# taz.de -- Angst vor Sprachvorschriften: Volksini gegen Gendern geplant | |
> Die Hamburger Verwaltung und Bildungseinrichtungen sollen auf | |
> gendergerechte Sprache verzichten. Eine Volksinitiative dazu wird gerade | |
> vorbereitet. | |
Bild: Aufreger: Genderstern, hier malerisch auf eine Hauswand gesprüht | |
HAMBURG taz | [1][Gendergerechte Sprache in der öffentlichen Verwaltung,] | |
den Bildungseinrichtungen und den städtischen Unternehmen zu verhindern – | |
das ist das Ziel einer Volksinitiative, die gerade in Hamburg vorbereitet | |
wird. „Wir lehnen ‚Gendersprache‘ ab, da sie diskriminierend, | |
integrationsfeindlich und vorurteilsbeladen ist“, heißt in der Begründung | |
zu dem Aufruf. Der Text wird auf Bitten der Initiatoren gerade vom | |
Landeswahlleiter geprüft. | |
Die Praxis der Hamburger öffentlichen Stellen ist uneinheitlich. In der | |
Regel werden die männliche und die weibliche Form verwendet, manchmal das | |
Binnen-I, auch mal das Sternchen. Eine Ausnahme ist der Koaltionsvertrag | |
von SPD und Grünen, in dem 500-mal des Gendersternchen vorkommt, wie die | |
Arbeitsgruppe Gendersprache im Verein Deutsche Sprache gezählt hat. | |
„Sprechen Sie die Sprache der Bürger: korrektes, klares Deutsch“, | |
appelliert die Arbeitsgruppe an den Senat am Ende eines offenen Briefes, | |
für den Sabine Mertens verantwortlich zeichnet. | |
Mertens ist auch eine Vertrauensperson der Volksinitiative „Schluss mit | |
Gendersprache in Verwaltung und Bildung“. Darin wird der Senat aufgefordert | |
sicherzustellen, „dass die amtliche schriftliche oder elektronische | |
Kommunikation und Veröffentlichung unter Einhaltung der Regeln des ‚Rats | |
für deutsche Rechtschreibung‘ erfolgt“. Das soll auch für die öffentlich… | |
Unternehmen gelten. | |
## Parteiübergreifender Charakter? | |
Hinter der Initiative stehe keine kohärente Gruppe, sondern ein loser | |
Zusammenschluss von Leuten, die das Gendern ablehnten, sagt Mertens. Sie | |
selbst engagiere sich schon seit etlichen Jahren in dieser Sache. Mertens | |
gehört neben der Schriftstellerin Monika Maron und dem inzwischen | |
verstorbenen „Sprachpapst“ Wolf Schneider zu den Erstunterzeichnern des | |
Aufrufs „Schluss mit Gender-Unfug!“ und hat mit einer Gruppe | |
semiprominenter Frauen beim Bundestag eine Petition gegen das Gendern | |
eingereicht. | |
„Wie kann es sein, dass Politik und Verwaltung das so puschen?“, fragt | |
Mertens. Gendersprache ist für sie ein elitäres Projekt, bei dem eine | |
Minderheit so tue, als repräsentiere sie eine Mehrheit. In einer | |
[2][repräsentativen Umfrage von Infratest Dimap für die Welt am Sonntag im | |
Mai 2021 lehnten 65 Prozent der Wahlberechtigten] die Verwendung | |
gendergerechter Ausdrücke in der Öffentlichkeit sowie in den Medien ab – | |
etwas mehr noch als im Jahr davor. Selbst knapp die Hälfte der | |
Grünen-Anhänger zeigte sich ablehnend. | |
„Wir erhöhen den Druck, weil wir wissen, dass auch in den Parteien | |
Gendersprache keine Mehrheit hat“, sagt Mertens. Sie betont den | |
parteiübergreifenden Charakter ihrer Initiative, wundert sich aber, dass | |
sich keine der etablierten Parteien auf ihre Seite gestellt habe. | |
Dabei sieht Mertens Gefahr im Verzug: Beim Gendern handele sich um eine | |
identitäre Propagandasprache und einen massiven Angriff auf den | |
Sprachstandard. „Das macht eine Kultur kaputt“, warnt Mertens. | |
## Sternchen und Doppelpunkt seien unnötig | |
Hilfsmittel wie das Sternchen oder der Doppelpunkt im Wort seien unnötig, | |
denn die Gruppen, die hier mitgemeint werden sollten, würden in der | |
Hochsprache automatisch abgebildet. „Standardsprache zeichnet sich durch | |
den Gebrauch von verallgemeinernden Begriffen aus, wo | |
Merkmalsbeschreibungen wie Geschlecht, sexuelle Orientierung, Hautfarbe, | |
Glaubensbekenntnisse und Ideologien bedeutungslos sind“, heißt es in der | |
Abstimmungsvorlage. | |
Darin ist eine lange Liste weiterer Vorwürfe aufgeführt: Gendersprache | |
reduziere Menschen auf bestimmte Merkmale wie das Geschlecht. Damit sei sie | |
sexistisch und menschenfeindlich. Die Gendersprache sei widersprüchlich und | |
verunstalte die Sprache. „Sie will einerseits ‚alle Geschlechter sprachlich | |
sichtbar machen‘, andererseits geschlechtsspezifische Ausdrücke vermeiden“, | |
heißt es in der Vorlage. | |
Und weiter: Gendersprache benachteilige durch ihre Umständlichkeit | |
bildungsferne und sprachbehinderte Menschen. Sie verwische klares Denken | |
und erschwere die Verständigung. Sie spalte Worte und die Gesellschaft als | |
Ganzes. Durch das Gendern grenze sich eine vermeintlich fortschrittliche | |
Elite von den „normalen“ Menschen ab. Am Ende lenkten Diskussionen um | |
Gendersprache und Frauenquoten von den berechtigten Forderungen nach | |
sozialer Gerechtigkeit ab. | |
Die Tatsache, dass das Gendern um sich greift und Verwaltungen wie auch | |
Unternehmen dazu übergehen, kann allerdings auch als Beleg dafür gelten, | |
dass viele Mertens’ Thesen eben nicht teilen. So ist [3][Gendern zwar | |
bisher nicht in der Hamburger Verwaltung vorgeschrieben, wohl aber seit | |
2019 in Hannover], ebenso in Lübeck und für Gesetze und Vordrucke im Land | |
Brandenburg. [4][An der Hamburger Uni ist ein entsprechender Vorstoß 2019 | |
blockiert worden]. | |
Wenn der Landeswahlleiter an der Vorlage für die Volksinitiative nichts | |
auszusetzen hat, wäre der nächste Schritt für Mertens, eine | |
Unterschriftensammlung anzumelden. [5][10.000 Unterschriften brauchen sie | |
und ihre Mitstreiter, damit eine Volksinitiative offiziell zustande kommt.] | |
Übernimmt die Bürgerschaft das Anliegen nicht, kann die Initiative ein | |
Volksbegehren beantragen. | |
4 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Geschlechtliche-Selbstbestimmung/!5904503 | |
[2] https://www.infratest-dimap.de/umfragen-analysen/bundesweit/umfragen/aktuel… | |
[3] /Die-Wahrheit/!5572575 | |
[4] /Gendergerechte-Sprache-an-Uni-Hamburg/!5601099 | |
[5] https://www.hamburgische-buergerschaft.de/volksgesetzgebung/ | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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