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# taz.de -- Wegen eines Hotelneubaus: 200-jährige Eiche soll weichen
> Am ehemaligen Omnibusbahnhof im schleswig-holsteinischen Heide sollte
> eine alte Eiche für ein Hotel gefällt werden. Bürger haben die Pläne
> gestoppt.
Bild: Hat 200 Jahre hier gestanden und soll jetzt weg: Stieleiche
Rendsburg taz | Als die Öster-Eiche [1][im Zentrum von Heide im
schleswig-holsteinischen Dithmarschen] die ersten Triebe aus dem Boden
streckte, lebte Napoleon noch, kämpfte Griechenland um seine
Unabhängigkeit, wurden die ägyptischen Hieroglyphen entschlüsselt. Rund 200
Jahre ist der Baum heute alt. Nun soll die Eiche einem Hotelbau weichen.
Eine Bürgerinitiative sammelte in letzter Minute mehr als 2.000
Unterschriften gegen die drohende Fällung.
Aktuell prüfe die Kommunalaufsicht die Unterschriften, berichtet Heides
Rathaussprecher Christoph Hecht. Nach ersten Zählungen reicht es für einen
Bürgerentscheid. Dieser würde den geplanten Hotelbau verzögern, vielleicht
sogar unmöglich machen, falls der Investor abspringt. „Das Thema kocht hier
grade richtig hoch“, sagt Hecht.
Dabei schien aus Sicht der Verwaltung alles geklärt. Bereits 2019 hatte der
Bauausschuss der 22.000-Einwohner*innen-Stadt empfohlen, den ZOB an den
Bahnhof zu verlegen, damit Reisende, die von der Bahn in einen Überlandbus
umsteigen wollten, nicht mehr durch die halbe Stadt laufen müssen. Der alte
ZOB steht inzwischen leer. Ein „städtebaulicher Missstand“, sagt Hecht.
Da kam aus Sicht der Stadt der Hamburger Investor gerade recht, der ein
Hotel mit rund 80 Zimmern und ein Apartmenthaus mit 25 Mini-Wohnungen für
längere Aufenthalte bauen will. Das Grundstück ist aus planerischer Sicht
ein Filetstück, da es einerseits an der Durchgangsstraße, andererseits noch
in Laufnähe zum Bahnhof und noch näher am Marktplatz liegt. Der ist mit
rund 4,7 Hektar der größte unbebaute Markt Deutschlands und Heides
Wahrzeichen.
## Anfangs keine Bedenken
Der Stadtrat stimmte [2][den Plänen] zu, auch aus Sicht der Bürger*innen
gab es anfangs keine Bedenken: Bei einer Versammlung im vergangenen Herbst
– das Protokoll ist auf der Homepage der Stadt zu finden – drehten sich die
meisten Sorgen darum, dass Hotelgäste den Einheimischen die Parkplätze
wegschnappen könnten. Heides Bürgermeister, Oliver Schmidt-Gutzat (SPD),
warb für den Bau: Die Stadt entscheide sich mit dem Hotel für die
Weiterentwicklung. „Heide muss sich anpassen“, so Schmidt-Gutzat.
Doch kurz vor dem Ende der Öffentlichkeitsbeteiligung starteten die
Heiderinnen Claudia Kracht, Susanne Leonhardt und Constanze Windberg eine
Unterschriftensammlung, um die alte Eiche und ein Dutzend weiterer Bäume zu
retten. Am Tag vor Heiligabend überreichten die Initiatorinnen ihre Listen
im Rathaus.
Um sie fristgerecht an die Kommunalaufsicht schicken zu können, seien
eigens Stadtbeschäftigte aus dem Weihnachtsurlaub geholt worden, berichtet
Sprecher Hecht. Dass einige Bäume verschwinden müssen, sei „schade“, sagt
er. Aber im Sinne einer Verdichtung der Innenstadt sei die Bebauung
sinnvoll.
Ökologisch wertvoll sei die Fläche nicht, heißt es in einem Gutachten der
Naturschutzbehörde. Sie stellte eine „stark eingeschränkte Bodenfunktion“
fest. Die großen Bäume könnten zwar Tieren als Siedlungsraum dienen, doch
wegen der Lage an der Straße sei „von einer gering ausgeprägten
Artenvielfalt auszugehen“.
Der [3][BUND Dithmarschen widerspricht]: Mehrere der 15 Bäume, die für den
Hotelbau geschlagen werden müssten, seien ortsbildprägend, darunter neben
der 200-jährigen Stileiche eine Blutbuche und mehrere Ahorne. „Die Stadt
Heide verfügt über verhältnismäßig wenige Bäume dieser Größenordnung“,
schreibt der BUND. „Gerade diese aber sind in der Lage, das Mikroklima in
der Stadtmitte positiv zu beeinflussen.“
Sowohl [4][Klima- und Naturschutz] als auch die Ethik würden es gebieten,
diese alten Bäume zu bewahren und einen anderen Standort für einen
Hotelneubau in der Stadt zu suchen. Die Stadt habe sich immerhin
verpflichtet, Klimaschutz und Klimafolgenanpassung in der Bauleitplanung
umzusetzen: „Diese Ziele werden hier geradezu konterkariert.“
Der [5][BUND] und auch die Bürgerinitiative schlagen vor, das Hotel auf
einem Grundstück westlich der Bahnschiene zu bauen. In die Planungen der
Stadt würde das nicht passen, sagt deren Sprecher: Auf dem zurzeit noch
freien Platz könnte ein neues Kreis- und Rathaus entstehen. Vor allem hänge
es vom Investor ab: „Er sucht eben ein Innenstadt-Grundstück.“
Ein Weg, um die Bäume zu retten, wäre, sie umzupflanzen. „Wir haben das
geprüft“, sagt Hecht. Doch angesichts von mehreren 100.000 Euro Kosten bei
unsicherem Erfolg sei die Idee verworfen worden.
Die Grünen in Heide hoffen auf den Bürgerentscheid: „Wenn die Parteien im
Stadtrat so sicher sind, dass ihre Entscheidung für einen Hotelneubau dem
Willen der Bevölkerung entspricht, dann dürften sie keine Angst davor
haben.“
18 Jan 2023
## LINKS
[1] /Geplante-Batteriefabrik-in-Dithmarschen/!5892391
[2] https://www.heide.de/fileadmin/heide_de/inhalte/Rathaus_und_Buergerservice/…
[3] https://www.bund-dithmarschen.de/service/meldungen/detail/news/bund-gegen-b…
[4] /Klimaneutrales-Stadtquartier/!5875997
[5] /Streit-um-Feriendorf-an-Schutzgebiet/!5656954
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Naturschutz
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