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# taz.de -- Nachhaltige Reisen in der Schweiz: Viele Sterne war gestern
> In der Schweiz erwarten einen viele Berge. Doch auch nachhaltiges Reisen
> geht dort gut – nicht nur wegen des starken öffentlichen Verkehrs.
Bild: Bei der Gornergrat-Bahn speisen die Züge bei der Talfahrt die Energie zu…
In Zermatt habe ich Glück. Mein Zimmer mit Blick auf das Matterhorn ist
„das schönste im Haus“, wie mir die junge Frau an der Rezeption versichert.
Die anderen Zimmer, ob mit zwei, drei oder vier Betten, sind mönchisch
einfach, äußerst schlicht, kein spektakuläres Panorama veredelt sie.
Die [1][Schweizer Jugendherbergen] sind Teil unseres Reiseprogramms zu
nachhaltigen Ansätzen in der Schweiz. Eine Nachhaltigkeitsinitiative von
Schweiz Tourismus, auch eine Marketingaktion: [2][Swisstainable]. Das Label
steht für den Zeitgeist und Nachhaltigkeitsinitiativen in Häusern von
Jugendherbergen bis zu Luxushotels. Zehn Journalisten aus der ganzen Welt
wurden zu dieser Reise eingeladen.
„Die Schweizer Jugendherbergen bringen frischen Wind in ihr kulinarisches
Angebot. Die neue Linie ‚Yoummi‘ legt den Grundstein für eine neue
gastronomische Zukunft. Ausgewogen und abwechslungsreich, nachhaltig und
bezahlbar“, so eine Präsentation der Schweizer Jugendherbergen.
Dreigangmenüs jeweils in veganer, vegetarischer oder auch Fleisch-Variante
sowie immer auch gluten- oder laktosefrei. Und – das sollte man in der
Schweiz nicht verachten – bezahlbar. In der Tat sind die Jugendherbergen in
der sehr teuren Schweiz eine Alternative für den kleinen Geldbeutel.
Übernachten kann dort jeder. Und es gibt auch Einzel- oder Doppelzimmer.
Der Verein [3][Schweizer Jugendherbergen] ist Mitglied des Dachverbandes
Hostelling International. Es gibt über 51 Betriebe (davon 6
Franchisebetriebe) mit 6.116 Betten. Manche Unterkunft bietet spezielle
Zimmer, eine tolle Lage oder Extraservices. Einige befinden sich in
historischen Gebäuden, liegen günstig für Ausflüge oder bieten tolle
Panoramen oder sogar Wellnessangebote. Für alle gilt: Das Frühstück ist
inklusive, eine Mitgliedschaft im Verein Pflicht. Tagesmitgliedschaften
sind für umgerechnet 6,47 Euro erhältlich, es gibt auch Jahreskarten.
Ob in Sankt Moritz, Scuol, Basel oder Interlaken – Jugendherbergen betonen
ihre Nachhaltigkeit. Die Jugendherberge Scuol, die 2007 erbaut wurde und
anderen Youth Hostels als Nachhaltigkeitsbeispiel diente, erhielt den
[4][Hans E. Moppert-Preis] für Nachhaltigkeit im Alpentourismus. Die
Jugendherberge Basel erhielt eine Auszeichnung für gute Bauten der Kantone
Basel-Stadt und Basel-Landschaft.
Die Preise variieren je nach Tag und Saison, Erwachsene zahlen
beispielsweise im August 2022 umgerechnet gut 43 Euro für ein Bett im
Sechsbettzimmer und etwas mehr als 116 Euro für das Einzelzimmer.
Doppelzimmer kosten dann zwischen 126 und gut 177 Euro.
## Authentisch und naturgewaltig
Viele Sterne war gestern. Heute muss es authentisch, einzigartig,
naturgewaltig sein. Luxushotels wie das [5][Cervo Mountain Resort,] ein
Fünfsternehotel in Zermatt mit verspieltem Hippietouch in der Ausstattung,
den Farben und dem Design, werben damit. Luxus und Nachhaltigkeitsansätze
sind längst kein Widerspruch mehr.
„In einer Bergregion wie Zermatt zuhause zu sein, setzt einen engen
Austausch mit der Natur voraus. Das CERVO ist einer Art von Reisen
verschrieben, die naturverbunden, authentisch und bewusst funktioniert.
Nachhaltigkeit ist dabei der zentrale Faktor, der allen Entscheidungen
zugrunde liegt. Im Grossen wie im Kleinen“, heißt es vollmundig auf dem
Prospekt.
Cervo ist Gründungsmitglied der [6][Responsible Hotels of Switzerland].
Nachhaltigkeit ist die neue Facette im Luxusgütersegment. Ein
Qualitätsmerkmal und dort leichter zu realisieren. Ökologisches Engagement
ist von der technischen Seite mit hohen Einstiegskosten verbunden. Im
Luxussegment erlauben größere Budgets kostenintensivere Maßnahmen:
drastische CO2-Einsparungen, autarke Energiegewinnung, regionale
Materialien. Immer mehr Nobelherbergen entdecken ihr grünes Gewissen und
grüne Zertifikate. Das Cervo Hotel kocht selbstverständlich, wo es geht,
mit regionalen Produkten, will Treffpunkt der Einheimischen sein und gibt
sich mit dem alten VW-Bus vor dem Eingang hippiesk, verspielt idealistisch.
[7][Zermatt] ist seit 2016 Energiestadt, hat sich also zu einer
nachhaltigen Energiepolitik verpflichtet. Der Ort ist angenehm autofrei.
Die Elektromobile im Dorf fahren ohne Verbrennungsmotor, stoßen keine
Abgase aus, werden vor Ort als Unikate produziert und sind zum Inbegriff
der dörflichen Mobilität geworden. Das Dorf kann sich dank des
Wasserreichtums zu 100 Prozent selbst mit reinem Quellwasser versorgen.
Zudem kommen über 80 Prozent des Stroms aus der Wasserkraft, bei den
E-Bussen sind es sogar 100 Prozent. Weiter gibt es an diversen Orten
Solarenergie-Installationen, unter anderem bei den Zermatt-Bergbahnen oder
bei der Monte-Rosa-Hütte.
## Photovoltaik an den Stationen
Auch die Bergbahnen werben mit Nachhaltigkeit. Quantitativ werden die
Bergbahnen zwar immer weiter ausgebaut. Immer mehr Besucher können auf das
Matterhorn befördert werden. Qualitativ setzt man auf nachhaltige
technische Innovation. Bei der [8][Gornergrat-Bahn] speisen die Züge bei
der Talfahrt die Energie zurück ins Netz, was bedeutet, dass von drei
talwärts fahrenden Zügen die Energie für zwei bergwärts fahrende Zügen
gewonnen wird.
Beim Bau der neuen 3-S-Bahn Matterhorn Glacier Ride II, der die
Ganzjahresverbindung zwischen Cervinia in Italien und Zermatt ermöglicht,
kommt man komplett ohne Masten aus, der Antrieb der Seilbahn hat einen
geringen Wartungsaufwand und benötigt keinerlei Getriebeöl. An der Fassade
der neuen Bergstation entsteht eine weitere Photovoltaikanlage. Technisch
ganz vorn und energiesparend kurbelt man die Geschäfte hoch oben immer
weiter an.
In einem ist die Schweiz aber tatsächlich unschlagbar: Um hier unterwegs zu
sein, braucht man kein Auto. Das Land ist bestens erschlossen. Es hat ein
ausgeklügeltes Zugsystem. Der öffentliche Verkehr in der Schweiz besitzt
eines der weltweit dichtesten Netze. [9][Die Bahn] ist dabei das wichtigste
Verkehrsmittel. Mehr als 5.300 Kilometer Eisenbahnnetz gibt es in der
Schweiz. Dazu kommen Busse, Tram, Bergbahnen und Passagierschiffe, mit
denen fast jeder Winkel der Schweiz bequem erreicht werden kann. Und im
hinterletzten Winkel nach einer Wanderung wartet garantiert der Postbus.
Wir fahren mit dem [10][Glacier Express] vom autofreien Zermatt nach Chur.
Es ist der langsamste Schnellzug der Welt und wird regelmäßig in
Hochglanzmagazinen als weltweit schönste Eisenbahnstrecke gelobt. Und ja,
es lohnt sich, die schwindenden Gletscher, einsamen Täler mit dem Luxuszug
zu durchqueren.
Die Pünktlichkeit der Schweizer Bahn liegt laut Statistik übrigens bei 92,6
Prozent, die Anschlusspünktlichkeit sogar bei 99,1 Prozent. Auch gutes
Umweltgewissen ist beim Schienenverkehr in der Schweiz inkludiert: Die SBB,
das größte Bahnunternehmen des Landes, generiert den Strom für die Züge zu
90 Prozent aus Wasserkraft. Bis 2025 soll der Bahnstrom ganz aus
erneuerbaren Quellen stammen.
## Klimafonds für Davos 2030
Endstation unserer Reise ist [11][Davos]. „2030 will Davos der erste
klimaneutrale Ferienort der Schweiz werden. Gäste und Unternehmen speisen
dazu gemeinsam den ‚myclimate Klimafonds Davos‘, der Klimaprojekte im Ort
unterstützt“, sagt Petra Ruinatscha-Fausch von Davos-Tourismus. Betrieben
wird die Initiative von der Destinationsorganisation, der Gemeinde und der
[12][Stiftung myclimate]. Unternehmen aus dem Tourismus, Veranstalter und
das Gewerbe beteiligen sich an der Initiative. Und natürlich ist das
weltweit bekannte [13][Davoser Kongresszentrum], wo jedes Jahr im März die
Weltwirtschaftsführer zusammenkommen, mit dabei. Berücksichtigung lokaler
Lieferanten, umweltfreundliche Müllentsorgung, Solarstrom, keine
Klimaanlage, da Kühlung mit Außenluft – das Kongresszentrum ist seit Juni
2020 von Myclimate als klimaneutral zertifiziert.
Finanziert wird die Davoser Nachhaltigkeitsinitiative von den touristischen
und gewerblichen Anbietern sowie ihren Gästen und Kund:innen mit
freiwilligen Beiträgen. Entscheidet sich ein Gast oder eine Kundin,
klimaneutral zu übernachten oder einzukaufen, zahlt er oder sie freiwillig
einen Zusatzbeitrag. Das Unternehmen zahlt anschließend denselben Betrag in
den Fonds ein. 50 Prozent der so zusammenkommenden Mittel werden in
Klimaschutzprojekte in Graubünden, der Schweiz und weltweit investiert. 35
Prozent gehen in Maßnahmen, mit welchen die teilnehmenden Unternehmen ihre
Betriebe nachhaltiger machen und 15 Prozent fließen in den neuartigen
„myclimate Klimafonds Davos“.
Er finanziert Projekte vor Ort, die CO2-Emissionen reduzieren. „Dieser
Klimafonds basiert auf den Grundsätzen des ‚Cause We Care‘-Programms der
Stiftung ‚myclimate‘, ermöglicht aber nicht nur touristischen
Leistungsträgern mitzumachen, sondern auch indirekten Leistungsträgern wie
Handel und Gewerbe“, sagt Petra Ruinatscha-Fausch. Klimaschutz sei gerade
für die alpine Wirtschaft zentral. „Die Natur ist die Grundlage unseres
Tourismus.“
9 Sep 2022
## LINKS
[1] http://www.youthhostels.ch
[2] http://www.stnet.ch/de/swisstainable/
[3] http://www.youthhostels.ch
[4] ttps://www.lixt.ch/it/registro-di-commercio/hans-e-moppert-stiftung-fuer-na…
[5] https://cervo.swiss/de
[6] https://responsiblehotels.ch/
[7] https://www.zermatt.ch/nachhaltigkeit
[8] https://www.gornergrat.ch/de/stories/nachhaltigkeit-gornergrat-bahn
[9] https://www.sbb.ch/de/
[10] https://www.glacier-express.de/
[11] https://www.davos.ch/informieren/news-aktuelles/news/news/klimaprojekt-dav…
[12] https://www.myclimate.org/de
[13] https://www.davoscongress.ch/news/detail/erstes-klimaneutrales-kongresszen…
## AUTOREN
Edith Kresta
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