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# taz.de -- Konzert von Lizzo in Berlin: Querflöte unter der Diskokugel
> Auf Wiedersehen, Schlampe: US-Superstar Lizzo gastiert in der Berliner
> Mercedes-Benz-Arena und verzückt auf Deutsch.
Bild: Die US-amerikanische Sängerin Lizzo und ihre Big Grrrls während der jet…
Schon bevor Lizzo die Bühne betreten hat, ist die Stimmung in der Berliner
Mercedes-Benz-Arena am Dienstabend hervorragend: Die Menge singt, tanzt und
schwingt verschiedene LGBTIQ-Flaggen. Als dann „Hey motherfucker, did you
miss me?“ eingespielt wird und Lizzo im neongelb-durchsichtigen Bodysuit
aus einem Loch im Boden auf die Bühne fährt, steigert sich die Stimmung
noch einmal. Es ist die erste Liedzeile von „The Sign“, dem Auftaktsong
[1][ihres zweiten Albums „Special“], mit dem der US-amerikanische R&B-Star
seit vergangenem September um die Welt tourt.
Jubel in der gut gefüllten, aber nicht ausverkauften Riesenhalle
beantwortet ihre Frage mit einem eindeutigen Ja. Durch den lauten Applaus
geht fast unter, dass Lizzos Mikro die ersten paar Takte des
Eröffnungssongs nicht eingeschaltet ist. Ein Fehler, den die Sängerin
gekonnt ignoriert, sie legt einfach los mit dem zweistündigen
Bühnenprogramm ihrer „Special“-Tour.
Zuletzt stand Lizzo vor der Pandemie in Berlin auf der Bühne. Im Juli 2019,
kurz nachdem sie [2][mit ihrem Album „Cuz I Love You“] ihren Durchbruch
hatte, füllte sie [3][mit knapp 1.000 Zuschauer*innen den Festsaal
Kreuzberg]. Ein energiegeladenes und intimes Konzert. Heilender als eine
Therapiestunde, war im Anschluss immer wieder zu hören. Lizzo war damals in
der vergleichsweise kleinen Location nicht nur im wörtlichen Sinne zum
Greifen nah.
Denn durch ihre Songs und Erzählungen über Selbstliebe in einer
rassistischen und dickenfeindlichen Gesellschaft öffnete sie sich dem
Publikum und das sog jedes Wort von ihr auf. Wenige Monate später kam sie
wieder nach Berlin, dieses Mal schon eine Nummer größer in die
Columbiahalle, und jetzt eben die Arena. Der Ort, wo in Berlin die
Superstars auftreten.
## Intim ist in der Mercedes-Benz Arena erstmal nichts
In der Zwischenzeit folgte für Lizzo neben der Pandemie ihr neues Album
„Special“, ein Haufen Preise – unter anderem vier Grammys – und die
[4][Amazon-Castingshow „Watch Out for the Big Grrrls“], in der sie
Tänzer*innen für ihre Tour suchte. Jetzt ist sie wieder da und beendet
nach Konzerten in Köln und Hamburg mit Berlin den Deutschland-Part ihrer
Welttournee. Zum Greifen nah und intim ist in der Mercedes-Benz Arena erst
einmal nichts. Die große Bühne lässt kaum Intimität zu, doch sie gibt Lizzo
den Raum für eine fulminante Show.
Für die große Bühne hat Lizzo „ein paar Freundinnen mitgebracht“. Neben …
und Backgroundsängerinnen steht dort eine vierköpfige Band mit Schlagzeug
und Gitarre, durchaus etwas Besonderes bei der Mischung aus Rap und R&B,
wie Lizzo sie macht. Und natürlich sind auch ihre „Big Grrrls“ am Start –
bis zu zehn Tänzerinnen die zu Megahits, wie „Truth Hurts“ und „Tempo“,
eine Performance abliefern, die einen schon beim Zuschauen außer Atem
zurücklässt.
Überraschungsbesuche von Stars fallen beim Konzert leider aus, als jedoch
Cardi B über ein Handy-Video in den gemeinsamen Song „Rumors“ geschnitten
wird, ist der Applaus trotz allem überwältigend.
In den Pausen, in den alle einmal kurz Luft holen müssen, spricht Lizzo mit
dem Publikum. „Liebe dich selbst“ und „Du bist toll, genauso wie du bist�…
hören sich an wie ausgelutschte Slogans auf Instagram-Kacheln. Doch wenn
Lizzo – eine Botschafterin der Body-Positivity-Bewegung und Star der
queeren, dicken und Schwarzen Community – sie mantraartig wiederholt, kann
man sie auf einmal ernst nehmen. Der Star gibt einem das Gefühl: Heute
Abend sind wir nicht nur ein Publikum, wir sind eine Gemeinschaft.
Wenn das nun nach einem ernsthaften Konzert klingt, könnte man nicht
falscher liegen. Die Show ist bunt, schrill und laut: Angefangen von Lizzos
wechselnden Outfits über die Tanzperformances bis hin zur gigantischen
Discokugel, die zu ihrem Smashhit „About Damn Time“ in der Arena-Mittel
herunter gelassen wird.
## Catchphrase von 10.000 Besucher*innen
Witzig wird es auch dann, wenn Lizzo ihre neu erworbenen Deutschkenntnisse
am Mikrofon ausprobiert und die knapp 10.000 Besucher*innen ihre
Catchphrase (Bye, Bitch!) auf Deutsch gemeinsam rufen: „Auf Wiedersehen,
Schlampe!“ Ihre Interpretation von Rammsteins „Du hast“ führt in der Are…
ebenfalls zu Lachern. Dass dies keine spontanen Einfälle sind, sondern
Gleiches schon in Köln und Hamburg auf der Bühne zu erleben war –
geschenkt! So ist das eben, wenn Stars zu Superstars werden.
Dass Lizzo nicht nur gut unterhalten kann, sondern ein wahnsinniges
musikalisches Talent ist, beweist sie an diesem Abend durch ihre Rapreime,
aber auch in ruhigen Balladen, in denen sie ihre Stimme in die Höhe treibt
und man sich kurz wünscht, es gäbe einen noch größeren Raum, den sie damit
füllen kann. Highlight ist wie immer der Bühnenauftritt ihrer „besten
Freundin“ Sasha. Wohlgemerkt kein Mensch, sondern ihre Querflöte, die sie
selbst beim Twerken perfekt spielen kann.
Intime Momente gibt es dann trotz professioneller Arena-Show doch: Vor der
Bühne steht eine junge Frau und hält ein Schild hoch, dass Lizzo nicht
versteht. „Wieso ist da ein Bild von Simba drauf?“, fragt sie. Die Frau
antwortet, dass, wie bei Lizzo auch, bei ihr vor einigen Jahren der Vater
gestorben sei und sie mit ihrer Musik ihr Kraft gebe und damit ihr
persönlicher Simba geworden sei. Ein Moment, den der US-Popstar gut
auffängt und mehrmals darauf zurückkommt.
Zum Schluss verabschiedet sie sich mit einem „I’m your Simba“ und
verschwindet in das Loch im Boden, aus dem sie gekommen ist. Und schon
jetzt ist klar: Wir motherfucker werden sie vermissen – bis sie
wiederkommt.
1 Mar 2023
## LINKS
[1] /Neues-Album-von-Soul-Saengerin-Lizzo/!5867555
[2] /Cuz-I-Love-You-von-Lizzo/!5606219
[3] /In-die-Liga-der-ganz-Grossen/!5606002/
[4] /Lizzo-hat-eine-neue-Castingshow/!5850430
## AUTOREN
Carolina Schwarz
## TAGS
Pop
Soul
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Queer
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