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# taz.de -- Naydar vs. Gaydar: Now they call me mother
> Der Naydar ist der böse Zwilling des Gaydar und funktioniert wie eine
> Signalstörung des hetero-getunten Unterbewusstseins.
Bild: Beim Teddy Award in der Volksbühne
Jetzt gehört uns nicht mal mehr der Gaydar. Sein Evil Twin, der Naydar, ist
mit dem [1][Gaydar] nämlich so eng verwandt, dass er erst anspringt, wenn
ein Hauch [2][gleichgeschlechtlicher Intimität] die Nüstern des Gegenübers
umschmeichelt und es langsam die Fühler ausstreckt.
Einmal aktiviert kehrt der Naydar sich in eine Signalstörung um, die die
wahrgenommene Realität um jeden Preis blockiert und im [3][hetero-getunten
Unterbewusstsein] fieberhaft alternative Erklärungen am laufenden Band
generiert. Einfach irgendwas ausspucken, Hauptsache nicht klar genug
hinschauen, um zu merken, was ist.
Sehr beliebt unter den Naydar-Kreationen: aus einem schwulen Paar, das sich
nicht die Bohne ähnlich sieht, Geschwister machen oder gleichaltrige
Frauen* zu fragen, ob sie Mutter und Tochter sind.
Meine Freundin und ich haben diese erzählerische Großleistung in den
letzten zwei Jahren mindestens drei mal erlebt. Auf Englisch, auf
Italienisch, auf Deutsch. Am Flughafen, an der Salattheke, im Taxi. So wie
ganz frisch letztes Wochenende auf Fahrt nach Hause von der Teddy Party,
also der Afterparty zum queeren Filmpreis der Berlinale.
Um vier Uhr morgens und leicht beschwipst sagte ich nur mit einer Mischung
aus Amüsiertsein und Genervtheit: „So alt bin ich nicht.“ Wo ich doch so
auf den Swagger von älteren Lesben stehe. Meine [4][hochverehrten OWLs],
bitte verzeiht mir diese pragmatische Entgleisung!
Zu allem Überfluss musste meine Freundin sich auch noch den Spruch anhören,
sie sähe aus wie 19. Zum Glück war da noch der Group Chat mit unserer
Wahlfamilie, um uns live im Auto der Ausblendung bei Laune zu halten. Die
Konklusion des Abends: „Straight Consciousness LIVES!“.
Zur Schau gestellte Homophobie
Und seien wir mal ehrlich. Wenn ich davon abhängig bin, wieder aus einem
Land nach Hause zu fliegen, das gerade das Sprechen über Homosexualität
gegenüber Menschen unter 18 kriminalisiert hat, wenn ich im einzigen
Lädchen weit und breit fürs Abendessen einkaufen will, oder wenn jemand,
den ich nicht kenne, ein Auto steuert, in dem ich sitze, fühlt es sich
nicht unbedingt sicher an, den Naydar mit einem Realitätscheck daran zu
erinnern, dass er nur existiert, weil er die gleichen
Wahrnehmungsfähigkeiten wie seine Zwillingsschwester hat.
Je nach Situation wird auch sehr schnell klar, ob die fragende Person sich
wirklich nur in den komplizierten Windungen des Labyrinths verirrt hat, das
das Wissen um queeres Leben tief im Innern unter tausende von Jahre alten
Efeuranken begraben hat, oder ob die „dumme Frage“ ganz bewusst gestellt
wird, um die eigene Homophobie zur Schau zu stellen.
Ohne Machtgefälle könnt ihr euch aber darauf verlassen, nächstes Mal lass
ich die schwule Diva raus: „Now They Call … Me … Mother!“ Wie könnt ih…
eigentlich wagen, unsere größte Auszeichnung in den Mund zu nehmen?
3 Mar 2023
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## AUTOREN
Noemi Molitor
## TAGS
Kolumne Subtext
Party
Queer
Homophobie
Kolumne Subtext
Schwerpunkt Rassismus
Kolumne Subtext
USA
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