| # taz.de -- Berlinale-Film „Kokomo City“: Näher geht es kaum | |
| > Vier Schwarze trans Sexarbeiterinnen aus New York und Georgia sprechen | |
| > Klartext: D. Smiths Debütfilm „Kokomo City“. | |
| Bild: Bei Filmemacherin D. Smith, selbst Schwarze trans Frau, fühlen sich die … | |
| „Es schien alles ganz normal zu laufen. Doch als er sich aufs Bett setzte, | |
| bemerkte ich die Riesenknarre neben ihm. Ich drehte durch und schnappte mir | |
| die Pistole.“ Liyah erzählt ohne Hemmung, wie ein Kunde sie beinahe zur | |
| Mörderin gemacht hätte: Sie hatte in großer Panik die zum Glück ungeladene | |
| Waffe mehrmals abgedrückt. Danach gab es Zoff, der Kunde verschwand, | |
| schickte aber später noch eine Textnachricht. Am selben Tag hatten sie dann | |
| schließlich Sex. | |
| Regisseurin D. Smith zeigt mit ihrem starken Debütfilm, wie sie das | |
| Publikum unmittelbar zu fesseln vermag. An ihren rhythmisch geschnittenen | |
| Schwarzweiß-Bildern und an dem klugen Einsatz des Soundtracks erkennt man, | |
| dass D. Smith auch selbst Musikerin ist. Es ist ihr trotzdem gelungen, aus | |
| dem von ihr gedrehten und geschnittenen Dokumentarfilm kein glattes | |
| Musikvideo zu machen. | |
| Das liegt vor allem an den Inhalten der Interviews, die Smith mit vier | |
| Schwarzen trans Sexarbeiterinnen aus den US-Bundesstaaten New York und | |
| Georgia und mehreren Schwarzen Männern geführt hat. Die Nähe ist spürbar, | |
| bei Smith, selbst Schwarze trans Frau, fühlen sich die Interviewten wohl, | |
| bei ihr können sie offen reden, von humorvollen Momenten zu hautnahen | |
| Berichten aus dem Alltag der Sexarbeit bis hin zu grundsätzlichen | |
| Identitätsthemen und -fragen. | |
| Eine zentrale Frage, die der Film stellt, ist: Warum werden Schwarze trans | |
| Frauen in der Schwarzen Hetero-Community, sowohl von cis-Frauen als auch | |
| -Männern, besonders stigmatisiert und isoliert? Diese Mentalität vergleicht | |
| eine der Protagonistinnen sogar mit der archaischen Sklavenmentalität der | |
| Weißen, als seien trans Frauen minderwertige Menschen, und das innerhalb | |
| ihrer eigenen Gemeinschaft. | |
| Sie argumentiert weiter, dass viele alleinerziehende Mütter einer trans | |
| Frau sich gleich zweimal von einem Mann verlassen fühlen: erst von dem | |
| Vater ihres Kindes und dann nochmals vom eigenen Sohn. Deshalb würden sie | |
| oft ihre trans Töchter verstoßen. | |
| Auch Männer kommen zu Wort. Die Anziehung für trans Frauen sei ein sehr | |
| großes Tabu, „uns wurde Fortpflanzung beigebracht“, sagt einer der | |
| Interviewten. Der erfolgreiche Musikproduzent Michael Carlos Jones, alias | |
| „Lø“, der sich zu Beginn des Films als taffer Hetero-Ladies Man bezeichnet, | |
| wirkt in seiner Ehrlichkeit entwaffnend und wird seine zunächst ablehnenden | |
| Ansichten im Laufe des Films ändern. So etwas gelingt in einem | |
| Dokumentarfilm selten. | |
| 24 Feb 2023 | |
| ## AUTOREN | |
| Sara Piazza | |
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