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# taz.de -- Klimaaktivistin über Uganda: „Wir brauchen Fridays for now“
> Vanessa Nakate wurde aus einem AP-Foto herausgeschnitten. Das lasse
> afrikanische Stimmen nur lauter werden, sagt die ugandische
> Klimaaktivistin
Bild: Klimaaktivistin Vanessa Nakate demonstriert für Klimaschutz
taz: Frau Nakate, die Nachrichtenagentur AP hat Sie – [1][die einzige
Aktivistin mit schwarzer Hautfarbe – aus einem Foto herausgeschnitten]. Was
ist da passiert?
Vanessa Nakate: Wir hatten an diesem Freitag beim Weltwirtschaftsforum in
Davos eine Pressekonferenz geplant. Davor wurden Fotos gemacht. Während der
Konferenz haben wir alle Statements abgehalten und von den Problemen
erzählt, auch ich. Später sah ich nach, was die Journalisten geschrieben
haben. Erst habe ich das Foto nur auf Twitter gesehen und gedacht, es sei
für die sozialen Medien verkleinert worden. Doch auf dem großen Foto zum
Artikel war nur der Zipfel meiner Jacke zu sehen. Es war als ob ich nicht
existiere.
Wie reagierten Sie?
Ich schrieb einen Antwort-Tweet auf den Artikel mit dem Foto, nach dem
Motto: „Ich war Teil dieser Gruppe, aber sehe mich nicht auf dem Foto –
warum habt ihr mich ausgeschnitten?“ oder so ähnlich. Ganz ehrlich, ich
ahnte in dem Moment nicht, wie viral das gehen würde. Es hat mich ermutigt,
ein Video zu drehen. Aber dann bin ich live vor der Kamera zusammen
gebrochen und habe geweint. Es hat mich wirklich erschüttert.
Was haben die Verantwortlichen in der Nachrichtenagentur getan?
Ich habe eine Entschuldigung bekommen von der Chefredakteurin, von ihrem
privaten twitter-Konto. Da habe ich sie gebeten, sie auch über den
offiziellen Medienaccount von AP zu posten. [2][Am nächsten Tag kam dann
die Entschuldigung auch offiziell.] Aber sie haben mich immer noch als
„afrikanische Klimaaktivistin“ bezeichnet, statt meinen Namen zu nennen.
Ist die Klimabewegung weltweit mehr eine Sache der weißen, reichen
Europäer?
Letztlich hat das alles dazu geführt, dass wir Aktivisten in Afrika nun
unsere Stimme erheben. Als die Geschichte mit dem Foto bekannt wurde, haben
mir andere afrikanische Aktivisten erzählt, das ihnen so etwas ebenfalls
passiert ist. Auch andere wurden schon aus Fotos herausgeschnitten oder in
Artikeln zum Thema nicht zitiert. Es ist ganz klar Rassismus.
Wie sind Sie Aktivistin geworden?
Ich habe im Mai 2018 meine Vorlesungen an der Universität beendet und hatte
dann 6 Monate Zeit bis zu meinem Abschluss an der Business School. Ich habe
recherchiert, welche Hürden die Menschen hier in ihrem täglichen Leben
haben, denn ich wollte ein Projekt machen, das wirklich das Leben vieler
verändern kann. In der Schule haben wir über Klimawandel gelernt, dass er
in der Zukunft passieren wird und dass wir uns heute darüber keine Gedanken
machen müssen. Aber dann musste ich feststellen: Klimawandel passiert jetzt
schon!
Und wann haben Sie zum ersten Mal gestreikt?
Im Januar 2019, direkt nach der Abschlusszeremonie in der Universität. Es
war ein Freitag und seitdem mache ich das jeden Freitag. Ich bin in meiner
akademischen Robe mit dem eckigen Hut und meinem Plakat auf die Straße
gegangen, ganz alleine. Die Leute haben mich angeguckt als sei ich
verrückt. Auf dem Plakat stand: „Grüne Liebe, Grüner Friede – Klimastreik
JETZT – Danke für den Klimawandel“.
Hat Sie dabei jemand unterstützt?
Ich stand dort stundenlang alleine. Und auch die nächsten Freitage war ich
meist ganz allein. Erst seitdem die Sache mit dem Foto in Davos passiert
ist, unterstützen mich nun auch Leute bei den Streiks, die ich gar nicht
kenne. Wenn ich Freitags morgens auf twitter bekannt gebe, wo ich an diesem
Tag streiken werde, stehen dort schon andere Leute mit Plakaten.
Sie waren jüngst in Spanien und in New York bei Klimaprotesten. Was
erzählen Sie den Leuten auf diesen globalen Events über Uganda?
In Uganda wird mehr als ein Viertel des Bruttosozialprodukts in der
Landwirtschaft erwirtschaftet. Der Klimawandel führt dazu, dass sich die
Bauern nicht mehr auf die Regenzeiten verlassen können, und wenn es regnet,
dann ist der Regen sehr stark. In Kampala sehen wir, dass Straßen
überflutet werden, aber in manchen Gegenden des Landes führt der Regen zu
Erdrutschen und schlimmeren Überschwemmungen. In anderen Regionen dagegen
herrscht Dürre. Die Lebensmittelpreise werden mit dem Klimawandel ansteigen
und nur noch die wohlhabenden Leute können sich dann gute Lebensmittel
leisten. Es gibt heute schon Straßenkinder in Kampala, die fast alle aus
Karamoja stammen im Nordosten des Landes, wo es so trocken ist.
Warum ist die Friday for Future Bewegung in Uganda nicht so groß geworden
wie anderswo?
Für Jugendliche ist es hier viel schwieriger, aus der Schule auszubrechen,
denn wir haben hohe Sicherheitsvorkehrungen an den Schultoren. Noch dazu
drängen sich andere Probleme akut in den Vordergrund: Solange es keine
Gesundheitsversorgung gibt, kämpfen viele jeden Tag ums Überleben und
denken wenig an die Zukunft. Das ist das Problem in Afrika: Gerade die
Menschen, die ohnehin schon unter den schlechtesten Bedingungen leben,
werden vom Klimawandel am meisten betroffen sein. Ich denke, in Afrika
brauchen wir keine „Fridays for Future“ Bewegung, sondern eine, die
„Fridays for NOW“ heißt. Denn wir schauen dem Klimawandel bereits jeden Tag
ins Gesicht.
21 Feb 2020
## LINKS
[1] /Vanessa-Nakate-und-das-Foto-der-AP/!5656696
[2] https://apnews.com/6a853a81f34164ab85713e68a889976d
## AUTOREN
Simone Schlindwein
## TAGS
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