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# taz.de -- Ab ins Kiezkino: Den Glanz der Großstadt retten
> Berlin lebt von seiner Subkultur. Damit die nicht verloren geht, müssen
> vor allem kleine Kinos und Konzertsäle durch Besuche unterstützt werden.
Bild: Kleine Kinos bleiben oft leer
Berlin ist dreckig und speziell im Winter, wenn einem hier alles nur noch
endlos regennass und grau vorkommt, droht einem in dieser Stadt schon mal
die Depression. Nicht einmal eine Wahl kriegen wir ordentlich hin. Und wo
andere Weltstädte wie London und Paris, mit denen wir uns doch längst auf
Augenhöhe wähnen, an jeder Ecke Prunk und Glorie verströmen, haben wir auf
diesem Sektor gerade mal eine lächerliche Stadtschlosskopie. Und immerhin
das Berghain, zu dem jeder Berlintourist pilgern muss, um diese Attraktion
wenigstens einmal von außen betrachten zu dürfen.
Berghain – dessen Nennung weist zu dem, was wir stattdessen haben und womit
wir glänzen, deutschland- und sogar weltweit: eine Kulturlandschaft in
allen nur erdenklichen Schattierungen: Die meisten und die tollsten Clubs,
eine Dichte an Kinos mit qualitativ hochwertigem Programm wie nirgendwo
sonst. Jede Band auf Deutschlandtournee tritt auch bei uns auf, ein
Theater-, Literatur oder Sonst-was-Festival jagt das andere. Die nächste
queere Location? Gleich ums Eck ist eine. Und da drüben noch eine. Sogar so
etwas wie eine Esskultur haben wir inzwischen. Wer hätte das vor ein paar
Jahren gedacht in der ewigen Stadt der Currywurstbuden?
Aber gerade scheint es mit der Kultur den Bach runterzugehen. Und Berlin
trifft diese Entwicklung ganz besonders hart. Denn wie gesagt: Mehr als
unsere Kultur haben wir ja eigentlich nicht.Die Pandemie ist kaum noch
Thema, es sollte also überall wieder kulturell total abgehen, schließlich
wollten doch alle während der tristen Coronamonate angeblich nur eins:
endlich mal wieder bei einem Livekonzert Energien spüren, [1][wieder einen
Film auf einer großen Leinwand sehen].
Stattdessen nun aber: Krisenstimmung überall. Die Schlangen vor den Clubs
sind kürzer, weil weniger Touristen in der Stadt sind. Die Theater rätseln,
wann ihr Publikum denn nun zurückkommen mag. Liegt's am Ende gar am
Programm oder haben sich die Leute einfach von der Bühnenschauspielkunst
entwöhnt?
## Die Kleinen leiden
Die Kinobranche ist ebenfalls am Jammern, weil die Zuschauer fehlen.
Zumindest der Teil, der nicht bloß Blockbuster zeigt. Die laufen nämlich,
während die kleinen Independentfilme in großer Zahl einfach untergehen. Im
Konzertbetrieb genauso: The Cure, Udo Lindenberg, die Shows der Altmeister
sind ausverkauft, obwohl die Ticketpreise inzwischen teilweise unanständig
hoch sind. Newcomer-Bands dagegen canceln ihre Tourneen, weil bereits die
Vorverkäufe zu schleppend laufen.
Bei den Großen also läuft es besser denn je, während die Kleinen darben.
Mit fatalen Folgen: Schließlich ist bei uns vor allem die [2][Subkultur]
wichtig. Wenn die zerfällt, dann wird das Berlin sicherlich nicht guttun.
Die Frage ist also: Wann wird diese Entwicklung enden – und wird sie
überhaupt enden? Wahrscheinlich nur, wenn wir die Nischenkunst neu
entdecken. Am besten, indem wir gleich heute ins nächste Kiezkino oder
Konzert gehen. Ist schön da. Und rettet nebenbei den Glanz von Berlin.
10 Jan 2023
## LINKS
[1] /Zukunft-der-Kinokultur-fraglich/!vn5854677
[2] /Subkultur/!t5044817
## AUTOREN
Andreas Hartmann
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