Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Verkehrswende in Berlin: Riesenschwein auf dem Fahrrad
> Mit dem Rad durch die Stadt – das kann gutgehen, aber auch nicht. In
> Sachen Klimaschutz lässt sich jedenfalls davon lernen.
Bild: Bei nächsten Mal lieber das Rad stehen lassen
Soll ich diesen Text wirklich schreiben? Vielleicht bekommen ihn die
Strafverfolgungsbehörden oder Minderjährige in die Finger. Oder ich
blamiere mich endgültig.
Nun ja: Es war also einer dieser hektischen Tage. In Deutschland
[1][streikten Bahn und S-Bahn], im Kanzleramt die Ampelkoalition. Mir
schwirrte der Kopf vor lauter schlechten Meldungen vom [2][IPCC-Bericht],
der internationalen Energiewende und dem bedrohten deutschen
Klimaschutzgesetz. Wichtiger Termin, auf dem Fahrrad halbe Stunde hin,
Treffen, halbe Stunde zurück. Vorher Hektik, hinterher dringende
Verabredung.
Auf dem Rückweg bin ich spät dran. Also Tempo! Zwei Lkws blockieren die
Straße, dazwischen nur ein enger Spalt. Mut zur Lücke und durch. Kaum habe
ich knapp überlebt, geht es weiter: Straße gesperrt. Ich also mit vollem
Tempo auf den Gehsteig der Gegenfahrbahn. Einer Frau mit Hund ausgewichen
und zur nächsten großen Querstraße gerollt. Die Ampel für mich rot. Kurzer
Blick nach links, frei, also rüber. Dann quer gegen den Verkehr auf die
andere Fahrbahn.
Auch die nächste Ampel an der dreispurigen Hauptstraße will mich bremsen.
Und die Autos sind noch 150 Meter entfernt. Also kurz entschlossen kräftig
in die Pedale getreten, über die rote Fußgängerampel gerollt und gegen die
Fahrtrichtung auf den Bürgersteig abgebogen.
Und dann sehe ich den Streifenwagen. Der silberblaue Zafira fährt auf der
rechten Spur auf mich zu, bremst und stoppt kurz vor mir. Die Wagentür
öffnet sich, ein Polizist steigt praktisch direkt vor mir aus. Mein
monstermäßig schlechtes Gewissen denkt: Zwei oder drei Punkte in Flensburg?
150 Euro? Ein völlig berechtigtes Donnerwetter, Entzug des
Radführerscheins?
Dann wendet sich der Polizist an einen Mann, der vor mir auf dem Gehsteig
steht. „Wir müssen da hinten ins Parkhaus“, sagt er zu ihm und geht los –
und ich rolle still und leise und ohne einen Mucks an den beiden vorbei.
Biege um die nächste Ecke. Und schreie vor Erleichterung. Puuuh!
Und dann fällt mir ein: Wenn wir ab vorgestern und überall Emissionen
senken, wenn wir weltweit dreimal mehr Ökostrom bauen müssen und das
Klimaschutzgesetz vor dem Verkehrsminister kapituliert – dann brauchen wir
für eine erträgliche Zukunft auch unglaublich viel Glück. Mega Dusel. Ein
Riesenschwein.
Manchmal haben wir das. Aber meistens nicht. Darauf zu setzen, bei Verkehr
oder Weltrettung, ist lebensgefährlicher Irrsinn.
3 Apr 2023
## LINKS
[1] /Bundesweiter-Warnstreik/!5921816
[2] /Neuer-Bericht-des-Weltklimarats-IPCC/!5920070
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Fahrrad
Schwerpunkt Klimawandel
Wir retten die Welt
Wir retten die Welt
Verkehr
Schwerpunkt Klimawandel
Zukunft
Schwerpunkt Klimasabotage
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kein CO2-Budget mehr für die Alten: Die Ungnade der späten Geburt
Als unser Autor jung war, war er schon öko. Trotzdem hat er viel vom
globalen CO2-Budget verbraucht. Der Rest gebührt deshalb den heutigen
Jungen.
Nah- und Regionalverkehr: Verkauf des 49-Euro-Tickets startet
Das Deutschlandticket ist endlich da und kann per App oder an den Schaltern
gekauft werden. Ab Mai ist es dann gültig.
Neuer Bericht des Weltklimarats IPCC: 1,5-Grad-Grenze wohl bald erreicht
Die Klimakrise macht das Leben auf der Erde gefährlicher. Der Weltklimarat
zeigt, was dagegen zu tun ist: CO2-Emissionen bis 2030 halbieren.
Wohlstand für die ganze Welt: Kann Wachstum klimagerecht sein?
Für den größten Teil der Welt ist Degrowth keine Perspektive. Wie können
Klimaschutz und Entwicklung zusammengehen? Eine Analyse in fünf Schritten.
Klimaforscher über Lobbymacht: „Exxon hat hinters Licht geführt“
Klimaforscher Stefan Rahmstorf glaubt nicht mehr, dass er mit Gutachten zur
Politik durchdringt. Ein Gespräch über die Lobbymacht fossiler Konzerne.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.