| # taz.de -- Provokation auf dem Tempelberg: Spiel mit dem Feuer | |
| > Kaum eine Woche im Amt, besucht Israels radikaler Minister Ben-Gvir den | |
| > umstrittenen Tempelberg. Eine Eskalation nimmt er damit billigend in | |
| > Kauf. | |
| Bild: Besuchte den Tempelberg: Itamar Ben-Gvir, Israels Minister für Nationale… | |
| Wer noch Hoffnung hatte, dass sich der radikale Siedlerführer Itamar | |
| Ben-Gvir als Minister zahmer geben würde, musste enttäuscht werden. Der | |
| wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung mehrfach verurteilte | |
| neue Chef im Ministerium für nationale Sicherheit setzt auf Eskalation: | |
| Nichts konnte diese Haltung klarer demonstrieren als der [1][Besuch auf dem | |
| Tempelberg] knapp eine Woche nach Amtsantritt. | |
| Natürlich ist sich Ben-Gvir der Brisanz des Tempelbergs bewusst. Im | |
| September 2000 entzündete sich die zweite Intifada, als der damalige | |
| Oppositionsführers [2][Ariel Scharon] in Begleitung eines riesigen | |
| Sicherheitsaufgebots den Tempelberg besuchte. Und auch für den Krieg im Mai | |
| 2020 spielte der Tempelberg eine zentrale Rolle. Schon damals war Ben-Gvir | |
| an der Eskalation beteiligt. | |
| [3][Regierungschef Benjamin Netanjahu] gilt nun als der Moderate dieser | |
| Regierung. Dass er Ben-Gvir nicht von seinem Besuch abgehalten hat, zeigt, | |
| wie wenig Netanjahu seine ultrarechten Koalitionspartner derzeit bremsen | |
| kann oder will. In den wenigen Tagen seit der Vereidigung der Regierung hat | |
| der ohnehin rechte Regierungsdiskurs einen weiteren großen Sprung nach weit | |
| rechts außen gemacht. | |
| Die erste Klausel der gemeinsamen Koalitionsvereinbarung schreibt das | |
| „exklusive Recht auf alle Teile des Landes“ fest – inklusive der Gebiete | |
| „Judäa und Samaria“. Judäa und Samaria sind die von der israelischen | |
| Rechten verwendeten biblischen Bezeichnungen für das palästinensische | |
| Westjordanland. | |
| ## Bahn frei für die Annexion | |
| Am vergangenen Freitag forderte die [4][Generalversammlung der Vereinten | |
| Nationen] den Internationalen Gerichtshof auf, sich mit dem rechtlichen | |
| Status der Besatzung zu befassen. Netanjahu kommentierte unmittelbar, dass | |
| das jüdische Volk kein „Besatzer in seinem eigenen Land“ sein kann. Selbst | |
| für ein feigenblattartiges Bekenntnis zu einer Zweistaatenlösung ist damit | |
| kein Platz mehr. Diskursiv wäre der Weg für eine Annexion des | |
| Westjordanlandes oder wenigstens Teilen vom palästinensischen Gebiet | |
| geebnet. | |
| Die aktuelle Lage ist denkbar fragil. Das vergangene Jahr 2022 war das | |
| blutigste seit der zweiten Intifada. Die palästinensische Autonomiebehörde | |
| steht möglicherweise kurz vor dem Zusammenbruch. Dazu kommen | |
| Sofortmaßnahmen der neuen Regierung, wie die angekündigte Zwangsräumung von | |
| über 1.000 Palästinenser*innen in Massafer Yatta, südlich von Hebron | |
| im Westjordanland. | |
| Sorge, dass eine unkontrollierte Horde von Rechtsextremen mit ihrer | |
| Expansionspolitik die Lunte zu einem Pulverfass anzünden, ist durchaus | |
| angebracht. | |
| 3 Jan 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Spannungen-in-Jerusalem/!5906722 | |
| [2] /Kommentar-zum-Tod-Ariel-Scharons/!5050998 | |
| [3] /Regierungsbildung-in-Israel/!5897407 | |
| [4] https://www.deutschlandfunk.de/uno-vollversammlung-will-besetzung-der-palae… | |
| ## AUTOREN | |
| Judith Poppe | |
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