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# taz.de -- Sparen wegen Umstellung auf E-Mobilität: Gebremster Kahlschlag bei…
> Ford streicht europaweit 3.800 Arbeitsplätze, davon 2.300 in Deutschland.
> Die Belegschaft reagiert erleichtert – sie hatte noch Schlimmeres
> erwartet.
Bild: Der Lack ist zerkratzt, der Ruhm verblasst: Logo an einem Eingang zu den …
Bochum taz | Ford will in den kommenden drei Jahren europaweit 3.800 Jobs
streichen. Das erklärte der Europa-Chef des Autobauers, Martin Sander, am
Dienstagmorgen. Einmal mehr besonders hart treffen wird es die deutschen
Standorte. In den Entwicklungsabteilungen in Köln und Aachen sollen
insgesamt 1.700 Arbeitsplätze wegfallen, hinzu kommen 600 Stellen in der
Verwaltung.
Grund dafür seien Kostenkürzungen wegen der Umstellung auf
Elektromobilität, sagte Sander. Ford wolle sich in Europa „auf ein
kleineres, fokussierteres und zunehmend elektrisches Produktportfolio“
ausrichten. „Ein Elektrofahrzeug ist viel weniger komplex als ein
Verbrenner. Dem müssen wir uns stellen – sonst sind wir langfristig nicht
wettbewerbsfähig.“
Die angekündigten Jobstreichungen sind daher bereits ein Kompromiss mit der
Arbeitnehmerseite. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Ford, Benjamin
Gruschka, hatte im Januar gewarnt, allein am Rhein drohe die Streichung von
rund 3.200 Stellen. Gerettet werden konnten damit nur 900 Arbeitsplätze. In
einem „harten Verhandlungsmarathon“ habe der Betriebsrat zudem erreicht,
dass der „erhebliche Personalabbau auf freiwilliger Basis mit vernünftigen
Abfindungsprogrammen“ stattfinde, so die Industriegewerkschaft Metall.
Außerdem sei ein Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis Ende 2032
vereinbart worden. „Die Belegschaft ist erleichtert“, bilanzierte Gruschka
nach einer ersten Betriebsversammlung, bei der die Mitarbeitenden über die
„Ford Future“ genannte Vereinbarung informiert wurden. „Wir haben Standing
Ovations bekommen.“ Aktuell beschäftigt der Autohersteller deutschlandweit
rund 19.000 Menschen, davon 14.000 allein in den Kölner Ford-Werken. Der
Autobauer ist damit der größte private Arbeitgeber in Nordrhein-Westfalens
einziger Millionenstadt.
## Blackbox Saarlouis-Pläne
Völlig unklar bleibt dagegen die Zukunft der Beschäftigten der
[1][Ford-Fabrik im saarländischen Saarlouis], wo die Fertigung des
Verbrenner-Modells Focus 2025 ausläuft. Laut Schätzungen des dortigen
Betriebsrats sollen dort danach nur 500 bis 700 von derzeit 4.500 Jobs
erhalten bleiben.
Zwar wird mit dem [2][chinesischen Elektroautobauer BYD] über eine
Übernahme des Standorts verhandelt und auch Auftragsfertiger wie die
österreichische Magna-Gruppe oder das niederländische Unternehmen VDL
Nedcar sollen grundsätzliches Interesse signalisiert haben. Beschlossen ist
aber nichts: „Wir sind in vielen Gesprächen mit möglichen Investoren“,
sagte Ford-Chef Sander dazu nur – detaillierter äußern könne er sich nicht.
Ein weitere Autofabrik im belgischen Genk hatte Ford bereits 2014
dichtgemacht. Hintergrund der Jobverluste und Werkschließungen dürften
deshalb nicht nur die Umstellung auf Elektromobilität, sondern die bereits
seit Jahren sinkenden Absatzzahlen sein. „Ford hatte im Januar einen
Marktanteil von 4,6 Prozent. Vor zehn Jahren war der noch doppelt so hoch“,
analysiert der Hochschullehrer Stefan Bratzel, Direktor des Centers of
Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach bei Köln. „Da hat man ein
Problem.“
## Dickes Minus in Europa
Denn in Europa hat Ford allein im vierten Quartal 2022 einen
Vorsteuerverlust von von 400 Millionen Dollar eingefahren. Das will
Gesamtkonzernchef Jim Farley in der Unternehmenszentrale in Dearborn im
US-Bundesstaat Michigan nicht hinnehmen. Zwar konnte Ford 2022 insgesamt
einen Vorsteuergewinn von 10,4 Milliarden Dollar verzeichnen – doch Farley
reicht das nicht: Insgesamt habe das Unternehmen „etwa zwei Milliarden
Dollar an Profit auf dem Tisch liegen lassen“, klagte er Anfang Februar.
Für ihn und sein Team sei das „demütigend“.
Auf der anderen Seite des Atlantiks steuert Fords Europa-Chef Sander
deshalb hektisch um. [3][Ab 2030 werde das Unternehmen hier nur noch „rein
elektrische“ Fahrzeuge anbieten]. Allein in Köln investiere Ford dazu 2
Milliarden Dollar, also etwa 1,86 Milliarden Euro. Zusammen mit den fast
zehn Jahre ausgeschlossenen betriebsbedingten Kündigungen am Hauptstandort
sei das ein „absolutes Commitment zu Deutschland, zu Europa“, beteuerte
Sander.
Allerdings: Das bisher in Köln produzierte Modell Fiesta kauft schon heute
kaum noch jemand. Im Januar rangierte der seit 1976 angebotene Kleinwagen
mit 1.259 Einheiten auf Platz 48 der deutschen Zulassungsstatistik.
## Keine eigene E-Basis
Autoexperte Bratzel hat deshalb Zweifel, ob der Kurswechsel noch
rechtzeitig kommt. „Ford hat die reine Elektromobilität völlig
unterschätzt“, sagt der CAM-Direktor. Tatsächlich kann Sander europäischen
Kunden nur einen in Mexiko produzierten SUV als vollelektrisches Fahrzeug
anbieten. Zwar soll der ebenfalls vollelektrische Kölner Fiesta-Nachfolger
mit dem internen Kürzel CX43 ab Ende des Jahres ausgeliefert werden – doch
der steht nicht auf einer eigenen Ford-Elektroplattform, sondern basiert
auf dem Modularen Elektrobaukasten von Volkswagen.
Sorgen macht Bratzel deshalb besonders, dass die Entwicklungsabteilung so
massiv geschrumpft wird. Denn damit bestehe die Gefahr, dass die
Elektrobasis für zukünftige Ford-Stromer wie bisher in den USA entwickelt
werde. „In Köln müssten dann Fahrzeuge gebaut werden, die dem
amerikanischen, aber nicht dem europäischen Geschmack entsprechen und sich
entsprechend schlecht verkaufen“, warnt der Experte.
Ford Chef Sander dagegen will davon nichts wissen: „Ich bin persönlich
verantwortlich für das Elektro-Geschäft in Europa“, sagte er am Dienstag –
„und ich habe größtes Interesse daran, dass unsere Fahrzeuge den Nerv
unserer Kundschaft treffen“.
14 Feb 2023
## LINKS
[1] /Ford-Produktion-in-Saarlouis/!5865670
[2] /Peking-treibt-E-Mobilitaet-voran/!5712899
[3] /Abschied-vom-Verbrenner/!5853461
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Mobilität
Autoindustrie
Arbeitskampf
Ford
Lesestück Recherche und Reportage
Bosch
Schwerpunkt Klimawandel
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