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# taz.de -- Bundeswehroffiziere über Verpflegung: „Es gibt kein veganes Men�…
> Die vegan lebenden Bundeswehroffiziere Martin A. und Patrick A. fordern
> vegane Verpflegung für die Truppe. Doch die Bundeswehr ist zögerlich.
Bild: Fordern bessere vegane Verpflegung in der Truppe: die Bundeswehroffiziere…
taz: Martin A., Patrick A., Veganismus ist nicht das Erste, was man mit der
Truppe verbinden würde. Tut man ihr da unrecht?
Martin A.: Das Thema ist in der Bundeswehr noch nicht weit verbreitet. Doch
auch vegetarische Ernährung war vor Jahrzehnten ein Fremdwort für die
Truppe und für uns ist die Weiterentwicklung des vegetarischen Gedankens
der nächste logische Schritt.
Empfinden Sie sich als Avantgarde oder als Exoten innerhalb der Bundeswehr?
Patrick A.: Weder noch. Ich empfinde eine gewisse Verantwortung,
anzusprechen, wenn Sachverhalte überarbeitungswürdig sind. Das sind die
Regelungen zur Truppenverpflegung.
Martin A.: Wir sind beide nicht als Veganer in die Streitkräfte
eingetreten, sondern haben eine persönliche Entwicklung durchlaufen, die
wir auch [1][in unserer Gesellschaft seit einiger Zeit verstärkt erkennen].
Wie ist die Reaktion der Bundeswehr?
Patrick A.: Die Bundeswehr begründet zunächst, wie Truppenverpflegung
aussehen soll: bedarfsgerecht, vollwertig, ernährungsphysiologisch
ausgewogen und an den Erkenntnissen der Ernährungswissenschaft orientiert.
Die Bundeswehr ist der Meinung, dass vegane Ernährung diesen Vorgaben nicht
entspricht.
Inwiefern nicht?
Patrick A.: Die Bundeswehr orientiert sich eng an den Empfehlungen der
Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Diese weist zwar auf kritische
Nährstoffe hin, macht jedoch auch deutlich, dass eine gut geplante vegane
Ernährung bedarfsdeckend und gesundheitsförderlich sein kann. Zudem ergäben
sich Chancen, [2][die Klimabilanz der Bundeswehr zu verbessern] und als
zeitgemäßer Arbeitgeber wahrgenommen zu werden.
Die Bundeswehr lehnt nicht den Mehraufwand ab, sondern argumentiert mit dem
Nährstoffbedarf der Soldat:innen?
Patrick A.: Sie geht von einem Mangel kritischer Nährstoffe aus und davon,
dass vegane Ernährung qualifiziert begleitet werden müsste. Das könne nicht
geleistet werden.
Welches Angebot gibt es derzeit für Veganer:innen in der Kantine oder
bei einem Manöver?
Patrick A.: Es gibt kein reguläres veganes Angebot. Das Essen ist
mischköstlich, stets mit einer vegetarischen Variante. Wir plädieren für
eine ernstzunehmende vegane Alternative. Wobei es bei der bedarfsdeckenden
veganen Verpflegung eine große Rolle spielt, dass industriell verarbeitete
Lebensmittel gemieden und möglichst vollwertige pflanzliche Kost zum
Einsatz kommt. Wenn das in der [3][Bundeswehr] fest auf dem
Verpflegungsplan stehen soll, müssten diese Komponenten zu einem Menü
arrangiert und durch die Truppenküchen ausgegeben werden.
Das passiert nicht?
Patrick A.: Einen veganen Menüvorschlag schließt die aktuelle
Vorschriftenlage kategorisch aus. Dabei entspräche ein solches Angebot
einfach der gesellschaftlichen Realität. Einen Hinweis liefern da
flexitarische Ernährungsgewohnheiten. Ich sehe viele fleischessende
Kameradinnen und Kameraden das vegetarische Angebot bestellen. Wenn das
Angebot da ist, wird es genutzt. Bei veganer Kost wird das ähnlich sein.
Warum sind Sie Veganer geworden?
Martin A.: Ich habe mich schon vor Jahren mit tierrechtlichen Aspekten
befasst. Wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht, kommt man um
schockierende Bilder aus der Tierhaltungsindustrie, die auch im Rahmen des
rechtlich Zulässigen entstehen, kaum herum. Irgendwann war mir das
Verdrängen schlicht nicht mehr möglich.
Patrick A.: Das kann ich unterstreichen, gerade die Bilder von häufig
geradezu missbräuchlichen Methoden in der Haltung sogenannter Nutztiere
müssen einen zum Umdenken bringen.
Martin A., Sie sind wegen Ihrer Forderung nach veganer Verpflegung sogar
vor Gericht gegangen. Mit Erfolg?
Martin A.: In dem Verfahren ging es um Verpflegungspauschalen. Ich habe
gegen Abrechnungen geklagt, die mir unterstellten, am Verpflegungssystem
der Bundeswehr teilnehmen zu können – was mir praktisch jedoch nicht
möglich war. Das Gericht hat den Kern meines Anliegens mit einer sehr
ausführlichen Urteilsbegründung gestützt. Mir ging es hier vorrangig darum,
zu verdeutlichen, dass die vegane Lebensweise grundrechtlichen Schutz
genießt.
Was stand in der Begründung?
Martin A.: Das Gericht war überzeugt, dass meine ethisch begründete
Entscheidung vegan zu leben in den Schutzbereich der Gewissens- und
Weltanschauungsfreiheit fällt. Gleichzeitig hat es festgestellt, dass mir
eine Teilnahme am derzeitigen Verpflegungsangebot der Bundeswehr nicht
möglich ist.
In der Praxis hat das Gerichtsurteil aber nichts verändert.
Martin A.: Auf den ersten Blick nicht. Aus dem Urteil leitet sich kein
unmittelbarer Anspruch auf vegane Verpflegung ab. Doch das gerichtlich
umfassend mitgetragene Argument, dass der Veganismus eine
verfassungsrechtlich schützenswerte Lebensweise ist, kann nun anderen vegan
lebenden Soldatinnen und Soldaten helfen.
Gibt es denn Schritte der Bundeswehr auf Sie zu?
Martin A.: Wir erkennen durchaus etwas Aufmerksamkeit für das Thema.
Vergleichsweise prominent erwähnt der jüngste Bericht der Wehrbeauftragten
nun das zweite Jahr in Folge die Anliegen von Veganerinnen und Veganern in
der Bundeswehr.
Aber in der Kantine sehen Sie davon noch nichts.
Martin A.: Konkrete Vorhaben sind uns nicht bekannt, nein. Allerdings ist
uns auch bewusst, dass eine Organisation mit den Personalzahlen und den
logistischen Anforderungen, wie sie die Bundeswehr hat, nicht von heute auf
morgen Entscheidungen solcher Tragweite treffen wird.
Wie wollen Sie die Bundeswehr überzeugen?
Martin A.: Eines der größten Hindernisse scheint die Position der Deutschen
Gesellschaft für Ernährung darzustellen. Im internationalen Vergleich ist
die DGE noch relativ vorsichtig, sich für eine gänzlich vegane Verpflegung
auszusprechen. Jedoch nicht, weil es nicht möglich wäre, sondern weil sie
der Bevölkerung mehrheitlich eher nicht zutraut, sich umfassend genug mit
der eigenen Ernährung auseinanderzusetzen.
Ist damit überhaupt Bewegung in der Sache denkbar?
Martin A.: Die Frage ist doch, sind die Streitkräfte gut beraten, die
unumgänglich zunehmende Zahl an Veganerinnen und Veganern in der Bundeswehr
zu ignorieren, während die DGE zwar Sorge äußert, aber dennoch bestätigt,
dass eine gut geplante pflanzliche Ernährung bedarfsdeckend und
gesundheitlich vorteilhaft sein kann? Wir können uns diesem Wandel noch
lange entgegenstemmen. Doch verzichten wir damit auf die bereits genannten
Chancen.
Wie glauben Sie, verändern Sie als Veganer den Blick auf die Bundeswehr?
Patrick A.: Ich denke, die Bundeswehr ist heute diverser als viele
Außenstehende es glauben mögen. Wir sind Menschen mit unterschiedlichen
Religionen, Interessen, Neigungen und eben Ernährungsgewohnheiten.
Wenn Sie sagen, die Bundeswehr ist diverser, als man es von außen annimmt,
ist sie auch linker?
Patrick A.: Die [4][vegane Ernährung] ist ein buchstäblich junges Thema,
nachweislich insbesondere bei den 14- bis 29-Jährigen. Und all jenen würde
ich pauschal keine politische Orientierung unterstellen. Der Veganismus ist
im Mainstream angekommen.
Martin A.: Wenn wir für junge Menschen, die wir dringend brauchen, auch
künftig eine Option darstellen wollen, müssen wir uns einer Vielzahl an
Themen stellen – dazu zählt zeitgemäße Verpflegung. Ich sehe auch keinen
Widerspruch zwischen Militärdienst und Veganismus. Ich verstehe meinen
Dienst im Kern als das Eintreten für Schutzlose, wenn nötig mit zwingender
Gewalt. Die Entscheidung für eine möglichst tierleidfreie Lebensweise führt
in meinem Fall, auch ganz ohne politische Verortung, zu einer noch
deutlicheren Übereinstimmung meiner persönlichen und dienstlichen
Wertvorstellungen.
22 Mar 2023
## LINKS
[1] /Die-goldenen-Trendregeln-des-neuen-Jahres/!5903474
[2] /CO-Bilanz-von-veganem-Essen/!5906966
[3] /Bundeswehr/!t5008725
[4] /Veganismus/!t5013096
## AUTOREN
Friederike Gräff
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