# taz.de -- Geflügelschlachthof in Niedersachsen: Tierquäler müssen Peanuts … | |
> Nach Tierquälerei auf einem Schlachthof wurden Strafbefehle gegen | |
> Mitarbeiter verhängt. „Vier Pfoten“ hätte eine Gerichtsverhandlung | |
> bevorzugt. | |
Bild: Für Hühner fängt die Qual schon im Stall an. Misshandlungen auf dem Sc… | |
OSNABRÜCK taz | Tier zu sein, ist in der deutschen Landwirtschaft oft ein | |
hartes Los. Das war auch bei den Legehennen so, deren rohe Behandlung | |
Mitarbeitern eines Geflügelschlachthofs im niedersächsischen Barnstorf | |
jüngst Strafbefehle über insgesamt 3.000 Euro eingebracht hat. | |
Eine Strafanzeige der Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ hatte den Fall | |
aufgedeckt. Die Anzeige ist schon alt: Im Oktober 2021 ist sie bei der | |
[1][Staatsanwaltschaft Oldenburg] eingegangen, Niedersachsens | |
Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Straftaten in der Landwirtschaft. Jetzt | |
hat sie Auswirkungen. | |
Der Organisation war Videomaterial zugegangen, das auf dem Schlachthof im | |
Landkreis Diepholz Tierqual dokumentiert. „Teilweise haben da LKW bis zu | |
elf Stunden auf dem Hof gestanden, ohne entladen zu werden“, schildert | |
Diplom-Argaringenieurin Ina Müller-Arnke, Expertin für Tiere in der | |
Landwirtschaft bei „Vier Pfoten“, der taz die Zustände im Betrieb. Gefilmt | |
wurden sie im März, Juni und August 2021. | |
Die Aufnahmen zeigen, offenbar aus einem Gebüsch heraus, einen Hund, der | |
minutenlang auf dem Außengelände des Schlachthofs Hennen jagt, beißt, sie | |
apportiert. Mitarbeiter des Schlachthofs sehen bei der Jagd zu, unterbinden | |
sie nicht. Außerdem sind Schlachthof-Mitarbeiter zu sehen, die aus dem LKW | |
entkommene Hennen verfolgen, Metallstangen in der Hand. Die Hennen werden | |
mit den Stangen geschlagen. | |
## Geldauflage nicht angemessen | |
Ina Müller-Arnke wertet die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Oldenburg, | |
Strafbefehle zu erlassen, „mit gemischten Gefühlen“, sagt sie der taz. „… | |
wäre besser gewesen, wenn der Fall vor Gericht gegangen wäre.“ | |
Müller-Arnkes Auffassung nach ist eine Geldauflage „nicht annähernd | |
angemessen“. Aber zumindest lasse die Staatsanwaltschaft „erkennen, dass | |
sie von einem Tierschutzvergehen ausgeht und die Verantwortlichen nicht für | |
unschuldig hält“. [2][Tierquälerei sei Alltag.] | |
„Die Tatvorwürfe ließen sich nur zum Teil konkretisieren und nachweisen“, | |
sagt Matthias Rennecke, Staatsanwalt und Sprecher der Staatsanwaltschaft | |
Oldenburg, der taz. „Alle Beschuldigten sind strafrechtlich noch nicht in | |
Erscheinung getreten und waren überwiegend geständig und einsichtig.“ | |
Gegen zwei Beschuldigte wurde das Verfahren vorläufig eingestellt. Einer | |
der Beschuldigten muss 2.500 Euro zahlen, ein zweiter 500 Euro. „Die | |
Zahlungsauflagen sind geeignet, das öffentliche Interesse an der | |
Strafverfolgung zu beseitigen“, sagt Rennecke der taz. Einer der | |
Beschuldigten hat die Auflage bereits erfüllt, so dass das Verfahren | |
inzwischen endgültig eingestellt worden ist. Ein weiterer Beschuldigter | |
wurde zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben; über einen festen Wohnsitz | |
im Bundesgebiet verfügt er nicht. | |
Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft steht derzeit selbst stark unter Druck, | |
zumal Oberstaatsanwalt Bernhard Lucks. Friedrich Mülln, Leiter der Münchner | |
Tierrechtsorganisation Soko Tierschutz, fordert gar seine Entlassung, hat | |
eine Strafanzeige gegen ihn gestellt, wegen des Verdachts auf | |
Strafvereitelung im Amt und Rechtsbeugung. Hunderte Verfahren seien | |
eingestellt worden, andere über Jahre verschleppt. Dadurch seien Täter mit | |
milderen Strafen davongekommen. | |
„Das Verhalten der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Oldenburg passt zu den | |
Erfahrungen, die Vier Pfoten bei anderen Verfahren gemacht hat“, sagt | |
Müller-Arnke. „Meistens bewerten die Staatsanwaltschaften nicht im Sinne | |
des Tierschutzes. Viele Verfahren werden aus uns nicht nachvollziehbaren | |
Gründen eingestellt. Ob ausreichend ermittelt wurde, ist häufig fraglich.“ | |
Strafen seien „meist viel zu lasch und nicht geeignet, eine abschreckende | |
Wirkung zu erzielen.“ | |
## Staatsanwaltschaften werden geprüft | |
Dass die Oldenburger Schwerpunktstaatsanwaltschaft derzeit einer | |
Evaluierung durch das Niedersächsische Justizministerium unterliegt, sei | |
allerdings „nicht anlassbezogen“, sagt Carsten Wagner, Sprecher des | |
Justizministeriums, der taz. | |
In der Tat steht der Prüfungsauftrag im Koalitionsvertrag „Sicher in Zeiten | |
des Wandels“ von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Und er betrifft nicht nur | |
Oldenburg. Man wolle die Struktur von Fachkompetenz bündelnden | |
Schwerpunktstaatsanwaltschaften und Zentralstellen „weiterhin nutzen“ | |
erklärt der Vertrag. Sie müsse aber nicht in allen Bereichen der | |
Strafverfolgung sinnvoll sein. „Deshalb werden wir bestehende | |
Schwerpunktstaatsanwaltschaften und Zentralstellen evaluieren und | |
gegebenenfalls neu strukturieren.“ | |
Ziel sei es, sagt Wagner der taz, „die vorhandenen Ressourcen optimal | |
einzusetzen sowie mögliche Schwachstellen und bestehenden | |
Verbesserungsbedarf auszumachen“. Derzeit seien die Staatsanwaltschaften | |
aufgefordert, statistische Erhebungen zu Ermittlungsverfahren und deren | |
Erledigungsart für den Zeitraum 2020 bis 2022 vorzulegen, Angaben zur | |
Organisation und Zusammenarbeit mit anderen Behörden zu machen. „Das | |
Ergebnis der Evaluation bleibt zunächst abzuwarten.“ | |
Niedersachsens Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und | |
Verbraucherschutz begrüßt die Prüfung. „Das Agrarministerium hat sich in | |
der letzten Zeit stets für eine zügige Evaluierung ausgesprochen“, teilt | |
Natascha Manski der taz mit, eine Sprecherin des Ministeriums. | |
28 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Soko-Tierschutz-zeigt-Staatsanwalt-an/!5898923 | |
[2] /Freispruch-nach-Tierschutz-Skandal/!5908002 | |
## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
## TAGS | |
Geflügelwirtschaft | |
Schlachthof | |
Tierquälerei | |
Oldenburg | |
Niedersachsen | |
Geflügelwirtschaft | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Genuss | |
SOKO Tierschutz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Mutmaßlich illegales Firmennetzwerk: Razzia bei der Geflügelmafia | |
Staatsanwaltschaft und Hauptzollamt Osnabrück durchsuchten am Mittwoch ein | |
Dutzend Firmen. Sie sollen ausländische Arbeitskräfte ausgebeutet haben. | |
Fleischproduktion im Rückgang: Klasse statt Masse | |
Wenn die deutsche Fleischbranche nicht bald tier- und umweltfreundlicher | |
wird, wird sie zusammenbrechen. Das zeigen die jüngsten | |
Produktionsrückgänge. | |
Von Schweinen und Menschen: Du bist, was frisst, was du isst | |
Das Havelländer Apfelschwein lebt von Apfelresten. Längst ist der Name zur | |
Marke geworden. Doch die Zeiten sind nicht gut für edle Schweine. | |
Freispruch nach Tierschutz-Skandal: Abwesenheit schützt vor Strafe | |
In Niedersachsen wurden zwei Tierärzte freigesprochen. Sie waren zur | |
Anlieferung von Schlachthoftieren, die gequält wurden, nicht vor Ort. |