# taz.de -- Hessen-Kandidatur der Innenministerin: Faeser will an die Spitze | |
> Die SPD-Politikerin will Ministerpräsidentin werden und weiterhin in | |
> Berlin bleiben. Die Konstellation gab es schon – mit unterschiedlichem | |
> Ausgang. | |
Bild: Nancy Fasers Entscheidung zur Kandidatur kam für niemanden überraschend | |
Frankfurt/Main taz | Für diesen Freitag hat [1][die hessische | |
SPD-Landesvorsitzende, Bundesinnenministerin Nancy Faeser], zum | |
„Hessengipfel“ nach Friedewald geladen. Im noblen Schlosshotel „Prinz von | |
Hessen“ soll die formelle Entscheidung über die Spitzenkandidatur für die | |
Landtagswahl im Oktober fallen. Für 17.30 Uhr ist die Pressekonferenz | |
angesetzt, rechtzeitig für die Abendnachrichten. | |
Doch die angereisten Medienleute werden aus der hessischen Provinz nichts | |
Neues berichten können. Schon 24 Stunden vor den Gremiensitzungen hat | |
Faeser Klarheit geschaffen: „Ich bin die erste Frau an der Spitze des | |
Bundesinnenministeriums und ich möchte die erste Ministerpräsidentin in | |
Hessen sein“, schrieb sie in einem Brief an die MitarbeiterInnen ihres | |
Berliner Ministeriums. | |
Im Spiegel klärte sie auch die Gretchenfrage: „Ich möchte gestalten, ich | |
möchte Verantwortung tragen. Oppositionsführerin war ich schon.“ Sollten | |
die WählerInnen in Hessen anders entscheiden, „werde ich weiterhin als | |
Bundesinnenministerin meiner Verantwortung gerecht werden“, so Faeser. | |
Ihr Genosse Olaf Scholz gab bei einem Besuch im hessischen Marburg | |
Geleitschutz. Dieser Fahrplan sei mit ihm abgestimmt, sagte der | |
Bundeskanzler, und nannte Faeser eine „tolle Innenministerin“. Sie trage | |
„wirklich dazu bei, dass in Deutschland die Sicherheit vorankommt“. Dabei | |
arbeite sie „viele Defizite der Vergangenheit mit großer Klarheit ab“. | |
## Landespartei geschlossen hinter Faeser | |
Die Entscheidung zur Kandidatur kam für niemanden überraschend. Schon vor | |
Monaten [2][hatten die taz und andere Medien berichtet], dass Faeser keine | |
personelle Alternative zu ihrer eigenen Kandidatur aufgebaut hatte. | |
Erstaunlich war eher, dass ihre vielen MitreiterInnen in Hessen wie sie | |
selbst konsequent so lange zur heiklen Personalie schwiegen. | |
Faeser konnte Zeitpunkt und Modus ihrer Kandidatur selbst bestimmen, ohne | |
Murren an der Basis. Ihre Landespartei weiß sie geschlossen hinter sich. | |
Nichts erinnert mehr an alte Zeiten, in denen sich die hessische SPD in | |
Flügelkämpfen zwischen der linken „Vorwärts-“ und der rechten | |
„Aufwärts“-Fraktion zerlegte. Durchstechereien gehörten damals zum | |
Alltagsgeschäft. JournalistInnen konnten über interne Sitzungen der Partei | |
berichten, als wären sie selbst dabei gewesen. | |
Vor dem beginnenden Landtagswahlkampf hat allerdings auch die politische | |
Konkurrenz längst Aufstellung genommen: Für die CDU kämpft | |
[3][Ministerpräsident Boris Rhein, der im Sommer das Erbe von Volker | |
Bouffier übernahm], um den ersten eigenen Wahlsieg. Sein | |
Vizeministerpräsident von den Grünen, Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir, | |
will ihm die Staatskanzlei streitig machen. | |
Faesers Konkurrenz hat schon seit Wochen vorgesorgt: Die SPD-Kandidatin | |
werde eine „Ministerin auf Abruf“, eine „Teilzeitministerin“ sein. Ihre | |
KritikerInnen sprechen von einer „halbherzigen Bewerbung mit | |
Rückfahrkarte“. Die oppositionelle CDU im Bund forderte Faeser am Montag | |
vorsorglich zum Rücktritt auf, sollte sie in Hessen kandidieren. | |
Die Union erinnert gerne an den gescheiterten früheren Bundesumweltminister | |
Norbert Röttgen, der in NRW als CDU-Spitzenkandidat angetreten war und nach | |
seiner Wahlniederlage nicht als Oppositionsführer nach Düsseldorf gehen | |
wollte. Seine Parteivorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel, entließ ihn | |
verärgert als Bundesminister. | |
Doch wie die meisten Vergleiche hinkt auch dieser. Röttgen war nie in der | |
Landespolitik aktiv gewesen. Seine Kandidatur zum NRW-Ministerpräsidenten | |
war erkennbar darauf angelegt, sich für die Nachtfolge der Bundeskanzlerin | |
zu profilieren. Seine Weigerung, als Oppositionsführer nach Düsseldorf zu | |
gehen, konnte auch als Geringschätzung der Landespolitik gelesen werden. | |
Außerdem stieß er seine zerstrittene Landespartei in ein tiefe Krise. Nancy | |
Faeser gehörte dagegen fast zwei Jahrzehnte lang dem hessischen Landtag an, | |
zuletzt vor ihrem Wechsel nach Berlin als Oppositionsführerin. | |
## Keine Premiere | |
Schon zweimal sind in Hessen amtierende Bundesminister als | |
Spitzenkandidaten für die CDU angetreten: 1987 kandidierte der erste | |
Bundesumweltminister Walter Wallmann. Nach dem Tschernobyl-GAU hatte ihn | |
der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl mit dem Aufbau eines neuen | |
Ministeriums beauftragt. Schon kurz nach seinem Amtsantritt übernahm der | |
amtierende Bundesminister die Spitzenkandidatur seiner Partei in Hessen, | |
gewann und zog als erster CDU-Ministerpräsident in die hessische | |
Staatskanzlei ein. | |
1995 bewarb sich dann der damalige Bundesinnenminister, der „schwarze | |
Sheriff“ Manfred Kanther, um das Amt des hessischen Ministerpräsidenten. Er | |
holte ein respektables Ergebnis, aber mangels Koalitionspartner reichte es | |
nicht für die Staatskanzlei. Kanther blieb als Minister in Bonn. | |
Nun wandelt also Faeser auf seinen Spuren, hofft aber auf einen besseren | |
Ausgang. Die Gemeinde Friedewald nahe der Grenze zu Thüringen, wo sie am | |
Freitag ihren „Hessengipfel“ inszeniert, ist für seine prächtige Burgruine | |
berühmt. Die Gemäuer dienten einst den hessischen Landgrafen als | |
Jagdschloss. Einen Bahnanschluss gibt es zwar nicht, doch Faeser wählte den | |
Ort ihrer Krönungsmesse mit Bedacht. | |
Schließlich regiert in der Gemeinde unangefochten ein anderer | |
Hoffnungsträger der Partei. Der Juso Julian Kempka, 27, wurde im vergangen | |
Jahr mit 84,3 % der Stimmen zum Bürgermeister gewählt. Er ist der jüngste | |
in ganz Hessen. | |
3 Feb 2023 | |
## LINKS | |
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[3] /Hessens-neuer-Regierungschef/!5859923 | |
## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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