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# taz.de -- Festival für experimentelle Musik: Raschelnde Klanggebilde
> Kuriose Klänge aus Pflanzen und Töne, die wie Äste wachsen: In Hamburg
> präsentiert das Festival „Klub Katarakt“ vier Tage lang experimentelle
> Musik.
Bild: Der ganze Raum knistert und raschelt: John Cages Stück „Branches“ be…
Acht blaue Konservendosen hängen an Schnüren von großen Birkenästen unter
der Decke. Licht wirft die Schatten des Gebildes an die großen Wände. Und
auch der Klang, der aus den Dosen kommend sanft durch den ganzen Raum
surrt, quietscht, knarzt und dröhnt, ist ganz plastisch.
Man kann nach oben und unten blicken, den Kopf drehen und darunter
umherlaufen, immer hört sich das Klanggebilde, durch das man so wandelt und
das einen durchwabert, ein bisschen anders an, je nachdem, wo in all den
Wellen man sich befindet. Und bald glaubt man fast, es im Raum sehen und
berühren zu können.
Auf Fieldrecordings aus dem winterlichen Schwarzwald und Aufnahmen von
tickenden Uhren und historischen Musikwiedergabegeräten aus dem Deutschen
Phonomuseum basiert die Installation [1][„Capri Code“ des Klangkünstlers
Felix Mayer]. Immer wieder wird sie erweitert mit Klängen aus den Räumen,
in denen sie aufgebaut wird. Die Klänge benutzt Mayer dabei im Original und
analog manipuliert. Dafür nimmt er die Aufnahmen durch Dosentelefone wieder
auf.
Mit Mayers Installation hat der [2][Klub Katarakt], Hamburgs Festival für
experimentelle Musik, auf Kampnagel am Mittwoch seinen Eröffnungsabend
begonnen. Der gestaltet sich traditionell – 18 Jahre alt ist das Festival
dieses Jahr geworden, seit 13 Jahren findet es immer zum Jahresbeginn auf
Kampnagel statt – als ein Wandelkonzert. Über drei Hallen verteilt gibt es
eine Reihe Erst- und Uraufführungen zu hören und dazu Projektionen zu
sehen.
Das Thema „Pflanzen und Bäume“ durchzieht den ganzen Abend. Im zweiten Raum
spielt das auf neue und experimentelle Musik spezialisierte
[3][Streichquartett Quatuor Bozzini] aus Toronto, das als Ensemble in
Residence beim Festival in insgesamt vier Konzerten zu hören ist, das
[4][Stück „Arbor Vitae“] des US-amerikanischen Komponisten James Tenney.
Für dessen harmonische Struktur geht Tenney vom Baum als Metapher aus. Sie
entwickelt sich, ähnlich wie Äste aus Stämmen sprießen. Das quietscht,
schabt und schiebt sich allmählich voran. Und es fühlt sich an, als würden
die Synapsen im Kopf alle einzeln neu gestimmt, während zehn Minuten lang
aus einzelnen Tonalitäten multiple sprießen.
Überall gibt es Erstaunliches zu sehen und Ungewöhnliches zu hören. Das
Komponist:innen-Kollektiv Nelly Boyd präsentiert eine modulare, während
Corona entstandene Kollektiv-Komposition. In [5][John Cages Stück
„Branches“] erklingen verstärkte Schoten, Kakteenstacheln, Blätter, Äste
und anderes Pflanzenmaterial. Aus allen Ecken tönt schließlich aus
Posaunen, Klavier oder Schlagzeug Klangmaterial aus [6][Christian Wolffs]
Sammlung „Hands & Others“. Dazu spielt Quatuor Bozzini ein Stück Wolffs,
das, als Begleitung für solche Aufführungssituationen geschrieben, immer
wieder vollkommen überraschende Momente entstehen lässt.
Dann lässt man sich schweifen durch eine lange, über alle Räume verteilt
gespielte kollektive Improvisation, die alles in ein großes Klangbilde
verwandelt, vorbei an dröhnenden Boxen und leise auf Lautsprechern
klapperndem Reis. Und nach Hause geht man neu gestimmt, randvoll gestopft
mit wunderbaren Klängen, die noch lange in einem nachhallen.
20 Jan 2023
## LINKS
[1] https://www.felixmayer.net/capri-code
[2] https://kampnagel.de/reihen/klubkatarakt18
[3] https://www.youtube.com/channel/UCVQBBrK-zzRFzqjDE7dWFhw
[4] https://www.youtube.com/watch?v=1nSigzXlLME
[5] https://www.youtube.com/watch?v=PMG78CLvM0A
[6] /Neue-Musik-aus-Berlin/!5808458
## AUTOREN
Robert Matthies
## TAGS
Musik
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Kampnagel
elektronische Musik
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