# taz.de -- Pressegewerkschafter über Lützerath: „Angriffe auf Journalisten… | |
> Der Pressegewerkschafter Jörg Reichel kritisiert, wie die RWE-Security | |
> mit Medienvertreter*innen umgeht. Das geschehe mit Hilfe der | |
> Polizei. | |
Bild: Privat RWE Sicherheitsfirma im Einsatz in Lützerath | |
taz: Herr Reichel, Sie sind zum Zeitpunkt dieses Gesprächs unterwegs nach | |
[1][Lützerath], als Beobachter für die Pressefreiheit. Wie ist die Lage? | |
Jörg Reichel: Schon vor der Räumung wurde die Pressearbeit behindert. Es | |
gab zwei körperliche Angriffe, einmal durch RWE Security und einmal durch | |
die Polizei. [2][Seit der Räumung], Stand Mittwochmittag, gibt es vermehrt | |
Behinderungen von Pressearbeit: polizeiliche Maßnahmen gegen | |
Journalist*innen und einen Fall, wo die Polizei die Löschung von | |
Bildern verlangt hat. Selbst im öffentlichen Teil von Lützerath haben | |
Security und Polizei Journalist*innen nicht durchgelassen. Lützerath | |
ist aktuell noch über den östlichen Teil für die Presse zugänglich. Wir | |
gehen aber davon aus, dass sich das ändern wird, weil die Polizei da einen | |
Ring drum herum machen wird. | |
Wie kommt es dazu – Löschung von Bildern, tätliche Angriffe? | |
Aufseiten der RWE-Security gehen wir davon aus, dass das unausgebildete | |
Mitarbeiter sind, die denken, sie müssten Konflikte lösen, indem sie sich | |
körperlich durchsetzen gegenüber Journalist*innen. Wir hatten einen Fall, | |
wo eine Journalistin gepackt wurde, an Armen und Körper. Letzte Woche haben | |
wir von der Polizei Aachen gefordert, dass die RWE-Security die formalen | |
Voraussetzungen erfüllen muss, um dort Reihe in Reihe mit der Polizei zu | |
stehen – denn das tut RWE ja. Darauf hat dann das Polizeipräsidium nicht | |
reagiert. Zum Fall der Löschung von Bildern gibt es noch keine Erklärung | |
vonseiten der Polizei Aachen. Ich habe am Mittwoch ungefähr zehnmal mit der | |
Polizei telefoniert und auch in den letzten Tagen mehrmals täglich. | |
Der andere körperliche Übergriff, durch die Polizei, war ein typisches | |
Schlagen gegen das Handy. Das kommt bei größeren Demonstrationen relativ | |
häufig vor – dass mal ein Polizist zuschlägt, hinlangt. | |
Ist das eine spontane Überreaktion aus dem Affekt oder ist es politisch | |
gewollt? | |
Es gibt oberflächlich die Absichtserklärung, Pressefreiheit überall zu | |
gewähren. Die Polizei macht sich aber selber klein und sagt, sie handele in | |
Prokura von RWE. Das kritisieren wir. Dem Land NRW, aber auch der Polizei | |
würde es gut zu Gesicht stehen, sich rechtlich pro Pressefreiheit zu | |
positionieren und nicht [3][im Geschäftsauftrag von RWE zu handeln]. Es | |
gibt Rechtsauffassungen, die sagen: Wenn öffentliches Interesse überwiegt, | |
dann muss auch von privatem Grund aus berichtet werden. Insbesondere bei | |
der Zutrittsbehinderung an der Landstraße 12 in Lützerath gehen wir davon | |
aus, dass sie politisch gewollt ist. Da berichten auch parlamentarische | |
Beobachter, dass sie abgewehrt werden von der Polizei. | |
Sind Angriffe durch Aktivistinnen kein Risiko? | |
Nein. Wir haben bisher nur den Fall eines Flaschenwurfes, der einen | |
Fotografen getroffen hat. Der Wurf galt aber nicht dem Journalisten. Die | |
größte Unsicherheit für Journalist*innen sind unqualifizierte | |
Sicherheitsmitarbeiter von RWE und heiß gemachte Polizeieinheiten, die nach | |
ein, zwei Tagen vor Ort den Frust rauslassen. Das ist für uns eine negative | |
Bilanz für die Pressefreiheit. | |
Wie vertrauenswürdig sind vor diesem Hintergrund Pressemitteilungen von der | |
Polizei? | |
Gar nicht. Die Polizei ist nur eine Quelle neben vielen. Polizeimeldungen | |
sind kein Journalismus, sondern die einseitige Darstellung vonseiten der | |
Polizei. | |
Journalist*innen mussten einen [4][Haftungsausschluss von RWE] | |
unterschreiben, um Zutritt zu erhalten. Was hat es damit auf sich? | |
RWE will sich rechtlich absichern, sodass im Schadensfall der Journalist | |
auf ihrem Gelände die Risiken trägt und die Haftung hat. Und RWE tut so, | |
als ob sie ein natürliches Recht hätten, das von jedem Journalisten zu | |
verlangen. Das ist aber unüblich. Als es zum Beispiel Proteste auf der A | |
100 in Berlin gab, haben die Bauherren dort Journalisten aufs Gelände | |
gelassen. Es ist einfach nicht seriös, so was jemandem auf den Tisch zu | |
legen und zu sagen: Unterschreib mal, sonst kannst du nicht weiter | |
journalistisch arbeiten. | |
11 Jan 2023 | |
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[1] /Fridays-for-Future-ueber-Luetzerath/!5903446 | |
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## AUTOREN | |
Lea Fauth | |
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