# taz.de -- Friedensgespräche mit ELN in Kolumbien: Auswegsuche beim Weg zum F… | |
> Zu Silvester waren in Kolumbien die Friedensgespräche durcheinander | |
> geraten. Jetzt versuchen beide Seiten, die Fäden wieder aufzunehmen. | |
Bild: Präsent an den Hauswänden, hier in Tumaco: Die linke ELN-Guerilla und d… | |
BOGOTÁ taz | Schweigen ist Gold: So könnte das neue Motto der | |
Friedensgespräche zwischen der kolumbianischen Regierung und der | |
ELN-Guerilla lauten. Nach dem [1][Kommunikationsdesaster von Präsident | |
Gustavo Petro an Silvester] laufen jetzt hinter verschlossenen Türen | |
Notfallgespräche. | |
Zum Jahreswechsel hatte Petro über Twitter einen multilateralen | |
sechsmonatigen Waffenstillstand mit fünf bewaffneten Gruppen verkündet – | |
darunter die ELN-Guerilla. Doch die ELN wusste nichts davon. Und die | |
anderen vier Gruppen haben sich bis heute nicht offiziell dazu geäußert. | |
[2][Analysten] werteten Petros Erklärung als Druckmittel. Der | |
Verhandlungsführer der ELN, [3][Antonio García], sprach hingegen von einer | |
„Krise“, denn es sei gegen Absprachen verstoßen worden. „Fehler und Kris… | |
sind nicht schlimm, sie zeigen, dass wir menschlich sind und uns irren“, | |
fügte er auf Twitter hinzu, forderte aber auch eine Richtigstellung. | |
Die Regierung und ihr Verhandlungsteam meiden bis heute das K-Wort. | |
Allenfalls ein „Missverständnis“ habe es gegeben. Das sei mittlerweile | |
ausgeräumt, meldete der Sender W Radio. Präsident Petro sagte hingegen noch | |
diesen Donnerstag beim Weltwirtschaftsforum in Davos: „Wir haben keine | |
einseitige Entscheidung getroffen.“ | |
## Reformen klappen nicht, wenn die Kämpfe weitergehen | |
Petros Vorpreschen hat den [4][Zeitplan der Friedensgespräche] umgeworfen: | |
außerplanmäßiges Vorgespräch, dazu in Venezuela statt in Mexiko, mehrfach | |
vorgezogen – und bis Ende dieser Woche statt nur einen Tag. Es ist offenbar | |
einiges zu kitten. | |
Es gehe um drei Ziele, verriet Senatorin María José Pizarro von der | |
Regierungs-Delegation der Zeitung [5][El Espectador]: „unseren | |
Friedenswillen bekräftigen, Arbeits- und Kommunikationsmechanismen schärfen | |
zwischen beiden Delegationen und vor allem für die Zeit zwischen den | |
Gesprächsrunden – und drittens, Fortschritte beim bilateralen | |
Waffenstillstand machen“. | |
Präsident Petro und seine Regierung haben den „totalen Frieden“ als ein | |
Hauptziel ihrer Amtszeit ausgerufen. Ihre sozialen Reformen lassen sich | |
kaum umsetzen, solange in weiten Teilen des Landes der bewaffnete Konflikt | |
weitergeht. Nachdem 2016 Regierung und Farc-Guerilla das historische | |
Friedensabkommen geschlossen haben, sollen jetzt alle übrigen bewaffneten | |
Gruppen befriedet werden. Das sind je nach Schätzung zwischen 50 und 60. | |
Die größte verbliebene Guerilla ist die Nationale Befreiungsarmee ELN. Dazu | |
kommen Farc-Dissidenzen, die sich nie dem Friedensabkommen angeschlossen | |
oder nachträglich gegründet haben, und kriminelle Gruppen und | |
Verbrecherkartelle, das größte davon ist der Golf-Clan. | |
## Nutzen für die Menschen in den Konfliktregionen ist unklar | |
Sie alle haben gemeinsam, dass sie mit illegalen Aktivitäten (wie | |
Drogenhandel, Abholzung, illegaler Bergbau, Erpressung, Menschenhandel, | |
Mord) ihr Geld verdienen. Während die ELN Reste linker Ideologie und | |
dementsprechend politische Forderungen in sich trägt, sind die meisten | |
anderen Gruppen völlig unpolitisch und rein aufs Kriminelle bedacht. Sie | |
dazu zu bringen, einem deutlich weniger lukrativen legalen Brotjob | |
nachzugehen, ist eine Herausforderung. | |
Auch sonst ist der „totale Frieden“ eine Mammutaufgabe voller | |
Schwierigkeiten. So hat sich der Generalstaatsanwalt Francisco Barbosa | |
[6][geweigert], auf Bitte der Regierung die Haftbefehle für 16 Mitglieder | |
des Golf-Clans und der „Pachecas“ aufzuheben. Das aber wäre die | |
Voraussetzung dafür, dass diese ohne Angst vor Festnahme zu Gesprächen | |
kommen können. Die bewaffneten Gruppen, die aus paramilitärischen | |
Strukturen hervorgingen, hätten keinen politischen Charakter – und für | |
Garantien an solche Gruppen fehle bisher das entsprechende Gesetz, | |
argumentiert Barbosa. | |
Das sei besonders heikel bei den Bossen der Verbrecherkartelle, für die | |
Auslieferungsbefehle der USA wegen Drogenverbrechen vorliegen. Im | |
schlimmsten Fall könnten die USA die Aufhebung der Haftbefehle als | |
Behinderung ihrer Justiz ansehen, warnt Barbosa. | |
Bisher ist es zu früh, um zu sagen, ob die Gespräche etwas für die Menschen | |
in den Konfliktregionen gebracht haben, sagt Alejandro Restrepo. Er | |
koordiniert den Bereich Frieden, Postkonflikt und Menschenrechte bei der | |
Stiftung Frieden und Versöhnung (Fundación Pares) und war zum Auftakt der | |
ersten Runde in Caracas. Auch seit dem Regierungswechsel seien Menschen in | |
den bekannten Konfliktregionen weiter in Lebensgefahr. | |
## Nächste offizielle Gesprächsrunde am 13. Februar in Mexiko | |
Lichtblicke gebe es nur vereinzelt: In der Region Norte de Santander haben | |
ELN-Guerilla und Farc-Dissidenz Entführte freigelassen – wohl als Zeichen | |
des guten Willens. In manchen Teilen der Pazifik-Region Chocó sei eine | |
leichte Verbesserung zu spüren seit humanitären Vereinbarungen in der | |
ersten Gesprächsrunde mit der ELN. | |
Und diese Woche brach eine „humanitäre Karawane“ aus Vertreter:innen | |
von ELN- und Regierungs-Delegation von Cali in die Pazifikregion auf, wo | |
vor allem Indigene und Afrokolumbianer:innen zwangsvertrieben oder | |
unter Ausgangssperren gestellt wurden. Die Karawane soll Wege finden, damit | |
die Menschen wieder in Frieden dort leben können. | |
„Das Problem ist, dass der Waffenstillstand, wenn überhaupt, bisher nur mit | |
dem Staat gilt – und nicht zwischen den bewaffneten Gruppen“, sagt | |
Restrepo. Das bedeutet: Wenn eine Gruppe sich ihm anschließt, bombardiert | |
zwar die Armee sie nicht mehr – aber die Machtkämpfe mit den anderen | |
Gruppen gehen weiter. Unter diesen leidet die Zivilbevölkerung am meisten. | |
Außerdem seien immer noch keine Mechanismen festgelegt, um die Einhaltung | |
des Waffenstillstands zu überprüfen. „Wir brauchen zudem eine | |
verantwortungsvolle Kommunikation auf Seiten der Präsidentschaft und mit | |
klaren Sprecher:innen innerhalb der Delegation.“ Auch der Zugang für | |
Medien und soziale Organisationen müsse sich verbessern. Trotz der | |
Schwierigkeiten ist er optimistisch: „Der Prozess wird nicht | |
zusammenbrechen, er wird sich höchstens verzögern.“ | |
Die [7][zweite offizielle Gesprächsrunde] soll am 13. Februar in Mexiko | |
beginnen. Schwerpunkt sollen drei Themen sein: die Kommunikation, Teilnahme | |
der betroffenen Bevölkerungsgruppen im Prozess und vor allem – ein | |
Waffenstillstand. | |
19 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Buergerkrieg-in-Kolumbien/!5906975 | |
[2] https://cnnespanol.cnn.com/2023/01/04/analisis-que-paso-tregua-petro-colomb… | |
[3] https://twitter.com/antonioGcdte/status/1614320307455533058?s=20&t=fpeu… | |
[4] https://www.elespectador.com/politica/segunda-ronda-de-dialogos-entre-el-go… | |
[5] https://www.elespectador.com/politica/delegacion-del-gobierno-y-del-eln-ya-… | |
[6] https://www.eltiempo.com/justicia/delitos/fiscalia-dice-al-gobierno-que-no-… | |
[7] https://www.elespectador.com/politica/segunda-ronda-de-dialogos-entre-el-go… | |
## AUTOREN | |
Katharina Wojczenko | |
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