# taz.de -- Studie zu Pestiziden: Synthetische sind gefährlicher | |
> Pestizide für den Ökolandbau sind nicht so schädlich für Mensch und | |
> Umwelt wie konventionelle Wirkstoffe. Das ist das Ergebnis einer neuen | |
> Studie. | |
Bild: Pestizide: Dünger für die jungen Zuckerrüben | |
BERLIN taz | Anders als die Agrarlobby behauptet, sind [1][Pestizide] für | |
die Biolandwirtschaft nicht so gefährlich für Mensch und Umwelt wie | |
konventionelle Mittel. Das schreiben zwei Wissenschaftler der | |
österreichischen Umweltorganisation Global 2000 und ein Professor der | |
Wiener Universität für Bodenkultur in einer Studie in der Fachzeitschrift | |
[2][Toxics]. Pestizide tragen maßgeblich dazu bei, dass immer mehr | |
Pflanzen- und Tierarten aussterben. Viele können der Gesundheit schaden. | |
Einige konventionelle Landwirte und [3][Vertreter der Chemieindustrie] | |
versuchen aber, die Risiken zu relativieren, indem sie darauf verweisen, | |
dass auch Ökolandwirte Pestizide spritzen würden. Tatsächlich sind in der | |
EU der Studie zufolge 256 chemisch-synthethische Wirkstoffe nur für die | |
konventionelle Landwirtschaft und 134 natürliche für die ökologische | |
zugelassen. „Behauptungen, dass synthetische und natürliche Pestizide | |
ähnlich giftig seien, untergraben auch die Bemühungen der EU-Kommission, | |
den Pestizideinsatz zu senken,“ sagte Studiencoautor Helmut | |
Burtscher-Schaden. | |
[4][55 Prozent] der von der EU nur für die konventionelle Landwirtschaft | |
zugelassenen Pestizidwirkstoffe tragen der Studie zufolge mindestens einen | |
der offiziellen Gefahrenhinweise wie “Kann vermutlich Krebs erzeugen“, | |
„Kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigen“ oder „Sehr giftig für | |
Wasserorganismen“. Aber nur 3 Prozent der natürlichen Wirkstoffe, die auch | |
im Ökolandbau erlaubt sind, müssen demnach so eine Warnung führen. Die | |
Aufsichtsbehörden schreiben diese Hinweise auf den Etiketten vor, wenn die | |
Gefahren im Zulassungsverfahren nachgewiesen worden sind. | |
## Krebsverursachende Wirkstoffe | |
8 Prozent der konventionellen Wirkstoffe stehen laut der Analyse im | |
Verdacht, menschliche Embryonen oder Föten zu schädigen, 7 Prozent werden | |
verdächtigt, Krebs zu verursachen. Weitere 7 Prozent könnten Organschäden | |
verursachen, 5 Prozent sind beim Verschlucken giftig und weitere 3 Prozent | |
sind beim Verschlucken tödlich. Hingegen habe keiner der Bio-Wirkstoffe | |
diese Gefahrenklassifizierungen. | |
Zudem sind den Wissenschaftlern zufolge 40 Prozent der konventionellen | |
Wirkstoffe als sehr giftig für Wasserorganismen eingestuft worden, aber nur | |
1,5 Prozent der ökologischen Substanzen. 50 Prozent der konventionellen | |
Stoffe sind demnach als schädlich, giftig oder sehr giftig für | |
Wasserlebewesen mit lang anhaltenden Wirkungen bei Langzeit-Aufnahme | |
klassifziert – im Vergleich zu nur 1,5 Prozent der Bio-Stoffe. | |
Bei 93 Prozent der konventionellen und nur 7 Prozent der Bio-Wirkstoffe | |
hielt es die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit den Autoren zufolge für | |
nötig, Höchstmengen festzulegen, die ohne zu großes Gesundheitsrisiko dem | |
Körper zugeführt werden können. Unter den Öko-Wirkstoffen hatten die | |
Insektizide Spinosad, Pyrethrine und Azadirachtin sowie das Fungizid Thymol | |
die niedrigsten akzeptablen Werte. Bei den konventionellen lagen die Dosen | |
aber erheblich niedriger. Das betraf die synthetischen Herbizide | |
Tembotrion, Sulcotrion, Fluometuron, Metam und Diclofop sowie die zwei | |
Insektizide Emamectin und Oxamyl. | |
Diese Ergebnisse stehen Burtscher-Schaden zufolge im Einklang mit anderen | |
Studien. „Das globale Insektensterben, der weltweite Rückgang von Amphibien | |
oder schädliche Auswirkungen auf aquatische Ökosysteme werden in der | |
überwiegenden Mehrzahl der veröffentlichten Studien nicht mit natürlichen, | |
sondern mit synthetischen Pestizidwirkstoffen in Verbindung gebracht“, so | |
der Biochemiker. Außerdem würden nicht natürliche, sondern synthetische | |
Pestizide in abgelegene Naturschutzgebiete und zu Gletschern sowie über die | |
Nahrungskette in den Körper von Tieren und Menschen gelangen, die sonst | |
nicht mit diesen Stoffen in Berührung kämen. | |
“Es ist klar, dass die in der konventionellen Landwirtschaft zugelassenen | |
synthetischen Wirkstoffe weitaus gefährlicher und problematischer sind als | |
die in der Biolandwirtschaft zugelassenen natürlichen Wirkstoffe“, sagte | |
Jan Plagge, Präsident des deutschen Öko-Verbands Bioland und des | |
europäischen Biodachverbands Ifoam Organics Europe. Außerdem würden sich | |
Biobetriebe auf vorbeugende Maßnahmen wie die Verwendung robuster Sorten, | |
sinnvolle Fruchtfolgen, die Erhaltung der Bodengesundheit und die Erhöhung | |
der Artenvielfalt auf dem Feld konzentrieren, um den Einsatz von Pestiziden | |
zu vermeiden. „Aus diesem Grund werden auf rund 90 Prozent der | |
landwirtschaftlichen Flächen (vor allem im Ackerbau) keinerlei Pestizide | |
eingesetzt, auch keine natürlichen Stoffe“, teilte Plagge mit. | |
23 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-Pestizide/!t5008935 | |
[2] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9783316/ | |
[3] https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/1… | |
[4] https://www.global2000.at/presse/wissenschaftliche-studie-zeigt-synthetisch… | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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