gewässerschutz umzusetzen. | |
| Ausschlaggebend für die Nabu-Klage war eine im Juni 2021 vom | |
| Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) veröffentlichte Studie, die | |
| bundesweit viel zu hohe Pestizidbelastungen von Kleingewässern belegte. Die | |
| festgelegten Grenzwerte werden demnach in 81 Prozent der untersuchten Bäche | |
| überschritten, teils sogar um mehr als das 100-fache. Daraufhin hatte der | |
| Verband zunächst in zwölf deutschen Flächenländern Einsicht in die | |
| Aufzeichnungen zu Pestizidanwendungen beantragt. Alle Länder kamen diesen | |
| Anträgen nach, nur Niedersachsen verweigerte die Datenerhebung und die | |
| Herausgabe. | |
| ## Rasanter Anstieg seit 1990 | |
| Die beschönigend Pflanzenschutzmittel genannten Pestizide sind der | |
| Sammelbegriff für viele unterschiedliche Stoffe, die mit ihrem Gift | |
| Pflanzen (Herbizide), Insekten (Insektizide) oder Pilze (Fungizide) | |
| abtöten. Die jährlich ausgebrachte Pestizidmenge liegt weltweit bei etwa | |
| vier Millionen Tonnen. Der „[4][Pestizidatlas 2022]“ zeigt dabei, dass die | |
| Menge der eingesetzten Pestizide seit 1990 um 80 Prozent gestiegen ist. | |
| Auch in der EU liegt der Einsatz mit rund 350.000 Tonnen auf hohem Niveau. | |
| In Deutschland werden zwischen 27.000 und 35.000 Tonnen Pestizidwirkstoffe | |
| pro Jahr verkauft. | |
| Nach Angaben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und | |
| Lebensmittelsicherheit (BVL) waren 2020 in Deutschland 283 Wirkstoffe in | |
| 980 zugelassenen Pflanzenschutzmitteln enthalten. Diese wurden unter 1.787 | |
| Handelsnamen vertrieben. Insgesamt wurden 2020 in Deutschland 80.042 Tonnen | |
| Pflanzenschutzmittel abgegeben. | |
| 23 Feb 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Schwerpunkt-Pestizide/!t5008935 | |
| [2] /EU-Rat-gegen-mehr-Transparenz/!5829748 | |
| [3] /Gesetze-zum-Schutz-der-Artenvielfalt/!5859765 | |
| [4] https://www.boell.de/de/pestizidatlas | |
| ## AUTOREN | |
| Reimar Paul | |
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