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# taz.de -- Klimaforscher über Lobbymacht: „Exxon hat hinters Licht geführt…
> Klimaforscher Stefan Rahmstorf glaubt nicht mehr, dass er mit Gutachten
> zur Politik durchdringt. Ein Gespräch über die Lobbymacht fossiler
> Konzerne.
Bild: Der Ölkonzern ExxonMobil hat Rekordeinnahmen für das Jahr 2022 gemeldet
taz: Herr Rahmstorf, [1][der Ölkonzern Exxon wusste schon jahrzehntelang],
dass die Verbrennung von fossilen Kraftstoffen die Erde aufheizen würde.
Sie haben gerade die damaligen Arbeiten der konzerneigenen
Wissenschaftler:innen analysiert. Was genau wusste [2][Exxon]?
Stefan Rahmstorf: Die erste Klimaprojektion von Exxon aus den
Siebzigerjahren kam auf eine noch stärkere Erwärmung, als sie dann
eingetreten ist. Seit den Achtzigerjahren stimmen die Projektionen von
Exxon sehr genau. Sie waren sogar noch ein bisschen genauer als die, die
zeitgleich in akademischen Forschungsinstitutionen entstanden sind.
Hat Sie das erstaunt?
Ja. Es ist schon länger bekannt, dass die fossilen Energiekonzerne
letztlich wussten, was sie verursachen. Aber dass sie so intensiv geforscht
haben und so präzise Modelle hatten, das hat mich schon überrascht.
Übrigens hat kein einziges von diesen Modellen auch nur im Entferntesten
erwarten lassen, dass es durch die fossile Energienutzung keine
Erderwärmung geben wird. Das ist es aber, was der Konzern in der
Öffentlichkeit behauptet hat.
Wie lief das ab?
Man hat zum Beispiel in großen amerikanischen Tageszeitungen über Jahre
hinweg sogenannte Advertorials finanziert. Das Motto: Wir wüssten ja gar
nicht, ob es eine Erderwärmung geben werde und ob das schlimm sei. Exxon
wusste nicht nur ganz genau, was für ein Problem das Öl verursacht. Der
Konzern hat auch mit hohem Aufwand gezielt die Öffentlichkeit hinters Licht
geführt.
Vor ein paar Wochen hat ExxonMobil Rekordeinnahmen für das Jahr 2022
gemeldet, andere Ölkonzerne ebenso. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie
so etwas hören?
Mir geht als Erstes durch den Kopf, dass diese Konzerne durch diesen
Reichtum einen großen Einfluss auf die Politik haben. Die Lobbymacht dieser
Konzerne erhöht sich weiter. Das ist erschreckend.
Sie können sich als einer der weltweit führenden Klimaforscher:innen
auch Gehör verschaffen, saßen zum Beispiel im renommierten
Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen,
dem WBGU. Was hat das gebracht?
Was die direkte Wirkung auf die Bundesregierung angeht, bin ich skeptisch
geworden. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass die Politiker gerne den
wissenschaftlichen Rat annehmen, der ihnen ins Konzept passt. Was ihnen
nicht passt, machen sie auch nicht. Trotzdem glaube ich, dass es sehr
wichtig ist, solche Beratungsgremien zu haben. Die Gutachten des WBGU sind
nicht nur zur Politikberatung da, sondern informieren auch Medien und die
Öffentlichkeit.
Warum kommen Sie bei der Politik trotz Ihrer ausgewiesenen Expertise nicht
durch?
Um es mal ein bisschen plakativ zu formulieren: Konzernchefs haben die
Handynummer des Kanzlers oder der Kanzlerin. Zu der Vorstellung unserer
wissenschaftlichen Gutachten kommt mit etwas Glück mal ein Minister für
eine Stunde. Und ich bin sicher, dass ein Großteil der
Bundestagsabgeordneten von den Berichten des Weltklimarats [3][IPCC] nicht
einmal die Zusammenfassung für Entscheidungsträger gelesen hat.
Die Wissenschaftler:innen des IPCC gingen 2021 laut einer Umfrage
mehrheitlich davon aus, dass sich die Erde bis zum Ende des Jahrhunderts im
Vergleich zu vorindustriellen Zeiten um 3 Grad aufheizen wird. Wie sähe
diese Welt aus?
Das Erste, was man wissen muss: 3 Grad im globalen Mittel bedeutet auf
vielen Landgebieten 5 oder 6 Grad, denn die Ozeane erwärmen sich langsamer
und insgesamt weniger. Auch in Deutschland sehen wir ja schon eine
Erwärmung um 2,4 Grad seit dem 19. Jahrhundert, während der globale
Mittelwert nur um 1,2 Grad angestiegen ist. 5 bis 6 Grad Erwärmung hier
bedeuten ein Klima, an das unsere ganzen Ökosysteme einfach nicht angepasst
sind.
Also zum Beispiel, dass die Landwirtschaft große Probleme bekommen könnte.
Oder eigentlich schon hat: 2022 ist die Gemüseernte zurückgegangen,
[4][unter anderem wegen Hitze und Dürre].
Und es gibt nicht-lineare Effekte. Das heißt: 3 Grad Erderwärmung ist nicht
dreimal schlimmer als 1 Grad Erderwärmung, sondern die Folgen nehmen
überproportional zu. Es wird auch ganz neuartige Formen von Wetterextremen
geben. Eine 3-Grad-Welt möchte ich meinen Kindern auf keinen Fall zumuten.
Wenn es tatsächlich regional massive Dürre-Probleme gibt und nicht
unwahrscheinlich Hungersnöte, fürchte ich um die politische Stabilität. Das
begünstigt Konflikte zwischen und innerhalb von Staaten, den Aufstieg von
Populisten mit scheinbar einfachen Antworten und die Gefahr des Zerfalls
der Gesellschaft. Diese Risiken haben wir mit dem WBGU übrigens schon 2007
in einem [5][Gutachten namens „Sicherheitsrisiko Klimawandel“] beschrieben.
Deshalb soll möglichst bei 1,5 Grad Erderhitzung Schluss sein, so steht es
im Pariser Klimaabkommen. Eine Studie der Uni Hamburg kam kürzlich zu dem
Schluss, das sei abwegig. Sehen sie das auch so?
„Unplausibel“ war der Wortlaut, glaube ich. Das ist aber letztlich eine
politische Einschätzung. Aus Sicht der Physik spricht nichts dagegen, die
1,5 Grad noch einzuhalten.
Das würde bedeuten, die CO2-Emissionen in den kommenden sieben Jahren
weltweit zu halbieren und bis 2050 klimaneutral zu werden. Im vergangenen
Jahr sind die Emissionen wieder gestiegen.
Natürlich, das ist eine sehr große Aufgabe, aber die Alternative ist
schlimmer. Und man muss sagen: So lange wir die fossile Energienutzung
immer noch subventionieren und in Deutschland die simpelsten Maßnahmen wie
ein Tempolimit nicht einführen, so lange kann man nicht behaupten, dass
ernsthaft versucht wurde, die Erderwärmung zu stoppen.
3 Mar 2023
## LINKS
[1] /Erderhitzung-durch-Treibhausgase/!5908674
[2] /Exxon/!t5029281
[3] /!s=IPCC/
[4] /Lage-der-Landwirtschaft/!5915739
[5] https://www.wbgu.de/fileadmin/user_upload/wbgu/publikationen/archiv/wbgu_jg…
## AUTOREN
Susanne Schwarz
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