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# taz.de -- Es knallt beim RBB: Wer die Suppe auslöffelt
> Der RBB kommt aus den Skandalen nicht heraus. Nun folgt auch noch ein
> massives Sparprogramm. Was denkt die Belegschaft darüber?
Bild: 27. Januar, Berlin: Warnstreik des Rundfunks Berlin-Brandenburg
Vergangene Woche kam der Knall: Am Mittwoch verkündete RBB-Intendantin
Katrin Vernau, dass der skandalumwitterte Sender 49 Millionen Euro
einsparen soll. [1][100 Stellen werden bis 2025 gestrichen,] mehrere
Sendungen fallen den Kürzungen zum Opfer, das Programm soll sich auf die
Zeit von 18 bis 22 Uhr konzentrieren und das „Mittagsmagazin“ soll nicht
mehr vom RBB in Berlin produziert, sondern von ARD und ZDF weitergeführt
werden. Auch zwei der vier Direktionen werden gestrichen. Die Sparrunde sei
aufgrund der Misswirtschaft der vergangenen Jahre unter der gekündigten
Intendantin Patricia Schlesinger nötig geworden.
Wer sich im RBB unter der Belegschaft umhört, trifft auf Verunsicherung und
Wut. Die taz hat mit Vertreter:innen des Personalrats und der Freien
gesprochen sowie mit zehn Mitarbeiter:innen, sowohl fest angestellten
als auch freien, in den Standorten Berlin, Frankfurt (Oder) und Cottbus.
Die meisten ziehen es vor, ihre Namen nicht in der Zeitung zu lesen.
Insbesondere die freien und die jüngeren Kolleg:innen fürchten um ihre
Jobs.
Wenn man Anonymität zusichert, dann teilen sie ordentlich aus: „Das alles
kotzt mich so an“, sagt ein Freier. Ein anderer findet, „die Stimmung ist
am Arsch.“ Immer wieder wird gesagt: „Wir müssen die Suppe auslöffeln, die
andere uns eingebrockt haben.“ Eine freie Mitarbeiterin beim Radio sagt:
„Wir können für die Misere nichts, aber gespart wird auf unserem Rücken.“
Das sieht auch Sabine Jauer so. Die Vorsitzende des Personalrats ist
ruhiger als die anderen Gesprächspartner:innen, aber auch sie findet:
„Wir müssen ausbaden, was in den vergangenen Jahren falsch gemacht worden
ist.“ Und nun wehren sich die gekündigten Geschäftsleitungsmitglieder auch
noch juristisch gegen ihre Entlassung und Patricia Schlesinger will ihr
Ruhegeld von 18.000 Euro monatlich einklagen.
## Alle Vermögenswerte liquidieren
„Am schlimmsten sind [2][diese Ruhegelder]“, sagt Jauer. Aber sie sieht
auch Gutes im nun angestoßenen Prozess: „Besser einen harten Schnitt als
Scheibchenweise neue Hiobsbotschaften.“ Jauer hat auch konkrete Vorschläge,
wo gespart werden könnte: „Vernau will die Zahl der außertariflich
Bezahlten halbieren. Wir finden, die können ganz abgeschafft werden.“ Lutz
Oehmichen, der auch im Personalrat sitzt, weist auf die Immobiliengeschäfte
hin. Die sollen zwar reduziert werden, aber: „Bevor hier jemand entlassen
wird oder Honorare gekürzt werden, müssen wir alle anderen Vermögenswerte
liquidieren.“
Was in den Gesprächen auffällt, ist die ausgeprägte Berufsehre. Alle wollen
ein gutes Programm machen. „Uns Redakteuren macht die Arbeit Spaß. Solange
wir unsere Sendungen machen konnten, hat mich der Rest nicht interessiert“,
sagt Sabine Jauer. „Was in den Ebenen über uns passierte, damit hatte man
gar nichts zu tun.“
Genau das war wohl das Problem. Über die Jahre haben sich im RBB viele
Führungsebenen gebildet, die von der eigentlichen Produktion abgekoppelt
waren. Techniker berichten, sie hätten bis zu fünf Stufen über sich, sie
wüssten nicht mal, was die alle tun. Dieser administrative Wasserkopf ist
es, der so viel Geld frisst. Und der sei noch nicht richtig angegangen
worden, bemängeln einige.
Der bisherigen Geschäftsleitung hat Katrin Vernau zwar gekündigt, ein
Schritt, der in der Belegschaft auf große Zustimmung trifft. Aber die
zweite Reihe, die das System Schlesinger ermöglicht hat, ist noch da. „Eine
Reihe von Führungskräften sind dabei gewesen, den Plan Schlesingers willig
zu erfüllen“, sagt Lutz Oehmichen. „Die gleichen Akteure sitzen wieder im
Boot und rudern in die entgegengesetzte Richtung.“
Viele berichten von Erschöpfung, die die ständigen Skandalmeldungen und
Aufarbeitungstreffen auslösen. „Ich war entsetzt“, sagt eine freie
Mitarbeiterin. „Und es wurde mit jeder Enthüllung schlimmer.“ Auch Sabine
Jauer sagt, sie sei seit vergangenem Sommer „in Dauerschleife“. Man müsse
endlich aus dem Krisenmodus kommen, auf Dauer könne man so nicht arbeiten.
„Wir haben gar nicht mehr die Power und das Geld, spannende Geschichten zu
machen“, sagt ein freier Mitarbeiter in Cottbus. Und nun gefährdeten die
Sparprogramme auch noch die Grundversorgung. Bei manchen macht sich auch
ein gewisser Zynismus bemerkbar. Darauf angesprochen, dass Schlesinger nun
ihre Ruhegeldzahlung einklagen will, sagt ein Redakteur bloß: „Mehr hab ich
von der gar nicht erwartet.“
## In ruhigeres Fahrwasser?
Die meisten Gesprächspartner:innen schätzen hingegen Vernau. Ihr wird
große Kompetenz in der Verwaltung zugeschrieben. Sie sei ein Zahlenmensch,
was in dieser Situation das Richtige sei. Mit Vernau, so die Hoffnung,
komme man in ruhigeres Fahrwasser. Lutz Oehmichen findet, Katrin Vernau sei
vielleicht nicht die Geschickteste, wenn es um Kommunikation geht, aber:
„Sie scheint keine schlechten Absichten zu haben. Zu Schlesinger ist das
ein Unterschied wie Tag und Nacht.“
Andere bemängeln, dass Vernau nicht aus dem Programm komme. Ein freier
Mitarbeiter sagt: „Mir fehlt eine Vision wo sie publizistisch hin will.“
Christoph Reinhardt von der Freienvertretung ist da kritischer. Es würde
die Stimmung verbessern, wenn Vernau bestätigen könnte, dass es keine
betriebsbedingte Beendigung von freien Arbeitsverhältnissen geben wird, was
sie bisher nicht getan hat. „Da war so ein Satz wie: „Freie sind eben
Freie.“ Die Frage der Freien ist zentral. Laut Reinhardt ist nur jede:r
dritte Journalist:in im RBB fest angestellt.
Die meisten Kürzungen werden im Programmetat erwartet – aus dem die
Honorare der Freien bezahlt werden. „Wir fühlen uns als Schiebemasse“, sagt
eine freie Redakteurin. Ohnehin ist auffällig, wie viele Menschen beim RBB
nicht fest angestellt werden. Freie arbeiten manchmal jahrzehntelang
Vollzeit für den RBB. Aber feste Stellen gibt es selten. Lutz Oehmichen
mahnt: „Da hat sich ein Schattenarbeitsmarkt etabliert.“
Nun könnten die Sparmaßnahmen vor allem die Freien treffen. „Dabei gibt es
ohne uns kein Programm“, empört sich die freie Radioredakteurin. Sabine
Jauer mahnt, dass sich die Belegschaft nicht in Feste und Freie spalten
lassen dürfe. Alle müssen am selben Strang ziehen.
Eine andere Spaltung nimmt der Nachwuchs wahr. Gerade jüngere Zielgruppen
sollen mehr erreicht werden, ließ der RBB wissen, als die Sparmaßnahmen
angekündigt wurden. Spricht man hingegen mit jüngeren Kolleg:innen, wird
klar, dass sich um diejenigen, die dieses Programm produzieren sollen,
wenig gekümmert wird. Dass etwa ausgerechnet das „Mittagsmagazin“ nicht
mehr in Berlin produziert werden soll, stößt auf Unverständnis.
## Offener Brief des „Mittagsmagazins“
In einem offenen Brief protestieren 23 Mitarbeiter:innen des
„Mittagsmagazins“ gegen die geplante Streichung des Formats unter anderem
mit der Begründung, dass die Redaktion eine der jüngsten und diversesten im
Haus sei. „Wenn sich der RBB das Mima „nicht mehr leisten kann“, heißt es
in dem Schreiben, „dann verabschiedet er sich von vielen journalistischen
und kreativen Köpfen, die Qualifizierungen mitbringen, die der Sender
gerade dringend braucht.“
Auch andere junge Mitarbeiter:innen fühlen sich stark benachteiligt.
„Die Boomer kriegen mehr Ruhegeld, als wir überhaupt Rente bekommen
werden“, empört sich eine junge Redakteurin. „Es ist aussichtslos für jun…
Leute da“, sagt eine Freie, die gar nicht mehr für den RBB arbeiten will.
Nun sollen auch noch die Volontariate, die gemeinsam mit der ems
Medienschule angeboten werden, zur Hälfte wegfallen. Woher soll denn der
Nachwuchs dann noch kommen?
„Dass sie an den Volos sparen, ist doch nur lächerlich“, findet eine
Gesprächspartner:in. Das sende ein falsches Signal. „Als junger Mensch
fühlt man sich nicht ernst genommen. Da kämpft man für ein kleines
Digitalformat und die anderen gehen für Tausende Euro auf Firmenkosten
essen“, sagt eine andere.
Doch ganz verzagt sind die Gesprächspartner:innen noch nicht. Lutz
Oehmichen sagt: „Ich hoffe, dass die Zeit der falschen Goldgräber und
Quatschköpfe vorbei ist.“ Und Sabine Jauer sagt sogar: „Wir sind zwar nicht
guter Dinge, aber auch nicht ohne Zuversicht.“
4 Mar 2023
## LINKS
[1] /Sparprogramm-beim-RBB/!5917863
[2] /Manager-Bezuege-beim-RBB/!5898777
## AUTOREN
Caspar Shaller
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