# taz.de -- Weltwirtschaftsforum in Davos: Konzerne wollen Klima retten | |
> Beim Weltwirtschaftsforum in Davos steht Klimapolitik auf der Agenda. | |
> Firmenchefs stellen große Pläne vor. Ob das der Atmosphäre hilft, ist | |
> unklar. | |
Bild: Beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos versprechen die Teilnehm… | |
Berlin taz | Das Versprechen ist groß: Bis 2030 wollen globale | |
Immobilienkonzerne den [1][CO2-Ausstoß ihrer Gebäude um mindestens 50 | |
Prozent senken] – und die Immobilien bis 2050 auf Nullemission bringen. Das | |
sagen die Chefs von acht globalen Immobilienfirmen zum Beginn des | |
Weltwirtschaftsforums in Davos zu, das am Montag beginnt. Und bei dem | |
Klimaschutz wieder oben auf der Agenda steht. | |
Der Sektor, der für fast 40 Prozent aller energiebedingten | |
Treibhausgasemissionen steht, „wird oft vernachlässigt, wenn es um | |
Dekarbonisierung geht“, sagt Matthew Blake, Leiter der Abteilung Finanzen | |
beim Weltwirtschaftforum (WEF). „Die Anführer in allen Branchen müssen | |
Verantwortung für die Emissionen ihrer Gebäude übernehmen, um Fortschritte | |
beim Kampf gegen den Klimawandel sicherzustellen.“ | |
So wird das Thema Klima inzwischen auf dem Treffen von Konzernchefs und | |
Weltpolitik verhandelt: Überall präsent, mit Forderungen, die eher nach | |
Umweltverbänden klingen, und mit groß angekündigten Selbstverpflichtungen | |
der Wirtschaft. Und beim jährlichen Report über die Gefahren für die | |
Weltwirtschaft belegten 2022 klimabedingte Risiken die ersten fünf Plätze – | |
bevor sie in diesem Jahr von Krieg und Inflation überschattet wurden. | |
Allerdings stehen über einen Zeitraum von [2][zehn Jahren immer noch | |
klimabedingte Risiken auf den ersten drei Plätzen]. | |
Der genauere Blick indes zeigt: Ob und wie das Treffen den Klimaschutz | |
voranbringt, ist unklar. Die Ankündigungen der Konzerne sind in der Regel | |
weder auf ihre Wirksamkeit nachprüfbar noch einzuklagen – die Unternehmen | |
mit dem aktuellen Versprechen für „grüne Immobilien“ managen etwa nur ein… | |
Bruchteil aller Gebäude. Oft konzentrieren sich die Projekte der | |
KonzernlenkerInnen in Davos auf technologische Lösungen und die Hoffnung | |
auf die nächste lukrative Investition in neue grüne Techniken. Politische | |
Weichenstellungen wie etwa ein globaler CO2-Preis werden von den | |
Wirtschaftslenkern kaum angemahnt. Und Verhaltensänderungen schon gar | |
nicht: Die CEOs kommen weiterhin gern mit ihren Privatjets. Deren | |
[3][Emissionen vervierfachen sich während der Veranstaltung], nach | |
Informationen von Greenpeace. | |
## Superreiche interessieren sich für Klimaschutz | |
Das liegt auch daran, dass inzwischen viele Superreiche das Klimathema als | |
Hobby entdeckt haben. Nur wenige Milliardäre wie die amerikanische Ölerbin | |
Aileen Getty oder der [4][australische Software-Entwickler Mike | |
Cannon-Brookes] nutzen ihr Kapital, um Klimaaktivismus zu finanzieren. Die | |
meisten der grünen Milliardäre suchen mit ihrem Geld politischen Einfluss | |
über das Umweltthema (wie die US-Politiker Michael Bloomberg oder Tom | |
Steyer) oder persönliche Anerkennung wie Amazon-Chef Jeff Bezos mit seinem | |
milliardenschwerden „Earth Fund“. Oder sie suchen gleich das nächste große | |
grüne Geschäftsmodell – wie etwa Microsoft-Gründer Bill Gates mit seinen | |
Investitionen in Laborfleisch, CO2-Speicherung und kleine Atomkraftwerke. | |
Der private CO2-Fußabdruck der Superreichen liegt nach einer | |
[5][Oxfam-Studie etwa tausendfach höher als der globale Durchschnitt] – | |
rechnet man ihnen die Emissionen ihrer Firmen zu, sogar millionenfach | |
höher. | |
KlimaschützerInnen versprechen sich wenig von dem Treffen: In einem Jahr, | |
wo die Klimafinanzierung und die Reform des Weltbanksystems ganz oben auf | |
der Agenda stehen, werde Davos keine größeren Änderungen bringen, ist sich | |
Rachel Kyte sicher, Klima-Finanzexpertin der US-Universität Tuft: „Die | |
große Frage ist, ob in Davos immer die wichtigen Fragen behandelt werden. | |
Es wird interessant zu sehen, wie viel Widerstand es in Davos gibt, die | |
Schlupflöcher beim Greenwashing zu schließen, und was das für die | |
Klimaneutralität bedeutet.“ | |
## Kritiker:innen monieren Greenwashing | |
Vanessa Nakate, Jugendaktivisten aus Uganda, beschreibt Davos als | |
„dominiert von einer reichen Elite aus dem globalen Norden, die aus dieser | |
Sicht über globale Probleme redet. Die Chefs von Öl- und Gaskonzernen | |
werden eingeladen, um ihr Geschäft grünzuwaschen. Es ist schwer, nach einer | |
Woche in Davos nicht zynisch zu werden über die Aussichten für | |
Klimagerechtigkeit.“ | |
Dabei ist das Klimathema [6][im Programm des Weltwirtschaftsforums] überall | |
präsent: Es geht um grüne Märkte, neue grüne Jobs, die Sicherung der | |
globalen Energiewende, die Reduktion von Plastik, die Anpassung an den | |
Klimawandel – und immer aus der „Business-Perspektive“. In einer | |
unübersehbaren Menge von „Allianzen“ finden sich Konzerne und ihre Chefs | |
zusammen: Für die „Restaurierung der Wälder“, für | |
Null-Emissions-Schifffahrt, für die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre, | |
für die Dekarbonisierung besonders dreckiger Branchen, für Investments in | |
erneuerbare Energien in Entwicklungsländern. | |
## 50 globale Konzerne wollen vorangehen | |
Einen großen Schritt für die Reduktion von globalen Emissionen verspricht | |
nun die [7][neue „First Movers Coalition“]: Eine Allianz von mehr als 50 | |
globalen Konzernen will ein Drittel der globalen CO2-Emissionen durch neue | |
Technik reduzieren und bis 2050 auf null bringen. Sie haben sich | |
vorgenommen, die besonders harten Nüsse zu knacken: die Emissionen aus | |
Bereichen, die nicht einfach durch Ökostrom zu vermeiden sind, sondern wo | |
Emissionen im Prozess anfallen oder noch keine geeignete Technik zur | |
Verfügung steht. | |
Der Clou dabei: „Um dem Markt Starthilfe zu geben“, verpflichten sich die | |
Mitglieder der Koalition im Voraus, „trotz der Premiumkosten“ Material und | |
Dienstleistungen wie etwa Transport zu kaufen, die mit | |
Null-Emissions-Technik hergestellt und noch nicht marktfähig sind – also | |
höhere Kosten zu akzeptieren, die sie an ihre Kunden weiterreichen. Ein | |
Ökokartell zur Schaffung von grünen Märkten also. In der FMC-Koalition | |
befinden sich Autobauer, Stahl- und Zementkonzerne, Logistikunternehmen und | |
Energiekonzerne – viele Unternehmen, die in der Vergangenheit selbst oder | |
über ihre Verbände gegen jede Art von internationaler Ökoregulierung etwa | |
bei Luft- oder Schifffahrt oder im EU-Emissionshandel lobbyiert haben. | |
## Wirkliche Impulse fehlen | |
„Wirklich transformative Impulse im Klimaschutz hat es vom WEF bisher nicht | |
gegeben“, sagt Christoph Bals, Direktor der Umwelt- und | |
Entwicklungsorganisation Germanwatch. Zwar habe sich das Gremium deutlich | |
verändert und das Klimathema aufgegriffen, weil es immer mehr Akteuren der | |
Wirtschaft auf den Nägeln brenne. „Aber vom eigentlich notwendigen | |
ökosozialen Rahmen für globalen Handel und Finanzmärkte, die so wichtig | |
wären, um ernsthafte Klimaziele umzusetzen, sind wir sieben Jahre nach dem | |
Paris-Abkommen noch weit entfernt“, sagt Bals. | |
Die Spaltung der Welt durch den Aufstieg von Autokratien wie China und | |
Russland hinterlasse ihre Spuren auch in Davos. „Umso wichtiger wäre es, | |
wenn die globalen Unternehmen den UN-Prozess ergänzen und das Pariser | |
Abkommen umsetzen würden. Aber bisher fehlen auch in Davos die Impulse für | |
Instrumente, die diese Ernsthaftigkeit transparent überprüfen und die | |
Umsetzung sicherstellen.“ | |
## Genug geredet | |
Auch Sabine Nallinger, Vorständin der „Stiftung KlimaWirtschaft“, die | |
deutsche Konzerne zum Klimaschutz zusammenbringt, steht kritisch gegenüber | |
Davos. „Es ist schwer zu messen, ob dabei etwas rauskommt. Die Zeit der | |
Plaudereien ist vorbei, jetzt in der Dekade der Umsetzung muss es ums | |
Handeln gehen.“ | |
Sie verlangt von den Unternehmen Standards für ihre Branchen, die | |
Orientierung ihrer Geschäfte an CO2-Reduktionszielen und Zwischenzielen auf | |
dem Weg zur Klimaneutralität, ernsthafte Unterstützung an Prozessen wie | |
Klimaschutzgesetze und Sofortprogramme. „Die Unternehmen müssen auch | |
ernsthaft über Strategien diskutieren, welche Geschäftsfelder wie in der | |
Klimaneutralität eine Zukunft haben.“ | |
16 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.weforum.org/press/2023/01/net-zero-buildings-global-ceos-pledge… | |
[2] https://www.weforum.org/reports/global-risks-report-2023/digest | |
[3] https://www.greenpeace.org/international/press-release/57867/hundreds-of-ul… | |
[4] https://www.forbes.com/sites/davidjeans/2022/05/11/mike-cannon-brookes-bets… | |
[5] https://www.oxfam.org/en/press-releases/billionaire-emits-million-times-mor… | |
[6] https://www.weforum.org/ | |
[7] https://www.weforum.org/first-movers-coalition | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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