# taz.de -- Gendern an Schulen: Ohne Punkt, Komma und Stern | |
> Seit diesem Schuljahr darf an Sachsen-Anhalts Schulen nicht mehr mit | |
> Sonderzeichen gegendert werden. Eine Anleitung zum linguistischen | |
> Widerstand. | |
Bild: Sterne sehen | |
Seit diesem Schuljahr ist das Gendern an Schulen in Sachsen-Anhalt | |
verboten. Formen wie Lehrer*in, Schüler_innen oder Busfahrer:in werden | |
im Unterricht oder in offiziellen Schreiben als Normverstöße geahndet. Aber | |
heißt das, dass nun alles wieder im generischen Maskulinum, also rein | |
männlich, geschrieben werden muss? Nein, mensch muss nur ein bisschen | |
kreativ sein. Sieben Anregungen dafür, wie sich künftig umso genüsslicher | |
rückwärts gewandten Teilen des Lehrkörpers, des Oberschulamts und der | |
Politik der sprachliche Mittelfinger zeigen lässt. | |
1. Generisches Femininum. Also immer die weibliche Form verwenden, Männer | |
sind dann eben mitgemeint. Das ist platt, plakativ – aber wahnsinnig | |
wirkungsvoll, vor allem bei reaktionären Männern und Autoritäten. | |
2. Paritätische Mischung von generischem Femininum und Maskulinum. Etwas | |
edelfederhaft, aber praktisch unkritisierbar. | |
3. Und wo bleiben die Nichtbinären? Mensch, richtig! Im Deutschen haben wir | |
eine wahre Wunderwaffe der Gerechtigkeit: Anders als etwa im Französischen | |
verschwistern sich „Ärztinnen und Ärzte“ sogar mit den verbotenen | |
„Ärzt:innen“ zu „Menschen in medizinischen Berufen“ oder werden gar zu | |
„innovativen Menschen aus den Bereichen Medizin und Wissenschaft“. | |
4. Kreativität hilft: Der „Student“ wurde schon in den 1990ern von der | |
invasiven Art der „Studierenden“, kurz „Studis“ verdrängt. Der „Sch�… | |
ist ein hartleibigeres Fossil. Auch seinem Aussterben würde aber kaum | |
jemand nachweinen, wenn stattdessen „Kinder“ in die Unterstufe gehen und | |
„jugendliche Lernende“ in die Klassenstufen ab der Siebten. | |
5. Versachlichung hilft auch: Der Gender-Leitfaden meiner Uni hat dafür | |
gesorgt, dass nun sogar ich die Formulare verstehe. Seit da nicht mehr | |
steht: „Der/die Unterzeichner/Unterzeichnerin hat den von ihm/ihr | |
eingereichten Antrag in doppelter Ausführung einzureichen“, sondern | |
schlicht: „Der unterzeichnete Antrag muss in doppelter Ausführung | |
eingereicht werden.“ | |
6. Sich den sexistischen Unterton des Genus bewusst machen. Das Deutsche | |
ist eine Genus-Sprache. Wer behauptet, das Englische könne als Vorbild | |
dienen, soll bitte ihren und seinen Doktortitel in Germanistik zurückgeben. | |
Das grammatische Geschlecht eines Nomens ist tatsächlich häufig sexistisch: | |
Oder wie kommt es, dass die meisten Wörter für schwache oder schwule Männer | |
weiblich sind, und „das Mädchen“ sächlich wie ein Stück Brot? Einen | |
18-Jährigen dagegen nennt kaum jemand ungestraft ‚Bübchen‘.“ | |
7. Das Sternchen ist tot – lang lebe das Gendern! Auch wenn Zeichen wie | |
Stern oder Doppelpunkt im Alltag superpraktisch sind: Die Poesie der | |
gerechten Sprache entfaltet sich in der Subversion. | |
8 Sep 2023 | |
## AUTOREN | |
Tina Hartmann | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten | |
Gendergerechte Sprache | |
Linguistik | |
Schule | |
Sachsen-Anhalt | |
IG | |
Kolumne Intelligenzbestie | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Gendergerechte Sprache | |
Verein Deutsche Sprache | |
Gendergerechte Sprache | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kolumne einer Künstlichen Intelligenz: Gegen jede Sprachbegrenzung | |
Markus Söder will das Gendern verbieten. Andere sind gegen solche | |
Begrenzungen und für die Freiheit. Eine Debatte voller Grips und Grütze. | |
Streit um Kleidervorschriften an Schulen: Lieber mündige Individuen | |
Der Bundeselternrat fordert angemessene Kleidung an Schulen. Die AfD dürfte | |
begeistert sein. Besser wäre es, mal die Jugendlichen selbst zu fragen. | |
Die Lobbyistin des Binnen-I: „Ich wusste kein Wort dafür“ | |
Luise F. Pusch ist die feministische Sprachwissenschaftlerin der ersten | |
Stunde. Ein Gespräch über ihr spätes Coming-out und die Vorzüge des | |
Genderns. | |
Angst vor Sprachvorschriften: Volksini gegen Gendern geplant | |
Die Hamburger Verwaltung und Bildungseinrichtungen sollen auf | |
gendergerechte Sprache verzichten. Eine Volksinitiative dazu wird gerade | |
vorbereitet. | |
Gendergerechte Sprache: Adieu, Fräulein! | |
Vor fünfzig Jahren wurde die Anrede „Fräulein“ aus dem Sprachgebrauch | |
verbannt. Ein Grundstein für gendergerechte Sprache? |