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# taz.de -- Vorwürfe gegen Popstar: Nicht Lizzo!
> Die Sängerin hat Feminismus zu ihrem Markenzeichen gemacht. Nun werfen
> ihr ehemalige Tänzerinnen Belästigung und Diskriminierung vor.
Bild: Konzert-Atempausen nutzte Lizzo, um Selbstliebe und Body-Positivity zu pr…
Waren Sie schon einmal bei einem Konzert, bei dem sich einfach alles
perfekt angefühlt hat? Die Musik, das Publikum und die Stimmung? Ich schon.
Es war im Sommer 2019, die Karriere der Sängerin Lizzo ging gerade so
richtig los, [1][als sie vor rund 1.000 Fans im Festsaal Kreuzberg in
Berlin aufgetreten ist.] Ihre Energie und die ihrer vier Tänzerinnen auf
der Bühne war ansteckend, das Konzert verging wie im Flug. Lizzo wechselte
im Minutentakt zwischen getragener Ballade, Rap- und Twerk-Parts.
Die Atempausen nutzte sie für persönliche Anekdoten oder um Selbstliebe und
Body-Positivity zu predigen. Dieser Abend fühlte sich so an, als hätte
Lizzo für einen ganz persönlich performt, und das Publikum wurde innerhalb
von 90 Minuten von Fremden zu Freund_innen.
Das klingt kitschig, übertrieben, das ist mir bewusst, aber so hat es sich
angefühlt. Und seit diesem Abend war ich das erste Mal seit langer Zeit
wieder Fan von jemandem. Lizzo spielt [2][mittlerweile in der Liga der
ganze Großen – mit Beyoncé], Billie Eilish oder Taylor Swift. Doch im
Gegensatz zu ihren Kolleginnen versucht sie nicht nur, mit vereinzeilten
feministischen Botschaften mit der Zeit zu gehen. Ihre ganze Persona beruht
auf aktivistischem Einsatz für Schwarze, queere oder auch dicke Menschen.
Denn während viele Diversity predigen und dann doch nur normschöne
Tänzerinnen auf die Bühne holen, stehen bei Lizzo immer Schwarze dicke
Frauen im Vordergrund. Und dass das in einer Welt voller Diskriminierung
und Hass gar nicht immer so einfach ist und ganz schön anstrengend sein
kann, teilt sie dann mit ihren Fans auf Instagram. Ihren Hatern begegnet
sie radikal, aber mit Witz, regelmäßig landet sie auf [3][Internetlisten
der „unproblematischsten und nettesten Promis“].
## Auch Schwarze Frauen können rassistisch sein
Doch damit ist nun erst einmal Schluss, denn aktuell stehen harte Vorwürfe
gegen Melissa Jefferson, wie Lizzo mit bürgerlichem Namen heißt, im Raum.
Am Dienstag haben drei ehemalige Tänzerinnen Lizzo wegen Verstößen gegen
das kalifornische Arbeitsrecht verklagt. Es geht dabei um sexuelle,
religiöse und rassistische Belästigung, Diskriminierung aufgrund einer
Behinderung, Körperverletzung und Freiheitsberaubung.
Eine Sängerin soll bei einer Sex-Show im Amsterdamer Rotlichtviertel von
Lizzo gedrängt worden seine, die Brüste einer nackten Frau im Club zu
berühren. Eine andere soll entlassen worden sein, weil sie zugenommen und
eine Essstörung eingestanden hatte. Nicht alle Vorwürfe richten sich direkt
gegen Lizzo, andere an ihre Produktionsfirma „Big Grrrl Big Touring“ und
die Chefin ihres Tanzteams.
Obwohl ich mich seit dem Aufkommen der #MeToo-Bewegung mit ihr beschäftige
und weiß, dass, wo Macht ist, auch Machtmissbrauch stattfindet, haben mich
die Vorwürfe vollkommen überrascht. „Nicht Lizzo!“, schrieb ich einer
Freundin, „Ich bin schockiert“, einer anderen. Eine Erinnerung daran, dass
es immer nach hinten losgeht, wenn man Menschen auf ein zu hohes Podest
stellt.
Denn natürlich können auch dicke Menschen andere aufgrund ihres
Körpergewichts diskriminieren. Natürlich können auch Schwarze Frauen
rassistisch sein. Natürlich können Menschen, die Selbstliebe predigen,
wenig liebevoll mit anderen umgehen. Momentan sind es nur Vorwürfe, es gilt
die Unschuldsvermutung. Doch wenn mehrere Frauen einer mächtigen Person
Machtmissbrauch vorwerfen, dann glaube ich den Frauen.
## Hoffnung enttäuscht
Meine Hoffnung war, dass Lizzo mit den Vorwürfen gut umgehen würde. Dass
sie aufklären und Fehler eingestehen würde, statt abzubügeln und
weiterzumachen, als wäre nichts gewesen. Lizzo hat schon einmal gezeigt,
dass sie souverän mit Vorwürfen umgehen kann – zugegeben mit deutlich
weniger schwerwiegenderen. Nachdem sie ihr Album „Special“ veröffentlicht
hatte, wurde sie von Behindertenaktivist_innen kritisiert, weil sie in
ihrem Song „Grrrls“ den ableistischen Begriff „spaz“ verwendete. Darauf…
änderte Lizzo ihre Lyrics und nahm den Song noch einmal neu auf.
Doch dieses Mal wurde meine Hoffnung enttäuscht. Am Donnerstag äußerte sich
Lizzo in sozialen Medien zu den Vorwürfen. Sie schrieb: „Eigentlich
reagiere ich nicht auf falsche Beschuldigungen, aber diese sind genauso
unglaublich, wie sie klingen, und zu abscheulich, um sie nicht
anzusprechen.“ Weiter streitet sie die Vorwürfe ab, sie würde niemals
jemand wegen seines Gewichts kritisieren oder entlassen. Sie müsse als
Musikerin aber manchmal harte Entscheidungen treffen. Statt Einsicht oder
Verständnis folgt knallharter Management-Sprech: „Mit Leidenschaft gehen
harte Arbeit und hohe Standards einher.“
Juristisch hat Lizzo nicht viel zu befürchten. Die Rechtswissenschaftlerin
[4][Diana Reddy sagte der New York Times,] dass sie eine außergerichtliche
Einigung erwarte, da Verfahren über Diskriminierung am Arbeitsplatz vor
Gericht nur selten Erfolg hätten. Doch Lizzo erwartet ein zweites Gericht:
ihre Fans. Denn die werden die Vorwürfe nicht einfach wegwischen. Schon
jetzt sind die Kommentarspalten voller Enttäuschung und Anklagen.
Nun könnte man meinen, es ist nicht fair, dass an Lizzo höhere Maßstäbe als
an andere Promis angelegt werden. Anderen Promis hat man schon viel härtere
Vorwürfe durchgehen lassen. Doch Lizzo hat Feminismus, Gemeinschaft und
Solidarität zu ihrem Markenzeichen gemacht. Wenn sie ihre Karriere nicht
komplett an den Nagel hängen will, sollte sie diese Werte jetzt auch im
Umgang mit den Vorwürfen beweisen.
4 Aug 2023
## LINKS
[1] /In-die-Liga-der-ganz-Grossen/!5606002/
[2] /Neues-Album-von-Beyonce/!5609054
[3] https://www.buzzfeed.com/kaylayandoli/female-celebrities-everyone-loves
[4] https://www.nytimes.com/2023/08/02/us/lizzo-dancers-lawsuit-harassment.html
## AUTOREN
Carolina Schwarz
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