# taz.de -- Geflüchtete Afghaninnen in Deutschland: Ein kleines bisschen Schutz | |
> Frauen in Afghanistan werden systematisch entrechtet. Im Asylverfahren in | |
> Deutschland bekommen sie aber oft nur prekären Schutz. | |
Bild: Stiller Protest einer Frauenfussballmanschaft in Kabul gegen die Taliban | |
BERLIN taz | Immer weiter beschneiden die Taliban in Afghanistan die Rechte | |
von Frauen und Mädchen. Gerade erst wurde in Teilen des Landes [1][der | |
Verkauf von Verhütungsmitteln verboten]. Trotz dieser systematischen | |
Entrechtung bekommen afghanische Frauen, die in Deutschland Asyl | |
beantragen, nur eingeschränkt Schutz – und das entgegen einer Empfehlung | |
der Europäischen Asylagentur. Das geht aus einer Antwort der | |
Bundesregierung auf eine Schriftliche Frage der Linken-Abgeordneten Clara | |
Bünger hervor, die der taz vorliegt. | |
Im Januar hatte die Asylagentur der Europäischen Union (EUAA) ihre | |
[2][Länder-Richtlinie für Afghanistan aktualisiert]. In der Analyse war die | |
EU-Agentur zu dem Schluss gekommen, dass „Frauen und Mädchen allgemein von | |
Verfolgung bedroht sind und daher Anspruch auf einen Flüchtlingsstatus | |
haben“. | |
[3][Auf sechs Seiten listet die EUAA auf], welche Entrechtungen Frauen seit | |
der Machtübernahme der Taliban im September 2021 erleben. So dürfen sie | |
etwa nicht ohne Begleitung eines Mannes weiter als 72 Kilometer reisen, | |
keine Schulen und Universitäten mehr besuchen, keine öffentlich sichtbaren | |
Berufe mehr ausüben und ohne Vollverschleierung wird ihnen medizinische | |
Versorgung verwehrt. | |
[4][Schweden und Dänemark haben die Empfehlung der EUAA bereits umgesetzt]. | |
Die Abgeordnete Bünger hatte nun gefragt, ob die Bundesregierung dies auch | |
tun werde. Darauf antwortet das Bundesinnenministerium ausweichend, die | |
Lage werde „fortlaufend aufmerksam beobachtet“. Das Bundesamt für Migration | |
und Flüchtlinge (Bamf) habe „die Entscheidungspraxis für diese | |
Personengruppe“ im Dezember 2022 angepasst, „um der verschlechterten | |
Situation von Frauen und Mädchen in Afghanistan Rechnung zu tragen“. Die | |
Entscheidungspraxis werde vom Bamf „ständig überprüft“. | |
## Ein kleines bisschen Schutz | |
Die Antwort des BMI zeigt auch: Zumindest im Jahr 2022 sah man wenig Anlass | |
dafür, Afghaninnen echten Flüchtlingsschutz zu gewähren. Zwar betrug die | |
bereinigte Schutzquote bei weiblichen Asylantragstellerinnen 99,6 Prozent. | |
Doch nur rund 29 Prozent davon wurden als Flüchtlinge oder Asylberechtigte | |
anerkannt. Knapp 7 Prozent bekamen lediglich subsidiären Schutz. In fast 64 | |
Prozent der Fälle wurde gerade mal ein Abschiebungsverbot verhängt. | |
Diese Unterscheidung ist nicht trivial. Anerkannte Flüchtlinge und | |
Asylberechtigte bekommen eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre, die bei | |
Bedarf verlängert werden kann, uneingeschränkten Arbeitsmarktzugang und das | |
Recht, ihre Familie nachzuholen. Subsidiär Geschützten haben kein Recht auf | |
Familiennachzug, können ihn aber beantragen – allerdings dürfen derzeit nur | |
1.000 Personen monatlich einreisen. Für Menschen mit einem zunächst | |
einjährigen Abschiebungsverbot ist der Familiennachzug noch sehr viel | |
eingeschränkter. | |
Das BMI spezifizierte in seiner Antwort nicht, wann im Dezember das Bamf | |
seine Leitsätze anpasste. Die jüngsten Zahlen zeigen bislang kein Umdenken: | |
Auf taz-Anfrage erklärte das Bamf, die bereinigte Schutzquote bei | |
Afghaninnen habe im Januar bei 99,8 Prozent gelegen. Doch nach wie vor | |
bekamen rund 63 Prozent von ihnen lediglich ein Abschiebungsverbot. | |
„Es ist nicht akzeptabel, wenn nur weniger als ein Drittel der Frauen aus | |
Afghanistan in Deutschland einen Flüchtlingsschutz erhalten, trotz der | |
systematischen Verletzung ihrer grundlegenden Rechte durch die Taliban“, | |
kritisierte Clara Bünger gegenüber der taz die bisherige Praxis des Bamf. | |
Auch die „drastische Zunahme der Entrechtung und Drangsalierung“ im Verlauf | |
des Jahres 2022 habe nicht zu einem Anstieg beim Flüchtlingsschutz geführt. | |
Bundesregierung und Bamf ignorierten die Empfehlung der EU-Asylagentur, | |
kritisierte die Linkenpolitikerin. „Frauen und Mädchen aus Afghanistan | |
brauchen einen sicheren Schutzstatus, keinen bloßen Abschiebungsschutz, der | |
ihnen nicht einmal den Nachzug ihrer Kinder erlaubt“, so Bünger. „Der | |
Anspruch einer feministischen Außenpolitik muss sich auch in der | |
Entscheidungspraxis des Bamf niederschlagen, um nicht zum folgenlosen | |
Gerede zu werden.“ | |
22 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Menschenrechte-in-Afghanistan/!5912443 | |
[2] https://euaa.europa.eu/news-events/afghanistan-taliban-restrictions-women-a… | |
[3] https://euaa.europa.eu/publications/country-guidance-afghanistan-january-20… | |
[4] https://www.proasyl.de/news/verfolgt-weil-sie-frauen-sind-afghanische-fraue… | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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