# taz.de -- Protest von Fridays for Future und Verdi: Klimastreik ist Warnstreik | |
> Gemeinsame Gegner und Interessen: „Fridays“ und Verdi protestieren für | |
> die Verkehrswende. Die Bewegung sucht nach Verbündeten jenseits der | |
> Grünen. | |
Bild: Geht doch: FFF protestiert für die Verkehrswende in Berlin im Februar | |
BERLIN taz | Wer am Freitag in Hessen, Baden-Württemberg, | |
Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Sachsen oder Rheinland-Pfalz an den | |
zentralen Veranstaltungen zum [1][Klimastreik] teilnehmen will, der muss | |
dafür die Bahn, das Fahrrad oder das Auto nehmen. Denn gleichzeitig mit dem | |
„Globalen Klimastreik“ von [2][Fridays for Future] (FFF) an 200 Orten | |
bundesweit legt die [3][Dienstleistungsgewerkschaft Verdi] an diesem Tag 24 | |
Stunden lang den öffentlichen Nahverkehr in diesen sechs Ländern lahm. Der | |
Grund: Warnstreik im Tarifstreit mit den öffentlichen Arbeitgebern. | |
Kein dummer Zufall, sondern Strategie: Unter dem Motto „#Wirfahrenzusammen“ | |
fordern FFF und Verdi gemeinsam eine sozial gerechte und nachhaltige | |
Verkehrspolitik, also die Verkehrswende: Bessere Arbeitsbedingungen im | |
ÖPNV, mehr Personal, bezahlbare Tickets, Ausbau der Streckennetze und | |
höhere Taktung – aber alles zu höheren Löhnen und guten Arbeitsbedingungen. | |
Die bisherige Verkehrspolitik der Ampel werde „absehbar im Desaster enden“, | |
kritisiert Lou Töllner von FFF Berlin, dabei müssten für die Klimaziele | |
„die Emissionen im Verkehr 14-mal so schnell sinken wie bisher“. Die | |
Koalition debattiere aber über neue Autobahnen und fälle damit falsche | |
„Entscheidungen für die nächsten Jahrzehnte.“ | |
Dabei wäre der Ausbau des öffentlichen Verkehrs ein „grundlegender Schritt | |
zur klima- und sozialgerechten Mobilität“, schreiben FFF. Da setzt auch | |
Christine Behls an, Vize-Chefin von Verdi: Das Angebot der Arbeitnehmer von | |
fünf Prozent mehr Lohn und Gehalt sei „ein Schlag ins Gesicht der | |
Beschäftigten“. | |
Das Geld für neue Autobahnen solle in „emissionsarme Mobilität“ umgelenkt | |
werden. Dort werde es dringend gebraucht: In den letzten 20 Jahren seien | |
ein Fünftel der Jobs im ÖPNV abgebaut worden, bis 2030 würden hier | |
bundesweit 110.000 Beschäftigte fehlen – und dann wolle die Politik noch | |
das ÖPNV-Angebot ausbauen. Das aber gehe nur, wenn die Jobs attraktiver und | |
besser bezahlt würden. | |
## Mehr Wumms für die Forderungen | |
Verdi und FFF zusammen auf der Straße, das gab es bereits in den | |
vergangenen Jahren. Aber Klimastreik als Warnstreik, das ist neu. | |
Einerseits passt es gerade gut im Arbeitskampf. Andererseits suchen FFF | |
nach neuen Bündnispartnern und mehr Wumms für ihre Forderungen. Denn auch | |
die Sympathisanten der immer noch jungen Klimabewegung sind skeptisch, was | |
ihre Zukunft nach Corona und im Krieg angeht: „Es tut mir leid, das zu | |
sagen, aber die Zeit der Fridays scheint vorbei zu sein“, sagt Lars | |
Grotewold, Klimaexperte bei der Mercator-Stiftung, die viel Geld in die | |
Unterstützung von Zivilgesellschaft und Klimabewegung steckt. „Sie sind | |
keine breite, mobilisierende Kraft mehr.“ | |
Auch Brigitte Knopf vom Klimathinktank MCC meint, die Bewegung brauche nach | |
all den Erfolgen wohl eine Neuausrichtung: Vielleicht eine positive | |
Erzählung, mehr gesellschaftliche Verbündete oder den Fokus „auf konkrete | |
Sektoren wie den Verkehr.“ Genau das tun FFF jetzt. Kathrin Henneberger, | |
Klimaaktivistin und grüne Abgeordnete im Bundestag, sagt, die „Fridays | |
haben sich nicht überlebt. Sie sind wichtiger denn je.“ Sie sehe als | |
Mitglied einer Regierungskoalition, „wie wenig Klimaschutz sich in der | |
Ampel umsetzen“ lasse. „Wir Grüne in der Regierung brauchen Millionendemos | |
für Klimaschutz auf der Straße.“ | |
FFF-Frontfrau [4][Luisa Neubauer] sieht eine neue Qualität darin, „dass die | |
Klimabewegung nun die soziale Frage lebensnah und konkret mitdenkt“. Auch | |
werde jetzt klarer, dass es nach „viel rhetorischem Zuspruch zu unseren | |
Forderungen“ nun öfter bei der Umsetzung ernst werde, „und dann knallt es | |
manchmal.“ Bisher mache auch die Ampel so weiter wie bisher und „traut sich | |
nicht, Schlussstriche zu ziehen, wo es nötig ist – etwa beim | |
Autobahnausbau.“ | |
Die Bewegung und ihr Klimaminister fremdeln: Die [5][Deutsche Umwelthilfe | |
hat Robert Habeck eine gemischte Bilanz] seines ersten Amtsjahres | |
bescheinigt: Gut beim Ausbau von Solarenergie und Übertragungsnetzen, | |
schlecht bei Effizenz, Planung und Offshore-Wind. Der Grüne will in diesem | |
Jahr bessere Bedingungen für Planung und Betrieb von Wind und Solar | |
durchsetzen, Hilfen beim grünen Umbau der Industrie („Contracts for | |
Difference“) und eine Strategie für die CO2-Speicherung vorlegen. | |
Das Thema Verkehr könnte Grüne und Bewegung nun wieder enger | |
zusammenbringen. Denn da ist der gemeinsame Gegner das FDP-geführte | |
Verkehrsministerium von Volker Wissing. Überhaupt warten die großen | |
Klima-Kämpfe mit den Liberalen: Die bremst beim Effizienzgesetz und dem | |
Verbrenner-Aus in der EU und will dem Klimaschutzgesetz die Zähne ziehen. | |
Und dann fehlt eben auch ernsthafter Klimaschutz im Verkehr – trotz aller | |
Warn- und Klimastreiks. | |
3 Mar 2023 | |
## LINKS | |
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[3] /Verkehrswende-Aktionstag/!5915816 | |
[4] /Robert-Habeck-ueber-Klimapolitik-und-Krieg/!5908990 | |
[5] https://www.duh.de/fileadmin/user_upload/download/Pressemitteilungen/Bilanz… | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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