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# taz.de -- Klimakonferenz in Madrid: Emotion gegen Emission
> Auf der Klimakonferenz COP25 in Madrid prallt die Wut der Jugend auf die
> Welt der Diplomatie. Die Demonstrant*innen halten sich nicht an die
> Regeln der UNO.
Bild: Am Mittwoch in Madrid: Eine Demonstrantin ist umringt von Sicherheitskrä…
Am Mittwoch dieser Woche klingt António Guterres plötzlich wie Greta
Thunberg. Auf der Klimakonferenz COP25 in Madrid sagt der
UN-Generalsekretär: „Wir müssen 2020 liefern, was die Wissenschaft als Muss
festgeschrieben hat, oder wir und alle folgenden Generationen werden einen
unerträglichen Preis zahlen.“ Im Publikum gibt es höflichen Applaus. Vor
dem Saal wird es laut: „Klimagerechtigkeit jetzt!“, skandieren einige
Hundert BesucherInnen, vor allem aus Jugend- und Umweltgruppen.
[1][Die Demonstration ist laut und chaotisch und nicht angemeldet], die
UN-Security reagiert nervös. Auf teilweise rabiate Art drängen Polizisten
und Wachleute die DemonstrantInnen ins Freie, kesseln sie ein, eskortieren
sie vom Gelände. Erst nach einer nächtlichen Krisensitzung entscheidet die
UNO: Alle dürfen wieder rein, wenn sie sich an die Regeln halten.
Doch die Jugend hält sich nicht an die Regeln der Klimadiplomatie, weder an
die geschriebenen noch die ungeschriebenen. Schon lange ist keine COP mehr
– vor und hinter den Kulissen – so stark von formell ohnmächtigen
„Observers“ geprägt worden wie Madrid durch die „Youth for Future“: ein
paar Hundert junge Leute, die für Millionen in aller Welt auftreten, die
laut sind, direkt sprechen und mit Vorwürfen nicht sparen. Dabei geht es
auf den COPs doch um Vorsicht, Allianzen und Kompromisse. Verhandler hassen
Überraschungen. Nur eines hassen sie noch mehr: an ihre eigenen Beschlüsse,
ihr eigenes schlechtes Gewissen und den Titel der Konferenz erinnert zu
werden: „Tiempo de Actuar“ – Es ist Zeit, zu handeln.
Vanessa Nakate sitzt erschöpft auf dem grauen Teppichboden in Halle 8. Ihre
Erfahrung klingt bitter: „Wir haben mit Delegierten geredet, aber sie geben
gar keine richtige Antwort. Und alle Fragen gehen immer nur an Greta.“
Nakate kommt aus der Hauptstadt Ugandas, Kampala. Die 23-Jährige arbeitet
zu Hause bei einer Solarfirma, sie wurde von Greenpeace eingeladen, weil
sie Klimastreiks organisiert – aber in ganz kleinem Rahmen. „Wenn mehr als
drei oder vier Leute demonstrieren, kommt die Polizei mit Tränengas“, sagt
sie.
Der Klimawandel ist für sie Alltag: „Bei uns regnet es jetzt seit drei
Monaten wie verrückt, Menschen sterben, Kinder ertrinken.“ Die Konferenz?
„Alle tun hier so, als seien sie auf unserer Seite“, sagt Nakate. „Ob das
stimmt, werden wir ja an den Entscheidungen sehen.“ Für viele seien sie
„nur eine Gruppe von Teenagern, für die niemand fossile Brennstoffe
aufgibt“. Am Schluss der Konferenz wehrt sich eine Gruppe von [2][Fridays
for Future] gegen die Vereinnahmung durch die UN: „Wir sind nicht zu eurem
Vergnügen hier!“
## Die Jugend sieht sich machtlos
Luisa Neubauer von FFF, die auf der Konferenz mit Greta Thunberg auftrat,
zieht ein ähnlich bitteres Fazit: „Wir hatten die Erwartung, dass sich nach
diesem Jahr mit so vielen Demonstrationen etwas ändert. Aber wir sehen eher
Rückschritte, etwa bei den Menschenrechten, nicht mal Stagnation. Es gibt
hier weder Hoffnungsträger noch Führung. Wir haben nicht noch einmal 25
COPs, um endlich Fortschritte zu machen.“
Damit legen die „Fridays“ den Finger in die Wunde. Seit einer Generation
gibt es COPs mit Zehntausenden TeilnehmerInnen. Die Wissenschaft liefert
ein Horrorszenario nach dem nächsten. Es gibt ausgefeilte völkerrechtliche
Verträge. Und immer mehr CO2-Emissionen.
Die Jugend sieht sich machtlos. Die Verhandler sehen das anders. „Die
Stimmung in den Sitzungen hat sich verändert, die Leute hören mehr zu“,
sagt einer. Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Umweltministerium, spricht
vom Druck der Demonstranten, warnt aber vor Illusionen, dass es auf dieser
COP große Entscheidungen geben könne. Die jungen Leute müssten aufpassen,
sich nicht in „Frustschleifen“ zu verlieren.
„Wir sind auch oft enttäuscht“, sagt Franz Perrez. Der Umweltbotschafter
der Schweiz ist schon lange dabei und für seine offene Sprache bei den
Verhandlungen bekannt. „Der Druck der Jugendlichen bewirkt am meisten in
den Heimatländern, wenn dort das Verhandlungsmandat bestimmt wird.“ Auf der
UN-Ebene aber wirken andere Kräfte. Und obschon sie mit den Ergebnissen oft
unzufrieden seien, so Perrez, sei die UNO „das einzige Forum, um dieses
globale Problem global zu behandeln.“
## Zwang zum Konsens
Auch die Umweltgruppen, die den Prozess seit Jahrzehnten begleiten, sind
hin- und hergerissen. „Wir reden immer wieder darüber, wie sehr wir uns von
dem Prozess vereinnahmen lassen“, sagt eine Expertin. Jennifer Morgan,
Chefin von Greenpeace International, meint: „NGOs haben massiven Einfluss,
ohne uns wäre dieser Prozess noch viel langsamer.“ Die jungen Leuten
machten etwa in Deutschland den bitter nötigen Druck, so Morgan. Und die
UN-Regeln seien nicht vom Himmel gefallen, erinnert die Veteranin aller
COPs: „1992 hat Saudi-Arabien verhindert, dass hier mit Mehrheit abgestimmt
wird.“ Seitdem herrscht der Zwang zum Konsens. Und deshalb oft Stillstand.
Für manche Organisatoren haben sich die Umweltgruppen radikalisiert. Die
Konflikte wegen des Rauswurfs der DemonstrantInnen bei der
Guterres-Rede oder einen Streit über eine Preisverleihung der Klimagruppe
CAN hätten sie bewusst eskalieren lassen, heißt es in der UNO. „Die Regeln
waren klar, sie wussten, dass sie dagegen verstoßen.“
Diesen Widerspruch hat der Protest der Jugend in Madrid deutlich gemacht:
Die Klimadiplomatie pocht auf ihre Regeln, die einen langsamen Prozess und
minimalen Klimaschutz bringen. Aber sie einzuhalten hat die Welt dahin
gebracht, wo sie UN-Chef Guterres verortet: in den „Klimanotstand“.
13 Dec 2019
## LINKS
[1] /UN-Klimakonferenz-in-Madrid/!5645953
[2] /Ein-Jahr-Fridays-for-Future/!5645996
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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