# taz.de -- Tom Verlaine ist tot: Radar im Dickicht der Großstadt | |
> Er war ein wichtiger Faktor in den Anfängen des New Yorker Punk: Tom | |
> Verlaine, der Gitarrist, Sänger und Songwriter ist gestorben. | |
Bild: Tom Verlaine 2016 bei einem Konzert in Mailand | |
New York steht auf dem Kopf: „Broadway looked so medieval“, singt Tom | |
Verlaine auf dem 1977 erschienenen Debütalbum „Marquee Moon“ seiner Band | |
Television. „The World is so thin / Between my bones and my skin.“ Tom | |
Verlaine überführt den städtischen Puls in fiebrige Musik: „My senses are | |
sharp and my hands are like gloves.“ Meine Sinne sind scharf, meine Hände | |
wie Handschuhe. Häh? | |
Verlaine hatte als Jugendlicher die Biografie des Baseballspielers Lou | |
Gehring aufgesaugt, der als Linkshänder den (nur für Rechtshänder | |
fabrizierten) Fanghandschuh umdrehen musste, um ein guter Fänger zu werden. | |
„Man kann das Falsche tun, und es wir dann doch richtig“, sagte mir | |
Verlaine in einem Interview 2006. | |
Seine Gitarrenriffs klingen rasiermesserscharf, aber er lässt die Gitarre | |
auch lyrisch jaulen. Daher ist er fundamental anders als viele | |
Rockfantasten der später 1960er. Verlaines Intellekt hilft bei der | |
Orientierung, ein Radar im Dickicht der Großstadt: „I understand all, I see | |
no / Destructive urges, I see no […] I see no evil“, heißt es im | |
Auftaktsong von „Marquee Moon“. Die Antithese zu Punk. Und doch, Verlaine | |
war bei der Geburt von Punk in New York ein wichtiger Faktor. | |
Die Stadt ist Ende der 1960er gebeutelt, Reiche ziehen weg, Teile des | |
Zentrums verslummen. Als Tom Miller 1968 in die Stadt kommt, ist er ein | |
Nobody aus Delaware, wohnt für 50 Dollar in einem Zimmer an der 14. Straße | |
West. Andere Nobodys sind schon da, sein Kumpel Richard Myers etwa. Beide | |
[1][treffen auf Patti Smith]. Miller und Smith werden ein Paar. Sie liest | |
Arthur Rimbaud und Paul Verlaine. Myers und Miller spielen Musik. Und | |
nennen sich Tom Verlaine und Richard Hell. | |
Mit dem Schlagzeuger Billy Ficca starten sie die Neon Boys. Wann genau die | |
Umbenennung zu Television erfolgt, ob 1973 oder früher, darüber gibt es | |
widersprüchliche Angaben. Richard Hell geht im Streit und gründet seine | |
eigene Band The Voidoids, er wird ebenfalls Schriftsteller. Verlaine bleibt | |
bei der Gitarre. Ab 1974 spielen Television jeden Sonntagabend im Club | |
CBGB’s, den Verlaine bei einem Spaziergang in der Bowery entdeckt hat. | |
Weitere Bands, wie die Ramones, die Stilletoes (mit Blondie) und Suicide | |
schließen sich an, die „Downtown“-Punkszene entsteht. | |
Die Musik auf dem Television-Debütalbum klingt nach Punk, wenn der Maler | |
und Grafiker [2][James Ensor] Punk machen würde: extrem elegant, cool, | |
lebendig, zugleich formvollendet. Die Band trennt sich 1978 nach dem | |
zweiten Album „Adventure“. Verlaine hebt 1979 zu einer Solokarriere mit | |
neun Alben an, Television treten ab den Nullern wieder sporadisch auf. Am | |
Samstag ist Tom Verlaine nach kurzer Krankheit mit 73 Jahren gestorben. | |
29 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Julian Weber | |
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