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# taz.de -- Film „Das Lehrerzimmer“ über Schulalltag: Sie meint es alles g…
> İlker Çatak stellt in „Das Lehrerzimmer“ eine junge Lehrerin in den
> Mittelpunkt. Bei der Suche nach einem Dieb eskaliert die Situation.
Bild: Die Lehrerin Carla Nowak (Leonie Benesch) gerät von allen Seiten unter D…
Eng sind die Bilder von „Das Lehrerzimmer“. Sie sind im altmodischen
4:3-Format gefilmt, das in den letzten Jahren, gerade bei jüngeren
Filmemacher:innen, wieder verstärkt in Mode gekommen ist und auch in
den Filmen dieser Berlinale oft verwendet wird. Manchmal etwas willkürlich,
aber manchmal ganz bewusst, zur Unterstützung der künstlerischen Absicht.
So wie bei [1][İlker Çatak]s neuem Film, einer im Ansatz einfachen
Geschichte, deren moralische Komplexität sie jedoch zu einem dichten
Psychogramm macht. In jeder Szene ist die Hauptfigur Carla Nowak zu sehen,
nie weiß der Zuschauer mehr als sie, was dazu zwingt, sich mit dem Denken
dieser Person, dieser Lehrerin auseinanderzusetzen.
Diese Carla Nowak wird gespielt von Leonie Benesch, einer der Entdeckungen
der diesjährigen Berlinale, die auch bei einer der „Berlinale-Serien“, in
der Beststeller-Verfilmung „Der Schwarm“, mitspielt. Nowak ist 29 Jahre
jung, hat vermutlich gerade ihr Referendariat beendet und nun ihre erste
Stelle an einer Schule, wo sie Sport und Mathematik unterrichtet.
Als Neue im Kollegium kennt sie sich mit den Gepflogenheiten der Schule
noch nicht aus, schaut deswegen nur erstaunt zu, als ihr Kollege Thomas
Liebenwerda (Michael Klammer) auf, vorsichtig gesagt, ungewöhnliche Weise
versucht, einen Dieb ausfindig zu machen, der an der Schule sein Unwesen
treibt.
## Denunziation eines Schülers
Zwei Schüler werden mehr oder weniger dazu genötigt, einen Mitschüler, den
vermeintlichen Dieb, zu denunzieren. Als dieser türkische Schüler vor
versammelter Klasse dann auch noch gefilzt und aus der Klasse geführt wird,
hat Carla Nowak genug. Zumal sich herausstellt, dass der Junge unschuldig
ist, die Direktorin aber wenig Anstalten macht, die unberechtigte
Verdächtigung geradezurücken.
Aus gutem Grund mag Carla Nowak diese Ungerechtigkeit nicht einfach
hinnehmen, versucht mit einer Webcam und bewusst im Portemonnaie
zurückgelassenem Geld den Dieb oder die Diebin zu stellen und überschreitet
damit selbst (ethische) Grenzen. Ihr detektivisches Vorgehen bringt sie auf
die Spur der Sekretärin Frederike Kuhn (Eva Löbau), doch die streitet
überraschenderweise alles ab.
Und zu allem Überfluss ist auch noch ihr Sohn in der Klasse von Carla
Nowak. Einer Klasse, die angesichts der sich verschärfenden Situationen
zunehmend in rivalisierende Blöcke zerfällt.
Nach und nach lässt İlker Çatak die Situation nun eskalieren, zeigt eine
junge, engagierte, es ganz ohne Frage sehr gut meinende Lehrerin, die sich
dennoch zunehmend verrennt. Von allen Seiten scheint Carla Nowak unter
Druck gesetzt zu werden, von alteingesessenen Kollegen, die gerade manche
Schüler mit Migrationshintergrund eher als störend empfinden, und von der
Direktorin, die möglichst unter dem Radar der Schulbehörde fliegen will.
Druck machen auch die sogenannten Helikoptereltern, die nicht zu erfüllende
Ansprüche an die Schule haben, aber auch die Schüler selbst, die sich nicht
nur in der Schülerzeitung sehr pointiert äußern und gegen tatsächliche
oder eingebildete Ungerechtigkeiten zur Wehr setzen.
Ein moralisch integres Leben führen, ethisch handeln, diese Werte an Kinder
weitergeben: Leichter gesagt als getan, wie nicht nur Carla Nowak erfahren
muss, sondern auch İlker Çatak. Denn seine Studie einer mit sich und ihren
Werten hadernden Frau endet im Unbestimmten, endet mit einer Szene, die
sich einer klaren Antwort entzieht. Wie eine Ausflucht wirkt dieses Ende,
mag andererseits aber gerade wegen seiner Unbestimmtheit, seines bewussten
Ablehnens einer klaren Haltung, so gut passen. Denn wie so viele moralische
Fragen lässt sich auch die in „Das Lehrerzimmer“ thematisierte nicht auf
eine einfache Ja/Nein-Formel reduzieren.
21 Feb 2023
## LINKS
[1] /Raeuberhaende-von-lker-Catak/!5792978
## AUTOREN
Michael Meyns
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