| # taz.de -- Studie zu jüdischen Einwander:innen: Doppelte Belastungsprobe | |
| > Immigration israelischer Jüd:innen nach Deutschland ist nicht | |
| > selbstverständlich. Eine Studie untersucht, warum die Zahlen dennoch | |
| > steigen. | |
| Bild: Die Schoah spielt bei einem großen Teil eine maßgebliche Rolle bei der … | |
| Eine doppelte Last, „A Double Burden“, so lautet der Titel einer neuen | |
| Studie, die den Migrationsprozess von Israel nach Deutschland untersucht. | |
| Obwohl die Einwanderung von Israelis nach Deutschland medial häufig | |
| thematisiert wurde, war die wissenschaftliche Datenlage über die Gruppe in | |
| Deutschland lebender Israelis bisher relativ dünn. | |
| Vergangene Woche wurde an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität vom | |
| Studienleiter Uzi Rebhun nun eine kritische Analyse vorgestellt, die diesem | |
| Missstand entgegenwirkt. Rebhun ist Soziologe, tätig an der Hebrew | |
| University in Jerusalem und der renommierteste Demograf Israels. | |
| In der Vergangenheit untersuchte er unter anderem bereits die israelische | |
| Einwanderung in die USA. Gemeinsam mit den Forscher:innen Dani Kranz, | |
| Gastprofessorin an der Ben-Gurion-Universität, und Heinz Sünker von der | |
| Bergischen Universität in Wuppertal führte er die erste Studie dieser Art | |
| durch. | |
| Das auf vier Jahre angelegte Forschungsprojekt lässt nun erstmals ein | |
| aussagekräftiges Bild davon zu, wie genau sich die Gruppe israelischer | |
| Einwanderer:innen nach Deutschland zusammensetzt, welche Motive und | |
| Einstellungen ihre Migration bedingen und auch welche [1][Erfahrungen mit | |
| Antisemitismus] sie machen. Einen etwas genaueren Blick wirft die Studie, | |
| die verschiedene sozialwissenschaftliche Ansätze kombiniert, auch auf | |
| gesellschafts- und arbeitsmarktpolitische sowie biografische Aspekte der | |
| noch recht jungen Einwanderungsbewegung. | |
| ## Positives Deutschlandbild | |
| Eine Selbstverständlichkeit ist die Einwanderung israelischer Jüdinnen und | |
| Juden nach Deutschland bis heute nicht. Was sich jedoch anhand der | |
| Studienergebnisse auf bemerkenswerte Weise niederschlägt, ist ein positives | |
| Deutschlandbild. Studienteilnehmende gaben mehrheitlich an, in ihrem | |
| Familien- und Freundeskreis starke Unterstützung für ihre Absicht der | |
| Auswanderung nach Deutschland erfahren zu haben. | |
| Als Gründe für ihre Migration nach Deutschland, die seit den nuller Jahren | |
| stetig an Fahrt aufnimmt, geben die meisten professionelle und ökonomische | |
| Gründe an. Auch die deutsche Kultur erweist sich laut der Studienergebnisse | |
| als attraktiver Faktor. Die Bildungsaussichten in Deutschland sind dabei | |
| für viele Israelis ausschlaggebend. Der überwiegend akademisch gebildete | |
| Teil der Eingewanderten sieht in Deutschland die Möglichkeit, die eigene | |
| Laufbahn voranzubringen. Bemerkenswert: Über 50 Prozent gaben als | |
| Auswanderungsgrund eine:n deutsche:n Partner:in an. | |
| Die Einwanderung der Israelis steht unter dem Eindruck der Geschichte. Mehr | |
| als die Hälfte der rund 20.000 Eingewanderten, von denen 60 Prozent in | |
| Berlin leben, sind Nachfahr:innen von Holocaustüberlebenden. Bei einem | |
| Drittel der Eingewanderten stammen die Vorfahren aus Deutschland. Die | |
| Schoah spielt bei einem großen Teil der Einwanderer:innen, so die Analyse, | |
| eine maßgebliche Rolle bei der Identitätsbildung. | |
| Die eingewanderten Israelis sind auffallend jung. Rund 80 Prozent sind zum | |
| Zeitpunkt der Immigration jünger als 34 Jahre. Die Studie legt nahe, dass | |
| sich ein Teil der Ausgewanderten von Israel und ihrem Jüdischsein | |
| distanziert hat. Das zeige die hohe Anzahl gemischter Ehen sowie der | |
| Umstand, dass insbesondere Deutschland als Auswanderungsziel gewählt wurde. | |
| Ein Blick auf die Zahlen verrät allerdings auch, dass gerade einmal 13,2 | |
| Prozent der Befragten angaben, sich überhaupt nicht mit ihrem Heimatland | |
| Israel zu identifizieren. | |
| ## Antisemitismus und dessen Rolle für Einwander:innen | |
| Die Ausgewanderten betrachten sich als überwiegend säkular, lediglich 20 | |
| Prozent finden ihren Weg in die einheimischen jüdischen Gemeinden. Die | |
| israelische Auswandererschaft zeigt sich als eng vernetzt, anstelle einer | |
| religiösen zeige sich häufig eine kulturelle Praxis, bei der insbesondere | |
| jüdische Feiertage weiterhin eine hohe Bedeutung für die | |
| Studienteilnehmer:innen hatten. Insgesamt zeige sich laut der | |
| Studie, dass die Unterschiede der ausgewanderten Israelis insgesamt viel | |
| größer seien als deren Gemeinsamkeiten. | |
| Rebhuns Untersuchung beschäftigt sich auch mit dem Thema [2][Antisemitismus | |
| und der Rolle, die er für die Einwanderer:innen spielt]. Die | |
| Publikation benennt vornehmlich den Faktor des israelbezogenen | |
| Antisemitismus, häufig tritt er im Zusammenhang mit der | |
| Israelboykottbewegung BDS in Erscheinung. | |
| Teilnehmer:innen begegneten aber sowohl alten als auch neuen Formen des | |
| Antisemitismus. 61 Prozent gaben an, dass der [3][Antisemitismus in der | |
| Öffentlichkeit] in Deutschland grundsätzlich problematisch sei. Als | |
| ziemlich stark beziehungsweise sehr stark gaben ihn rund 25 Prozent der | |
| Israelis an. Im Vergleich schätzten 85 Prozent der in Deutschland lebenden | |
| nichtisraelischen Juden den Antisemitismus als ziemlich stark oder sehr | |
| stark ein – ein auffälliger Unterschied, der genauerer Betrachtung bedarf. | |
| Für zukünftige, weiterführende Untersuchungen, die Zusammenhänge wie diesen | |
| analysieren, dürfte die bemerkenswerte demografische Grundlagenarbeit von | |
| Uzi Rebhun, Dani Kranz und Heinz Sünker zentrale Bezugsquelle werden. | |
| 23 Jan 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Roth-ueber-politische-Herausforderungen/!5901185 | |
| [2] /Alte-und-neue-Antisemiten/!5861088 | |
| [3] /Antisemitimus-Vorwurf-im-Theater/!5896717 | |
| ## AUTOREN | |
| Chris Schinke | |
| ## TAGS | |
| Juden | |
| Israelis | |
| Jüdinnen | |
| Immigration | |
| Antisemitismus | |
| Jüdisches Leben | |
| Hassrede | |
| Kulturförderung | |
| Antisemitismus | |
| Antisemitismus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Antisemitismus in Sozialen Medien: Klage gegen Twitter | |
| Zwei Organisationen klagen gegen Twitter. Die Plattform habe antisemitische | |
| Inhalte trotz Meldung nicht gelöscht – auch Holocaustleugnung. | |
| Roth über politische Herausforderungen: „Ich habe die Alarmglocke geläutet�… | |
| Staatsministerin Claudia Roth kritisiert die documenta15 und Russlands | |
| Krieg gegen die Ukraine. Außerdem wirbt sie für den Kulturpass für | |
| 18-Jährige. | |
| Antisemitismus im Theater: Das geht an die Nieren | |
| Können 22 Regisseure irren? Nach Stefan Bachmann auf keinen Fall. Der | |
| Antisemitismusstreit um Wajdi Mouawads Theaterstück „Vögel“ geht weiter. | |
| Antisemitimus-Vorwurf im Theater: Der Identity-Komplex | |
| Nach Antisemitismusvorwürfen setzt das Metropoltheater München eine | |
| Inszenierung von Wajdi Mouawads „Die Vögel“ ab. |