| # taz.de -- Farc-Guerilla in Kolumbien: Frieden ist zu teuer | |
| > Präsident Petro ist angetreten, um Kolumbien „totalen Frieden“ zu | |
| > bringen. Für das Friedensabkommen mit der Farc-Guerilla fehle nun das | |
| > Geld. | |
| Bild: Präsident Petros neueste Idee: Die Bank der Republik könnte Anleihen he… | |
| Bogotá taz | „Ich möchte das Friedensabkommen umsetzen, aber das | |
| Friedensabkommen kostet 150 Billionen Pesos“, sagte der kolumbianische | |
| Präsident Gustavo Petro während der Plenarsitzung des Nationalen Rats für | |
| Frieden, Versöhnung und Zusammenleben (CNPRC) am Dienstag. | |
| „Die Regierung [1][des ehemaligen Präsidenten Juan Manuel Santos] hat zwar | |
| den Deal im Namen des Staates für die Gesellschaft unterschrieben, | |
| allerdings frage ich mich jetzt: [2][Woher soll ich denn die 150 Billionen | |
| (umgerechnet 30,47 Milliarden Euro) nehmen?]“, sagte Petro. Wenn der | |
| kolumbianische Staat mit dem Tempo wie bisher weitermache, werde es 125 | |
| Jahre dauern, bis alle Opfer des bewaffneten Konflikts entschädigt seien. | |
| Eine ähnliche Rechnung macht der Präsident Petro beim Kernstück des | |
| Abkommens – und des bewaffneten Konflikts – auf, nämlich bei der | |
| Landreform, die die Ungleichheit bekämpfen soll. „Wenn der kolumbianische | |
| Staat in einem Jahrhundert nur 1,1 Millionen Hektar Land verteilen konnte – | |
| wie wollen wir dann in 15 Jahren drei Millionen Hektar verteilen?“ | |
| Die Botschaft hat Petro ausgerechnet inmitten der Feierlichkeiten zum | |
| Gedenktag an die Opfer des bewaffneten Konflikts bei der jüngsten Sitzung | |
| des CNPRC verkündet. Es klang wie eine Bankrotterklärung des historischen | |
| Friedensabkommens, das sein Vor-Vorgänger Santos mit der Farc-Guerilla nach | |
| mehr als 50 Jahren bewaffnetem Konflikt ausgehandelt hatte – und das der | |
| kolumbianische Staat und die Demobilisierten seit 2016 umsetzen sollen. | |
| ## Petro wird von der Realität eingeholt | |
| 13.000 Kämpfer*innen legten die Waffen nieder und versuchen seitdem, | |
| sich ins zivile Leben einzugliedern. Die meisten sind dabei geblieben – | |
| obwohl mehrere Hundert von ihnen schon ermordet wurden. Der kolumbianische | |
| Staat hat seinen Teil bisher höchst schleppend erfüllt und unter Petros | |
| Vorgänger Iván Duque so gut wie gar nicht – wobei Duque ein erklärter | |
| Gegner des Friedensabkommens war. | |
| Petro ist das nicht. Im Gegenteil: Schon als Senator war er dafür, im | |
| Präsidentschaftswahlkampf sowieso. Aber jetzt holt ihn offenbar die | |
| Realität ein – zumal er neben seinem [3][Herzensprojekt „totaler Frieden�… | |
| (gemeint ist der Frieden mit allen verbliebenen bewaffneten Gruppen im | |
| Land) auch noch drei Dutzend andere Reformen versprochen hat – von denen | |
| die meisten sehr viel Geld kosten. | |
| Der Präsident der Farc-Nachfolgepartei Comunes und Mitverhandler des | |
| Friedensabkommens, Rodrigo Londoño, [4][entgegnete Petro auf Twitter]: | |
| „Auch wenn die Kosten hoch erscheinen, um das Abgemachte einzuhalten, sind | |
| sie winzig im Vergleich zur Möglichkeit, ein friedliches und sozial | |
| gerechtes Land aufzubauen.“ Der kolumbianische Staat habe 411 Billionen | |
| Pesos im Krieg gegen die ehemalige Farc-Guerilla ausgegeben, 22.000 | |
| Millionen Pesos täglich. Zur Erinnerung: Das Friedensabkommen kostet 150 | |
| Billionen. | |
| ## Kolumbien hat noch nie Geld gehabt | |
| Pastor Alape war [5][einer der höchsten Guerilla-Anführer] und ist | |
| Delegierter der ehemaligen Farc-Partei im Nationalen | |
| Wiedereingliederungsrat. Er bekommt deshalb seit Jahren mit, wie die | |
| Demobilisierten, aber auch die ländliche Zivilbevölkerung in den Regionen | |
| um die Umsetzung des Abkommens kämpfen. Für ihn kam die Botschaft des | |
| Präsidenten nicht überraschend – hatte er doch schon Andeutungen in | |
| jüngsten Krisentreffen gehört. | |
| Das Argument mit dem Geld lässt er allerdings nicht gelten, sagte Alape | |
| gegenüber der taz – und schon gar nicht mit dem Unterton, man sei damals | |
| über den Tisch gezogen worden und würde nun von den Kosten überrascht. Zum | |
| einen habe Petro davon gewusst. Zum anderen habe Kolumbien noch nie Geld | |
| gehabt – weder für Frieden noch für Bildung oder andere soziale | |
| Investitionen. Auch, weil der größte Haushaltsposten immer in Sicherheit, | |
| also Krieg, geflossen sei. „Er wusste, als er das Amt antrat, dass er die | |
| strukturellen Fehler korrigieren muss – und das Geld dafür erst auftreiben | |
| muss.“ | |
| Petros neueste Idee dazu: Die Bank der Republik könnte Anleihen | |
| herausbringen, damit zumindest Geld da sei, um die Opfer zu entschädigen. | |
| Vorschreiben kann er der Bank wegen ihrer Unabhängigkeit nichts. Er | |
| appelliert daher an eine „nationale Übereinkunft“ – bei der sich auch die | |
| Bank angesprochen fühlen möge. | |
| Pastor Alape ist da skeptisch. Er sieht mehr Chancen darin, die | |
| internationale Gemeinschaft um Unterstützung zu bitten, die bisher schon | |
| den Großteil der Wiedereingliederungsprojekte der Ex-Kämpfer*innen | |
| finanziert. Außerdem könnten Umwelt und Bergbau Geld bringen, indem | |
| Kolumbien sich von anderen Ländern den Schutz seiner letzten Wälder | |
| ([6][darunter am Amazonas]) bezahlen lässt und strengere Normen und höhere | |
| Steuern auf den Bergbau erlässt. | |
| Vor allem aber sagt Alape: „Wir müssen die Architektur zur Umsetzung des | |
| Abkommens neu aufstellen.“ So hat Petro bei Regierungsantritt die Behörde | |
| zur Umsetzung des Friedensabkommens abgewickelt – ein Fehler, der | |
| rückgängig gemacht werden müsse, um Geld und Kräfte zu bündeln. [7][Auch | |
| wenn es sich um eine linke Regierung handle, für die man gestimmt habe] und | |
| der man freundlich gesinnt sei: „Wir müssen wachsam sein, Druck machen, uns | |
| permanent mobilisieren.“ Der kolumbianische Staat habe sich in seiner | |
| Vergangenheit vor allem dadurch ausgezeichnet, seine Pflicht nicht zu | |
| erfüllen. | |
| 13 Apr 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Ende-des-Buergerkriegs-in-Kolumbien/!5357347 | |
| [2] https://www.elespectador.com/colombia-20/paz-y-memoria/petro-afirma-que-no-… | |
| [3] /Waffenstillstand-in-Kolumbien/!5905971 | |
| [4] https://twitter.com/TimoComunes/status/1645916340492926976 | |
| [5] /Ex-Guerilleros-in-Kolumbien/!5699458 | |
| [6] /Aktivismus-in-Kolumbien/!5923314 | |
| [7] /Wahlsieger-Gustavo-Petro-in-Kolumbien/!5862021 | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Wojczenko | |
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