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# taz.de -- Krieg in der Ukraine: Von Zielsetzungen und Verzichtbarem
> Nicht ganz so oft zu hoch zielen, kann Enttäuschungen sparen. Und: Hand
> in Hand lässt sich bisweilen mehr erreichen.
Bild: Das Kind sagt: Tee! Ich sage: Ja!
Ich weiß ja nicht, was Sie unter Zielen verstehen. Für mich definieren sie
sich zurzeit in etwa so: Das Kind sagt: Tee! ich sage: Ja! Wenn ich es dann
innerhalb der nächsten Stunde – zwischen Spülmaschine-Ausräumen und
Bücher-Vorlesen und Mir-selbst-Kaffee-Machen – schaffe, mich beim Anblick
der tropfenden Nase des Kindes an seinen bescheidenen Wunsch zu erinnern
und ihm einen Tee zu kochen, sage ich mir: Ziel erreicht.
In der Politik läuft’s ja nicht viel anders, das wissen wir spätestens seit
Klara Geywitz, ihres Zeichens SPD-Ministerin für Wohnungsbau, und ihrem,
nun ja, [1][dynamischen Ziel, dringend benötigte neue Wohnungen bauen] zu
lassen. Aber auch in dieser Woche wurde wieder mal deutlich, was für
hüpfende Häschen politische Ziele sind. Der schnellste Hase im Pfeffer ist
der Kampf gegen die Erderhitzung. Hängt natürlich zusammen mit dem eher
schleppenden Verlauf der Problemlösung.
So [2][ging’s beim Außenministertreffen der G20-Staaten in Delhi –
natürlich – zuvorderst um den russischen Angriffskrieg auf die Ukrai]ne.
Wenn auch mit angezogener Handbremse made in China. Verstehen Sie mich
nicht falsch: Ich halte den Sieg der Ukraine über diesen durchgeknallten
Despoten, dessen Namen ich eigentlich nicht mal mehr schreiben möchte für
ein wichtiges, ja notwendiges Ziel. Ich bin auch dafür, Wolodimir Selenski
deshalb so [3][viele Waffen] zu liefern wie nötig.
Ja, hätten wir zu Hause einen [4][der vielen Panzer] rumstehen, die mein
Freund in seiner Militärzeit repariert hat – ich würde ihn persönlich
vorbeibringen. Ich weiß natürlich auch, wie schnell es an mehreren Ecken
brennen kann und dass man manchmal triagieren muss. Klar ist mir auch, dass
man sich schnell mit Unsinn verzettelt, dabei könnte man durchaus mehrere
Probleme parallel angehen, wenn man auf Unnötiges verzichtet.
Darüber streiten, wer die Spülmaschine ausräumt, Rücksicht auf vermeintlich
drängende Wirtschaftsinteressen oder auf falsche Freunde nehmen. Sich Leute
warm halten, die sich immer nur quer stellen, vielleicht weil sie einem
irgendwie auch nutzen. Leider trotzdem oft lange folgenlos, guckt man auf
die [5][SPD und ihr Verhältnis zu Altkanzler Schröder].
Klar, werden Sie sagen, es hängt alles mit allem zusammen, es gibt
Sachzwänge und wenn der andere Streit über Nebensächlichkeiten sucht, was
soll man dann tun? Na ja, ich kann Ihnen sagen: Es gibt Sachzwänge und es
gibt Zwingendes. Als Elternteil lernt man schnell, dass vieles, was normale
Menschen für nötig erachten, völlig unnötig ist.
Um Energie für die unausweichlichen Katastrophen zu haben (Krieg,
Klimawandel, Kinderkacke), heißt es, an anderer Stelle langmütiger sein
können. Viele Dinge sind die Erhitzung des Gemüts nicht wert. Sprich: Wenn
man gegen [6][die großen Bullys wie China] und Russland schon so wenig
ausrichten kann, muss man wenigstens gegen sie zusammenhalten.
Die deutschen Arbeitgeber zum Beispiel nölen gerade herum, Arbeitskämpfe
dürften mit allgemeinpolitischen Zielen nicht vermischt werden. Warum? Weil
Verdi seine Warnstreiks im Nahverkehr auf denselben Tag gelegt hat wie
[7][Fridays for Future] ihren Klimastreik. So was nenne ich lächerlich. Das
ist genau die Art Streit, bei dem es nur ums Ego des Nörglers geht.
Wenn man gut gelaunt ist und Zeit hat, hilft dann, dem Grantler den Kopf zu
tätscheln, ihm das Gefühl geben, gesehen zu sein – und dann einfach
weitermachen. So viel Einfühlung ist bei den Arbeitgebern nicht nötig, da
reicht: einfach weitermachen. So dumm, dass sie das gemeinsame größere Ziel
nicht sehen könnten, sind sie nicht.
Genau wie [8][die Berliner SPD], die auch nicht tatsächlich glaubt, dass
mit Kai Wegner eine Stadt zu machen ist. Auch ihr steht bloß ihr Ego im
Weg, sie hält die mühsame Suche nach Kompromissen bei Zwingendem für
weniger wichtig als geschmeidiges Durchmogeln. Aber was rege ich mich auf?
Habe ich doch Wichtigeres zu tun: Tee kochen und abwarten.
4 Mar 2023
## LINKS
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[3] /Russischer-Angriffskrieg/!5905377
[4] /Kampfpanzer-fuer-die-Ukraine/!5910797
[5] /Alt-Kanzlers-Naehe-zu-Russland/!5919489
[6] /Lukaschenko-zu-Besuch-in-China/!5919372
[7] /Schwerpunkt-Fridays-For-Future/!t5571786
[8] /Berliner-Koalition-aus-CDU-und-SPD/!5916328
## AUTOREN
Ariane Lemme
## TAGS
Kolumne Der rote Faden
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Franziska Giffey
Wohnungsnot
Große Koalition
Schwere Waffen
Berlin
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Schwerpunkt Emmanuel Macron
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