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# taz.de -- Ford-Produktion in Saarlouis: „Belogen, betrogen und verarscht“
> Der Autohersteller Ford will seine E-Fahrzeuge in Spanien bauen. Für die
> Beschäftigen und das Saarland wäre das ein Desaster.
Bild: Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (4. v.l.) im Schulterschluss mit Ford…
Saarlouis/Saarbrücken taz | Für viele im Saarland war der 22. Juni ein
schwarzer Tag. An diesem Mittwoch wurde Gewissheit aus dem Gerücht, dass
der US-amerikanische Autohersteller Ford die Produktion von Kraftfahrzeugen
am traditionsreichen Standort Saarlouis spätestens 2025 einstellen wird.
Mit dem Ende der Fertigung des „Ford Focus“ werden die Bänder stillgelegt,
so die bittere Nachricht für 4.600 Beschäftigte im Werk und schätzungsweise
2.000 weitere bei den Zulieferfirmen. Die [1][elektrischen
Nachfolgemodelle] will Ford künftig im spanischen Valencia montieren.
Damit ist die Zukunft des größten Arbeitgebers in einer
[2][strukturschwachen, vom industriellen Wandel gebeutelten Region]
ungewiss. Das Unternehmen hat zwar Konzepte für den Erhalt von
Arbeitsplätzen und für die künftige Nutzung des Werksgeländes angekündigt,
bisher aber weder Ideen oder konkrete Vorschläge vorgestellt.
Der Weg zum Büro des Ford-Betriebsrats in der Henry-Ford-Straße auf dem
Werksgelände in Saarlouis führt vorbei an einem Werbebanner. Auf
pflaumenblauem Hintergrund prangt der Slogan: „Ford, eine Idee weiter!“
Dieser Werbespruch aus besseren Zeiten klingt inzwischen für die
Betriebsratsmitglieder wie Hohn. Seit Jahren ist klar, dass die in
Saarlouis produzierten Verbrenner keine Zukunft haben. Seit Jahren fordern
die Belegschaft und ihre Vertretung vom Management Konzepte für das
„Danach“.
Doch auch vier Wochen nach der Entscheidung für den konkurrierenden
Standort Valencia gebe es aus dem Management nur „vage Überschriften“, sagt
der Betriebsratsvorsitzende Markus Thal der taz. Er fühle sich in dem
Auswahlprozess zwischen den europäischen Ford-Standorten „belogen, betrogen
und verarscht“. Zumal er fest davon überzeugt ist, dass das Paket, das die
Belegschaft und die saarländische Landesregierung in den internen
Bieterwettbewerb der Standorte einbrachte, das wirtschaftlich attraktivere
gewesen sei. Es ist für die enttäuschten SaarländerInnen sicher nur ein
schwacher Trost, dass die Vorentscheidung für den Standort Valencia auch
dort keine Sicherheit schafft. Noch ist das Investitionsprogramm zur
Produktion von E-Fahrzeugen in Spanien nicht beschlossen, sondern lediglich
angekündigt.
## Landtag schaltet sich ein
Für diesen Mittwoch hat der Wirtschaftsausschuss des saarländischen
Landtags den stellvertretenden Ford-Produktionschef für Europa, Kieran
Cahill, zu einer dringlichen Sitzung eingeladen. „Wir wollen vor allem
wissen, warum die Entscheidung zugunsten von Valencia fiel, obwohl
Saarlouis das deutlich bessere Angebot gemacht hat“, begründet der
Ausschussvorsitzende Damhat Sisamci (SPD). Er und seine KollegInnen wollen
vom Spitzenmanager Cahill „energisch“ Antworten einfordern. Das Management
müsse endlich Vorschläge dafür vorlegen, wie es in Saarlouis weitergehen
kann, fordern übereinstimmend die Abgeordneten von SPD und CDU.
Am Montag, zwei Tage vor dem Treffen mit Cahill, konnten Betriebsratschef
Thal und die von ihm beauftragten Unternehmensberater vom Saarbrücker
„Info-Institut“ den Abgeordneten ihre Sicht der Dinge vorgetragen. „Noch
erschreckender als gedacht“ sei die Lage, sagte nach dem Treffen der
wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Timo Ahr. Das
Institut habe in einem Gutachten „professionell und qualifiziert“
dargelegt, dass die Entscheidung des Ford-Managements wirtschaftlich nicht
nachvollziehbar sei, so der SPD-Abgeordnete, der seit dem 8. Juli auch
Vizevorsitzender des DGB-Bezirks Rheinland-Pfalz-Saar ist. Nach den
Erfahrungen mit dem von Ford initiierten Bieterwettbewerb zwischen den
beiden europäischen Standorten fordert er politische Konsequenzen im
europäischen Recht. „Wir müssen verhindern, dass ein Konzern innerhalb von
Europa zwei Belegschaften gegeneinander ausspielen kann“, so Ahr.
## Transparenz ist gefragt
Auch die Landesregierung fordert vom Ford-Management klare Ansagen ein.
„Tausende Menschen warten nach dem anstrengenden Prozess auf Perspektiven“,
betont der saarländische Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD) im Gespräch
mit der taz. „Die Landesregierung ist bereit, Verantwortung für die
Standortentwicklung zu übernehmen“, so Barke. Dazu müsse Ford allerdings
zeitnah offenlegen, für welche MitarbeiterInnen das Unternehmen eine
Perspektive sieht. Das Land könne etwa das gesamte Werksgelände oder Teile
davon kaufen und in eigener Regie entwickeln. Er sei im Gespräch mit
möglichen Investoren, versichert der Minister, aber bevor er Steuergelder
einsetzen könne, müssten saubere vertragliche Grundlagen geschaffen werden.
„Ende 2025 ist übermorgen“, sagt Barke, er erwarte Klarheit spätestens na…
der Sommerpause.
Einstweilen geht in Saarlouis zwischen Management und Betriebsrat nichts
mehr. Der Betriebsrat lehnt Anträge auf Kurzarbeit ab. 200 MitarbeiterInnen
möchten ein freiwilliges Abfindungsprogramm in Anspruch nehmen, mit dem sie
gehen könnten. „Der Betriebsart kann jetzt nicht einfach
Abfindungsprogramme mitmachen und Ford aus der Verantwortung rauslassen“,
sagt Markus Thal. Die Blockade von kostensenkenden Maßnahmen ist das
wichtigste Druckmittel der Arbeitnehmervertretung. Bis Ende 2025 gibt es
eine Beschäftigungsgarantie für alle. Die Lohnsumme, die dadurch gebunden
ist, schätzen Experten auf 1,5 Milliarden Euro. Nur wenn Ford mit
Beschäftigten und Landesregierung konkrete Vereinbarungen für die Zukunft
aushandelt, wird es an dieser Stelle für das Unternehmen Entlastungen geben
können.
Inzwischen läuft die Zeit davon. Das Ford-Management ist gefordert. Dass
Spitzenmann Kieran Cahill bereits am Mittwoch im saarländischen Landtag
konkret wird, gilt indes als unwahrscheinlich. Auf eine taz-Anfrage wollte
das Unternehmen jedenfalls nicht wirklich antworten: Das Unternehmen sei
dabei, „Optionen für künftige Konzepte für den Standort Saarlouis zu
evaluieren“, bitte aber um Verständnis, dass man zu Details keine Stellung
nehme, hieß es am Montag aus der Kölner Konzernzentrale.
19 Jul 2022
## LINKS
[1] /Abschied-vom-Verbrenner/!5853461
[2] /Wahlkampf-im-Saarland/!5839850
## AUTOREN
Christoph Schmidt-Lunau
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