| # taz.de -- Teuerung in Deutschland: Gute Gewinne dank Inflation | |
| > Der Anstieg der Verbraucherpreise sank im November leicht auf 10 Prozent. | |
| > Laut einer Studie nutzen Unternehmen die Teuerung, um höhere Gewinne zu | |
| > machen. | |
| Bild: Auch im Baugewerbe haben viele Unternehmen ihre Preise stärker erhöht, … | |
| Wiesbaden/Berlin reuters/dpa | Die Inflation in Deutschland hält sich trotz | |
| eines leichten Rückgangs im November hartnäckig auf hohem Niveau und | |
| erfasst immer weitere Bereiche des täglichen Lebens. Die Verbraucherpreise | |
| stiegen im November gegenüber dem Vorjahresmonat um 10 Prozent. Das | |
| Statistische Bundesamt bestätigte am Dienstag eine erste Schätzung. Im | |
| Oktober hatte die Jahresinflationsrate mit 10,4 Prozent den höchsten Stand | |
| seit etwa 70 Jahren erreicht. [1][Volkswirte sehen in der Abschwächung im | |
| November noch keinen Grund zur Entwarnung]. | |
| „Die Inflationsrate verweilt trotz leichter Entspannung bei den | |
| Energiepreisen mit 10,0 Prozent weiterhin auf einem hohen Stand“, sagte der | |
| Präsident der Wiesbadener Behörde, Georg Thiel. „Wir beobachten zunehmend | |
| auch Preisanstiege bei vielen anderen Waren neben der Energie.“ | |
| Angeschoben wird die Inflation in Europas größter Volkswirtschaft seit | |
| Monaten von hohen Energie- und Lebensmittelpreisen. Energie kostete im | |
| November 38,7 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Der Preisanstieg schwächte | |
| sich nach einem Zuwachs von 43 Prozent im Oktober damit etwas ab. | |
| Für Nahrungsmittel mussten Verbraucher 21,1 Prozent mehr zahlen als im | |
| November 2021. Seit Jahresbeginn hat sich der Preisauftrieb den Angaben | |
| zufolge hier schrittweise verstärkt. Erheblich teurer wurden binnen eines | |
| Jahres Speisefette und Speiseöle (plus 41,5 Prozent), spürbare Anstiege gab | |
| es auch bei Molkereiprodukten und Eiern (plus 34,0 Prozent), Brot und | |
| Getreideerzeugnissen (plus 21,1 Prozent) sowie Gemüse (plus 20,1 Prozent). | |
| ## EZB will gegensteuern | |
| Erstmals seit Juli schwächte sich die Jahresinflation wieder etwas ab. Im | |
| Sommer hatten zeitlich befristete Maßnahmen wie das 9-Euro-Ticket und der | |
| Tankrabatt den Preisauftrieb gedämpft. Viele Ökonomen rechneten zuletzt | |
| aber erst im Frühjahr mit einem deutlicheren Rückgang der Jahresteuerung. | |
| Bundesbankpräsident Joachim Nagel geht davon aus, dass die Inflationsrate | |
| in Deutschland auch im kommenden Jahr hoch bleibt. „Ich halte es für | |
| wahrscheinlich, dass im Jahresdurchschnitt eine 7 vor dem Komma stehen | |
| wird“, sagte er jüngst. | |
| Die Bundesregierung will die Belastungen [2][für Verbraucher und | |
| Unternehmen durch die hohen Energiepreise mit milliardenschweren | |
| Entlastungspaketen abfedern]. Dazu zählen auch die ab kommendem Jahr | |
| geplanten Gas- und Strompreisbremsen. Im Dezember gibt es eine einmalige | |
| Soforthilfe für Gas- und Fernwärmekunden. Sie müssen in diesem Monat keinen | |
| Abschlag zahlen. Die Kosten übernimmt der Bund. | |
| Teuerungsraten auf dem derzeitigen Niveau gab es im wiedervereinigten | |
| Deutschland noch nie. In den alten Bundesländern wurden Raten um die 10 | |
| Prozent und darüber Anfang der 50er Jahre gemessen. Allerdings hat sich die | |
| Berechnungsmethode im Laufe der Zeit geändert. | |
| Die Europäische Zentralbank (EZB) stemmt sich inzwischen mit einer Serie | |
| von Zinserhöhungen gegen die hohe Inflation im Euroraum. Eine weitere | |
| Anhebung wird bei der Sitzung des EZB-Rates an diesem Donnerstag erwartet. | |
| Die Währungshüter streben für den gemeinsamen Währungsraum der 19 Länder | |
| mittelfristig Preisstabilität bei einer Teuerungsrate von 2 Prozent an. In | |
| Deutschland lag der für die Geldpolitik der Notenbank maßgebliche Index | |
| HVPI im November um 11,3 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. | |
| Einer Studie zufolge nutzen einige Unternehmen die hohe Inflation zur | |
| Steigerung ihrer Gewinne aus. Höhere Preise für Energie und Vorleistungen | |
| allein erklärten nicht das Ausmaß der Inflation in Deutschland, heißt es in | |
| der am Dienstag veröffentlichten Untersuchung des Ifo-Instituts. „Vielmehr | |
| scheinen Unternehmen in einigen Wirtschaftszweigen die Preissteigerungen | |
| dazu genutzt zu haben, ihre Gewinne auszuweiten“, sagte der | |
| stellvertretende Leiter der Ifo-Niederlassung Dresden, Joachim Ragnitz. | |
| „Das gilt vor allem für den Handel, die Landwirtschaft und den Bau.“ | |
| Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert ein Einschreiten des Staates. | |
| Die Inflationsrate sei zwar nach wie vor von den direkten und indirekten | |
| Effekten der Energiepreissteigerungen getrieben. „Unterbunden werden sollte | |
| aber die Praxis von Unternehmen, ihre Profite durch Preiserhöhungen zu | |
| maximieren, die deutlich über die eigenen Kostensteigerungen hinausgehen“, | |
| sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. „Dazu braucht es eine echte | |
| Übergewinnsteuer mit Biss und ein effektiveres Wettbewerbsrecht.“ | |
| ## Ifo: Wettbewerb hilft gegen Übergewinne | |
| Das wiederum lehnt das Ifo-Institut ab. Gegen überzogene Preisanhebungen | |
| helfe nur mehr Wettbewerb, sagte Ragnitz. Verbraucher könnten auch | |
| billigere Produkte kaufen und so die Gewinninflation dämpfen. Es bestehe | |
| kein Grund für staatliche Eingriffe in die Preise. Auch eine | |
| Übergewinnsteuer sei wegen ihrer verzerrenden Wirkung auf die | |
| Knappheitssignale des Marktes weder marktkonform noch rechtssicher | |
| durchzusetzen. | |
| Da es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass hinter den Preissteigerungen | |
| Absprachen der Unternehmen stehen, seien auch kartellrechtliche Maßnahmen | |
| nicht hilfreich. Die Bekämpfung der Inflation sei vor allem eine Aufgabe | |
| der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Regierung könne zur Senkung der | |
| Inflation beitragen, indem sie auf breit angelegte Entlastungen verzichte | |
| und politische Maßnahmen auf besonders arme Haushalte beschränke. | |
| Für ihre Studie haben die Ifo-Forscher Daten der amtlichen Statistik zur | |
| Wirtschaftsleistung ausgewertet. Dabei haben die Experten Unterschiede | |
| zwischen nominaler und preisbereinigter Wertschöpfung ermittelt. Dadurch | |
| ließen sich Rückschlüsse auf Preisanhebungen ziehen, die nicht durch höhere | |
| Vorleistungskosten verursacht wurden. „Nach Corona hatten private Haushalte | |
| hohe Ersparnisse angesammelt“, sagte Ragnitz. „Diese wurden im Jahr 2022 | |
| aufgelöst und haben die Konsumnachfrage befeuert.“ Auch die | |
| milliardenschweren Entlastungen durch die Regierung dürften dazu | |
| beigetragen haben, die Nachfrage zu stützen und damit Spielräume für | |
| Preisanhebungen zu erweitern. | |
| Insbesondere in der Land- und Forstwirtschaft einschließlich Fischerei | |
| sowie im Baugewerbe und in den Branchen Handel, Gastgewerbe und Verkehr | |
| haben demnach viele Unternehmen ihre Preise deutlich stärker erhöht, als es | |
| aufgrund der gestiegenen Kosten für Vorleistungen allein zu erwarten | |
| gewesen wäre. „Einige Unternehmen scheinen den Kostenschub als Vorwand | |
| dafür zu nehmen, durch eine Erhöhung ihrer Absatzpreise auch ihre | |
| Gewinnsituation zu verbessern“, sagte Ragnitz. | |
| Landwirtschaftsbetriebe hätten zunächst wohl ihre Vorräte an Dünge- und | |
| Futtermitteln aufgebraucht, in ihrer Kalkulation aber die zu erwartenden | |
| Preissteigerungen bei Nachbestellungen bereits eingerechnet. Auf dem Bau | |
| dürften Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage zu den besonders | |
| starken Preiserhöhungen beigetragen haben. Das gelte vor allem für einige | |
| Ballungszentren. | |
| 13 Dec 2022 | |
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