# taz.de -- Gesellschaftsroman von Teresa Präauer: Man trinkt Crémant | |
> Eine Gastgeberin lädt ein und Teresa Präauer spielt die Möglichkeiten in | |
> verschiedenen Varianten durch: „Kochen im falschen Jahrhundert“. | |
Bild: „Kochen im falschen Jahrhundert“: Roman zwischen realistischer Milieu… | |
Ein Abendessen mit Freunden. Die Gastgeberin weiht ihre neue Wohnung ein, | |
ihr Partner ist dabei, ein Ehepaar und ein Professor aus der Schweiz. | |
Die kleine Gesellschaft entstammt dem urbanen Intellektuellenmilieu und | |
agiert entsprechend, trinkt Crémant, isst einen leichten Sommersalat, eine | |
Quiche und beackert die Themen, die in der Lebenssituation dieser | |
wohlsituierten Frühvierziger anstehen – das Ehepaar hat kürzlich ein Kind | |
bekommen, der Schweizer gibt sich klassenkämpferisch, die Gastgeberin hat | |
ihre Umzugskartons immer noch nicht ausgepackt und macht deshalb eine | |
Therapie, man ist kosmopolitisch, feministisch auf dem letzten Stand und | |
hört Salon-Jazz. | |
Es sind [1][Typen, die Präauer] hier auftreten lässt. Dafür spricht, dass | |
sie ihren Protagonisten keinen Namen gönnt und dass sie ihre leicht mokant | |
und zumeist in indirekter Rede dargebotenen Eitelkeiten, Bosheiten und | |
Distinktionsgefechte allgemein genug anlegt, dass man sich oder wenigstens | |
die anderen darin wiedererkennt. | |
## Milieuskizze und Satire | |
„Kochen im falschen Jahrhundert“ hält die Waage zwischen realistischer | |
Milieuskizze und entlarvender Satire und wäre ein bisschen wohlfeil und | |
überraschungslos, wenn es nur darum ginge. | |
Aber das wirklich Interessante passiert hier auf der formalen Ebene. | |
Präauer spielt wie bei einer naturwissenschaftlichen Versuchsreihe diese | |
gesellschaftliche Standardsituation – eine Frau bekocht ihren Freundeskreis | |
– immer wieder neu durch, mit leicht veränderten Voraussetzungen, die dann | |
stets Wirkungen zeitigen auf den Verlauf des Abends. | |
Einmal trifft der Schweizer pünktlich und ausgehungert ein, ein andermal | |
verspätet er sich mit dem Ehepaar und sie haben bereits gegessen. Einmal | |
scheint der Abend an den kontroversen Ansprüchen zu scheitern, ein andermal | |
wird es ein Fest der Freundschaft und am Ende entladen sich die erotischen | |
Spannungen. | |
## Variationen und Wiederholungen | |
Es ist ein artifizielles Spiel, in dem sich die einzelnen Variationen | |
ineinanderschieben und durch Reprisen und Wiederholungen verflechten – und | |
auch anfängliche Randfiguren später noch einmal ihren Auftritt haben, damit | |
die narrative Symmetrie stimmt. | |
Dass Präauer dann auch noch soziologische Reflexionen zum Kochen anstellt | |
und ihrer Gastgeberin unterschiebt, wirkt ein bisschen aufgesetzt. „An den | |
Gegenständen haftete der Selbstentwurf, die Einbindung in die Gesellschaft. | |
Die Familienverhältnisse, das Sich-Lossagen und das Erinnern und | |
Nicht-Loskommen.“ Da verwandelt sich die fein ironische, von Ferne an | |
Thomas Bernhard erinnernde Suada in einen humorlosen Essay. | |
9 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Neue-Erzaehlungen-von-Teresa-Praeauer/!5761641 | |
## AUTOREN | |
Frank Schäfer | |
## TAGS | |
wochentaz | |
Roman | |
Paarbeziehungen | |
Gesellschaftskritik | |
Milieu | |
Satire | |
Literatur | |
Roman | |
Klassengesellschaft | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Roman „Young Mungo“ von Douglas Stuart: Zerstörung von Schönheit | |
Douglas Stuart erzählt in „Young Mungo“ von den Proletariermilieus | |
Schottlands. Der Roman ist trotz aller Drastik zum Glück kein Trauma-Porn. | |
Roman über Kindesmissbrauch: Unheimliche Macht der Bilder | |
Sarah Elena Müller erzählt in „Bild ohne Mädchen“ von Kindesmissbrauch im | |
Alternativmilieu. Ein Gespräch über Schattenseiten der sexuellen | |
Revolution. | |
Neues Buch von Édouard Louis: Identität ist wandelbar | |
In „Anleitung ein anderer zu werden“ beleuchtet Édouard Louis die | |
Widersprüche, in die sich Figuren in einer Welt sozialer Unterschiede | |
verstricken. |