Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Birgit Ulher über experimentelle Musik: „So etwas wie Anti-Tromp…
> Birgit Ulher ist eine feste Größe in der Hamburger
> Experimentalmusikszene. Ein Gespräch über den Reiz des Zusammenspiels und
> die Suche nach Klängen.
Bild: Klänge rein in die Trompete, nicht nur raus: Birgit Ulher (r.) im Duo mi…
taz: Frau Ulher, woher kommt ihre Faszination für die Trompete?
Birgit Ulher: Es war einfach das Instrument, das mich sofort gepackt hat.
Ich habe relativ spät angefangen, mit 19. Und ich hatte das Glück, dass ich
in einem Musiker- und Künstlerkreis war, wir haben in einer leer stehenden
Fabrik in der Mottenburger Straße zusammengewohnt. Ich konnte schon bald
mit den anderen zusammenspielen, die waren sehr viel fortgeschrittener als
ich und ich habe da unheimlich viel gelernt. Das war damals [1][Free Jazz].
Die Faszination liegt im Zusammenspiel?
Das Zusammenspiel fand ich immer sehr reizvoll, auch die Art des
Zusammenspiels, dass man eben zusammen improvisiert, das alles übers Hören
läuft. Dass man nicht wie in der Komposition etwas ausführt, sondern offen
sein muss für die anderen und die Sachen, die passieren. Heute liegt mein
Schwerpunkt aber auf festen Besetzungen.
Warum?
Es entwickelt sich [2][eine Chemie untereinander] und vor allem eine
gemeinsame Sprache, auf die man zurückgreifen kann. Und trotzdem passiert
jedes Mal etwas Neues auf einem Konzert. Aber man kann eben auch über eine
längere Zeit etwas entwickeln. Jeder entwickelt für sich sein Klangmaterial
weiter, dann probiert man es im Zusammenhang wieder aus. Oder es entsteht
etwas im Zusammenhang, also man hört Klänge und denkt dann: Ach, das ist ja
interessant, dazu würde ich gern etwas machen, das passt. Und dann
entwickelt sich wieder etwas Neues. Es ist immer ein gegenseitiges
Sichbeeinflussen und Weiterarbeiten an den Sachen. Das ist einfach total
spannend.
Wann haben Sie begonnen, sich für die Klangmöglichkeiten des Instruments zu
interessieren?
Das kommt von der bildenden Kunst, die ich studiert habe. Da hatte ich
schon viel mit Materialen und Farben herumgespielt. Daher kannte ich die
Herangehensweise, also dass es auch ums Material geht. Und das habe ich
damals noch recht unbewusst auf die Trompete übertragen und habe dann
einfach experimentiert und herumgeforscht. Ich habe dann nach und nach
Gegenstände dazugenommen, Metallbleche, Milchschäumer, Radios. Ich habe mit
allem herumexperimentiert.
Also eher Spiel als Konzept? Das kam dann erst im Verlauf der Jahre?
Schon, aber ich habe mich immer schon viel mit theoretischen Fragen
auseinandergesetzt und mich mit [3][Neuer] und [4][elektronischer Musik]
beschäftigt.
Dann haben Sie begonnen, Lautsprecher als Dämpfer für die Trompete zu
benutzen.
Ich habe angefangen, etwas mit Radios zu machen. Ich habe die Lautsprecher
gekappt und flexibel andere Lautsprecher drangeklickt. Heute spiele ich vor
allem mit Druckkammerlautsprechern, die genau dieselbe Größe haben wie der
Trompetentrichter. Ich schicke dann die Radiosounds, hauptsächlich
Rauschen, in die Trompete und das vermischt sich dann mit den
Trompetenklängen.
Können Sie das steuern, je nachdem, welche Art von Rauschen Sie da nehmen?
Einmal das. Und dann habe ich ein Volumenpedal drangebastelt, damit ich es
ein- und ausblenden kann. Die Trompete wird dann auch zum Empfänger von
Klang, statt nur zum Sender wie sonst. Das finde ich sehr interessant. Der
akustische Klangraum der Trompete verändert die Klänge dann total.
Das müssen Sie erklären.
Klänge verändern sich ja immer, je nachdem, wo man sie produziert. In jedem
Raum klingt es anders. Und in diesem kleinen und verwinkelten Trompetenraum
klingt es natürlich völlig anders. Weil ich den Lautsprecher wie einen
Dämpfer verwende, kann ich die Trompete auch öffnen oder schließen. Es ist
also eine Mischung aus Außenraum, Innenraum der Trompete, meinen Klängen
und den Radioklängen, was da zusammenwirkt. Die Frage, wie ich Klänge im
Raum verteile, interessiert mich sehr, also wie ich so eine Räumlichkeit
erreiche.
Auf dem Blurred-Edges-Festival spielen Sie – zum ersten Mal in Hamburg –
ein Solokonzert. Bei der Uraufführung „Public Transport“ kommen die Klänge
von Platten.
Die Idee mit diesen „[5][Record Runnern]“ hatte ich schon lange. Das sind
kleine portable Plattenspieler, die aussehen wie ein kleiner VW-Bus und die
Rillen abfahren.
Was ist denn auf den Platten zu hören?
Ich habe Geräusche von Plattenspielern auf Platte pressen lassen. Von den
Platten selbst, die ich abgespielt habe, ist aber kein einziger Ton zu
hören. Ich habe so Sachen gemacht, wie diese Platten zu stoppen oder mit
Gummibändern zu verlangsamen, hab Papier drübergelegt und Pappen drauf.
Aber die Aufnahmen waren fürs Plattenpressen zu leise, ich musste alles
noch mal machen. Es war schwierig, das hinzukriegen.
Sperriges Material.
Ja, das ist für mich auch ein interessanter Aspekt, dass sich das Material
sperrt. Bei den Metallfolien, die ich auch benutze, war es auch ganz lange
so, dass ich diese Idee hatte, aber einfach keine Folie gefunden habe. Nach
zwei, drei Jahren habe ich dann diese Alufolien in alten Offsetdruckern
gefunden, die hatten genau die richtige Dicke. Aber auch da sperrt sich das
Material: Dadurch, dass man den Trichter schließt, muss man einen großen
Druck aufbauen, damit da überhaupt etwas rauskommt.
Ein richtiger Kampf mit dem Material.
Ja, schon. Es ist auch so, dass die Töne durch den Druck ganz schnell
kippen. Da war ich ziemlich lange dran, das in den Griff zu kriegen. Ich
hab auch zwischendurch aufgegeben und es ein, zwei Jahre liegen lassen,
weil ich so genervt war. Aber die Idee dieser metallischen, aufgesplitteten
Klänge hat mich doch nicht losgelassen.
Das klingt zwar ganz und gar nicht klassisch, aber doch nach Virtuosität.
Schon, aber wenn, dann ist es eine Art von Virtuosität, die man gar nicht
mitkriegt – weiß ja keiner, wie schwierig es ist, so was zu spielen. Aber
es ist natürlich nicht dieses „Höher, schneller, weiter“. Im Grunde spiele
ich so etwas wie Anti-Trompete, wobei das eigentlich gar nicht meine
Intention ist.
25 May 2019
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=7NOGvtGaI0k
[2] https://www.youtube.com/watch?v=GleBfKkZUFo
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Musik
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Elektronische_Musik
[5] https://www.youtube.com/watch?v=rZZ5x80h3B4
## AUTOREN
Robert Matthies
## TAGS
Festival
Experimentelle Musik
Hamburg
Musik
Musik
Experimentelle Musik
## ARTIKEL ZUM THEMA
Festival für experimentelle Musik: Raschelnde Klanggebilde
Kuriose Klänge aus Pflanzen und Töne, die wie Äste wachsen: In Hamburg
präsentiert das Festival „Klub Katarakt“ vier Tage lang experimentelle
Musik.
Komponist Jan Feddersen über Experimentelles Festival: „In einem Zeitenstrud…
Inspiriert von Bernd Alois Zimmermann: Jan Feddersen vom Festival Klub
Katarakt über Collagetechniken und experimentelle Musik aus neun
Jahrhunderten.
Musik-Festival in Hamburg: Das Brummen der Stromfelder
Zum zehnten Mal lädt das Hamburger Festival Blurred Edges zur
Entdeckungsreise durch die experimentelle Musikszene der Stadt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.