# taz.de -- Raketenangriffe auf die Ukraine: Sieben Stunden Luftalarm | |
> Russland hat abermals Raketen auf die gesamte Ukraine gefeuert. Dabei | |
> wurde erneut die Energieinfrastruktur schwer beschädigt. | |
Bild: Menschen nach dem Angriff in Kyjiw: Hier hatte es zwischenzeitlich fast s… | |
LUZK taz | Dieses Mal hatte Russland lange Kräfte gesammelt für den neuen | |
Angriff und das Auskundschaften von Zielen. Nach den Angriffen vom 10. und | |
16. Februar war es sogar am 23. und 24. Februar ruhig geblieben. An diesen | |
Tagen waren manche Ukrainer noch in Panik. Am Tag der Sowjetarmee (23. 2.) | |
und dem [1][Jahrestag der russischen Großinvasion in die Ukraine (24. 3.)] | |
befürchteten viele neuen, starken Beschuss. Aber die Raketenanschläge kamen | |
erst in der Nacht vom 8. auf den 9. März. | |
„Papa, ich glaube, es wird etwas passieren, sie strömen alle auf einen | |
Punkt zu“, sagte am Vorabend mein 17-jähriger Sohn Iwan, der die | |
Nachrichten einiger militärischer Thinktanks verfolgte. Und wirklich, | |
russische Kampfjets und Bomber flogen vor dem Angriff in den Süden | |
Russlands. In der Ukraine haben wir gelernt, dass solche Manöver oft als | |
Vorbereitung auf einen Großangriff dienen. | |
Kurze Zeit nach dem Angriff funktionierten in unserer Wohnung in Luzk | |
wieder Strom und Wasser, die in der Nacht ausgefallen waren. Aber die | |
Folgen für die Ukraine waren schwer. Bis zu zehn Menschen wurden getötet. | |
Russland schlug in unserem Land mit etlichen verschiedenen Raketentypen aus | |
seinem Arsenal zu. | |
Der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Walerij Saluschnyj, | |
sagte, dass die russische Armee insgesamt 81 Raketen abgefeuert habe. | |
Darunter waren auch Marschflugkörper. Die meisten der Marschflugkörper und | |
iranischen Drohnen konnten die ukrainischen Streitkräfte abwehren, 34 von | |
insgesamt 48 wurden getroffen. | |
## Russland spricht von Vergeltungsschlag | |
Russland nutzte verschiedene Raketentypen, um die ukrainische Luftabwehr | |
abzulenken. Es gibt also Treffer, so erklärten ukrainische Militärs: Die | |
ukrainische Luftabwehr kann sogenannte ballistische Raketen und | |
Überschallraketen des Typs Kinschal noch nicht abschießen. Dazu benötige es | |
die US-amerikanischen Patriot-Systeme, die zurzeit erst auf dem Weg in die | |
Ukraine sind. | |
Das russische Verteidigungsministerium erklärte, der massive Raketenangriff | |
sei die „Antwort auf die am 2. März von Kyjiw organisierte terroristische | |
[2][Aktion im Gebiet Brjansk]“. Moskau bestätigte den Abschuss von | |
Kinschal-Raketen und erklärte in altbekannter Manier, dass | |
„Schlüsselelemente der militärischen Infrastruktur und des Energiesektors | |
der Ukraine getroffen wurden“, dass ein Vergeltungsschlag durchgeführt und | |
alle vorgesehenen Objekte der ukrainischen militärischen Infrastrukturen | |
getroffen worden seien. | |
In Kyjiw dauerte der Luftalarm fast sieben Stunden. Marschflugkörper und | |
Drohnenangriffe auf die Hauptstadt wurden vom ukrainischen Militär | |
abgewehrt. | |
Aber eine Kinschal-Rakete zerstörte ein Infrastrukturobjekt, und im Kyjiwer | |
Stadtteil Swjatoschyn verletzten die Trümmer der abgeschossenen Rakete | |
zwei Menschen und zerstörten Fahrzeuge. 40 Prozent der Verbraucher in der | |
Hauptstadt waren aufgrund von Stromausfällen ohne Heizung. | |
## Treibstoff für AKW reicht noch 10 Tage | |
Es war zugleich der 15. russische Großangriff auf Energieinfrastruktur. | |
Drei Wärmekraftwerke wurden dabei zerstört, sagte die | |
Donbass-Treibstoff-Energie-Gesellschaft (DTEK). | |
Ohne Strom war auch das europaweit [3][größte Atomkraftwerk in | |
Saporischschja]. Durch einen Raketeneinschlag wurde die letzte | |
Verbindungsleitung zwischen dem besetzten Kernkraftwerk und dem | |
ukrainischen Stromnetz unterbrochen. Es ist schon der sechste Blackout des | |
AKWs Saporischschja seit [4][Beginn der Besetzung durch die Armee der | |
Russische Föderation]. Zwei Blöcke wurden abgeschaltet, 18 | |
Dieselgeneratoren sorgen für die behelfsmäßige Stromversorgung des AKWs. | |
Der Treibstoff reicht noch für zehn Tage. | |
Die Raketen konnten auch den Westen der Ukraine erreichen. In der an Polen | |
grenzenden Region Lwiw fiel eine russische Rakete in ein Wohngebiet, fünf | |
Menschen kamen dabei ums Leben. Das Feuer zerstörte drei Wohnhäuser, drei | |
Autos, eine Garage und einige Nebengebäude. | |
Im Gebiet Ternopil beschädigten die Trümmer einer zerstörten Rakete fünf | |
Gebäude. Ein Raketeneinschlag auf ein Objekt der Energieversorgung wurde | |
aus dem Gebiet Iwano-Frankiwsk gemeldet. Nach dem nächtlichen Angriff mit | |
einer Shahed-Drohne fielen in Schytomyr Strom und Wasser aus, in der Stadt | |
sind Generatoren im Einsatz. Russland griff auch das Gebiet Dnipropetrowsk | |
mit Drohnen und Raketen an. Angriffe wurden aus vier Orten des Gebiets | |
gemeldet. | |
## „Ohne militärischen Zweck“ | |
Ganz Charkiw war am Morgen des 9. März ohne Strom. Russland hat die Region | |
mit etwa 15 Raketen vom Typ S-300 angegriffen. Auch diese können zurzeit | |
noch nicht von der ukrainischen Flugabwehr erkannt werden. Getroffen | |
wurden Infrastruktur und ein Einfamilienhaus. | |
In der Stadt Sloboschansk zerstörte eine Rakete das Gewächshaus eines | |
Gemüsebetriebs, eine weitere fiel in ein Sumpfgebiet. Im Gebiet Odessa | |
wurden kritische Infrastruktur getroffen und Wohnhäuser zerstört. | |
Die ukrainische Regierung bezeichneten den neuen russischen Angriff als | |
Barbarei ohne militärischen Zweck. Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, | |
dass Russland einmal mehr die Ukrainer*innen einschüchtern wolle. | |
Außenminister Dmytro Kuleba äußerte die Hoffnung, dass Putin von einem | |
Sondertribunal für die Angriffe auf Zivilisten verurteilt werde. | |
„Die Russen sind zu ihrem alten System zurückgekehrt – zu massiven | |
nächtlichen Raketenangriffen auf die Ukraine, wenn die Menschen schlafen“, | |
schrieb Mychajlo Podoljak, Berater des ukrainischen Präsidialamts, auf | |
Twitter. | |
Aus dem Russischen [5][Gaby Coldewey] | |
Juri Konkewitsch lebt und arbeitet in Luzk. Seit Beginn des Kriegs am 24. | |
Februar 2022 schreibt er regelmäßig für die taz. | |
9 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Ein-Jahr-Krieg-gegen-die-Ukraine/!5915507 | |
[2] /Zugpartisanen-in-Russland/!5866628 | |
[3] /Energieexperte-ueber-AKW-Sicherheit-im-Krieg/!5916236 | |
[4] /Konflikt-um-AKW/!5900013 | |
[5] /Gaby-Coldewey/!a23976/ | |
## AUTOREN | |
Juri Konkewitsch | |
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