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# taz.de -- Anschläge auf Nord-Stream-Pipelines: Spekulationen mit Sprengkraft
> ARD und „Zeit“ berichten von „Spuren in die Ukraine“ bei den Anschlä…
> auf die Nord-Stream-Pipelines. Doch es gibt weiter Unklarheiten.
Bild: Die Gerüchteküche brodelt wie damals die Ostsee: Aufnahme vom 28. Septe…
Wer hat im September 2022 drei der vier Nord-Stream-Pipelinestränge in der
Ostsee gesprengt? Eine Reihe sich gegenseitig widersprechender
Presseberichte hat in den vergangenen Tagen Verwirrung gestiftet.
„Spuren führen in die Ukraine“, titelten ARD und Zeit am Dienstagabend, als
sie eine gemeinsame Recherche darüber veröffentlichten, was deutsche
Ermittlungsbehörden herausgefunden haben sollen. Es sei den Ermittlern
„gelungen, das Boot zu identifizieren, das mutmaßlich für die
Geheimoperation verwendet wurde. Es soll sich um eine Jacht handeln, die
von einer Firma mit Sitz in Polen angemietet worden sei, die offenbar zwei
Ukrainern gehört“, führt der Bericht aus.
Ein Team aus fünf Männern und einer Frau unbekannter Nationalität sei auf
diesem Boot am 6. September 2022 aus Rostock losgefahren. Das Material für
die Anschläge sei zuvor auf einem Lieferwagen dorthin transportiert worden
– von wem, bleibt offen. Das Team bestand demnach „aus einem Kapitän, zwei
Tauchern, zwei Tauchassistenten und einer Ärztin, die den Sprengstoff zu
den Tatorten transportiert und dort platziert haben sollen“.
Nach den Anschlägen sei das Boot „dem Eigentümer im Anschluss in
ungereinigtem Zustand zurückgegeben worden. Auf dem Tisch in der Kabine
haben die Ermittler den Recherchen zufolge Spuren von Sprengstoff
nachweisen können.“
## Rede von „proukrainischen“ Gruppen
Am Mittwoch bestätigte die Generalbundesanwaltschaft, das Boot bereits im
Januar durchsucht zu haben. Das fragliche Boot wird auf tagesschau.de als
„Schiff einer deutschen Charterfirma, das von einer polnischen Firma
angemietet worden war“ bezeichnet. Die Firma wiederum soll zwei Ukrainern
gehören.
Die Auswertung der sichergestellten Spuren und Gegenstände dauere an,
erklärte eine GBA-Sprecherin in Karlsruhe gegenüber dpa auf Anfrage. „Die
Identität der Täter und deren Tatmotive sind Gegenstand der laufenden
Ermittlungen. Belastbare Aussagen hierzu, insbesondere zur Frage einer
staatlichen Steuerung, können derzeit nicht getroffen werden.“
Zuvor war verschiedentlich auch von einer „proukrainischen“ Gruppe die Rede
gewesen. So berichtete die New York Times in den USA am Dienstag unter
Berufung auf anonyme Regierungsquellen, laut neuen
US-Geheimdienstinformationen sei eine proukrainische Gruppe, womöglich
bestehend aus ukrainischen oder russischen Staatsbürgern oder einer
Mischung aus beidem, für die Sprengung verantwortlich.
Staatsbürger der USA oder Großbritanniens – beide zuvor von Russland
verantwortlich gemacht – seien nicht beteiligt gewesen. Für eine irgendwie
geartete Verwicklung der ukrainischen Regierung gebe es keinerlei Hinweise.
Aus den Informationen gehe auch wenig über die mutmaßlichen Täter oder ihre
Auftraggeber hervor.
## Dicke Betonwände in 70 Metern Tiefe
Dies folgt auf eine [1][Veröffentlichung des ehemaligen US-Starjournalisten
Seymour Hersh], der unter Berufung auf eine einzige anonyme
Geheimdienstquelle den gesamten Vorlauf und Verlauf des Anschlags
[2][rekonstruiert haben will] und dafür die USA zusammen mit Norwegen
verantwortlich machte, und zwar im Rahmen eines Nato-Manövers zur
Minenräumung. Viele Details in Hershs Bericht [3][sind mittlerweile
widerlegt], aber manche seiner Fans verdächtigen die New York Times nun,
von der Täterschaft der USA ablenken zu wollen.
In keinem der neuen Berichte steht etwas über die Art, wie die Anschläge
ausgeführt wurden. Vorherige Berichte darüber, was für einen Aufwand es
erfordert, drei durch dicke Betonwände geschützte Pipelines auf dem
Meeresboden in über 70 Meter Tiefe zu zerstören, eine davon auf einer Länge
von mehreren hundert Metern, passen kaum zu den neuen Berichten.
Die Times berichtete am Mittwoch, bereits eine Woche nach den Anschlägen
seien Geheimdienstler eines skandinavischen Landes informiert worden, dass
die Anschläge von einem „privaten Vorhaben mit Ursprung in der Ukraine“
verübt worden seien: „Der Name des mutmaßlichen privaten Sponsors, eines
Ukrainers ohne Verbindungen zu Präsident Selenski, zirkuliert in
Geheimdienstkreisen seit Monaten, aber wird nicht preisgegeben“.
Verifizierbar ist von alldem bislang überhaupt nichts, aber zumindest
zwingen all diese Berichte in Kyjiw zu einer Reaktion. Als Erster hat
Verteidigungsminister Oleksij Resnikow bestritten, dass offizielle
ukrainische Strukturen an den Anschlägen beteiligt waren. „Für mich ist das
eine ziemlich seltsame Geschichte, die nichts mit uns zu tun hat“, sagte
Resnikow laut dem Nachrichtenportal Ukrainska Pravda. „Es wäre ein gewisses
Kompliment für unsere Spezialkräfte, aber das ist nicht unsere Tätigkeit“,
fügte er am Mittwoch hinzu.
## Verteidigungsminister zurückhaltend
In Moskau scheint man wenig glücklich über die neuen Berichte zu sein. Auf
einem Telegram-Kanal warf die Sprecherin des russischen Außenministeriums,
Maria Sacharowa, am Mittwoch den USA und Großbritannien vor, damit „die
Agenda, die sie brauchen“, zu erstellen. Laut der Staatsagentur Tass
bezeichnete Sacharowa die Recherchen als „erfundene Versionen der Ursachen
des Vorfalls“.
In Deutschland äußerte sich zunächst Bundesverteidigungsminister Boris
Pistorius (SPD). Er finde die Rechercheergebnisse interessant, „aber wir
müssen mal abwarten, was sich davon bestätigt“, sagte er am Mittwochmorgen
im Deutschlandfunk. Es könne genauso gut eine False-Flag-Aktion gewesen
sein, um es proukrainischen Gruppierungen in die Schuhe zu schieben – „die
Wahrscheinlichkeit für das eine wie für das andere ist gleichermaßen hoch“.
8 Mar 2023
## LINKS
[1] https://seymourhersh.substack.com/p/how-america-took-out-the-nord-stream
[2] /Seymour-Hersh-zur-Nord-Stream-Sprengung/!5914963
[3] https://oalexanderdk.substack.com/p/blowing-holes-in-seymour-hershs-pipe
## AUTOREN
Dominic Johnson
Bernd Pickert
Gareth Joswig
Gemma Teres Arilla
## TAGS
Nordstream
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Nancy Faeser
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