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# taz.de -- Instrumentalisierte Flüchtlinge: EU will Asylrecht aufweichen
> Mehrere Staaten haben Flüchtende genutzt, um die EU unter Druck zu
> setzen. Die will sich mit einer Verordnung wehren – doch NGOs kritisieren
> das.
Bild: Kein Durchkommen: Polnische Polizisten an der Grenze zu Belarus im Novemb…
Berlin taz | Wenn Flüchtende benutzt werden, um einem EU-Staat zu schaden,
muss der sich nicht mehr an das Asylrecht halten: Das ist der Kerngedanke
einer neuen Verordnung, die die EU-Kommission vorgeschlagen hat. Am
Donnerstag stimmen die Innen- und Justizminister über den Vorschlag ab.
Staaten an den Außengrenzen sollen demnach Sonderrechte bekommen, wenn
Nachbarstaaten Flüchtlinge in feindlicher Absicht über die Grenze schleusen
– [1][so wie Belarus dies vor allem 2021] Richtung Polen getan hatte.
Unter anderem sollen EU-Staaten dann mehrere Wochen warten dürfen, bis sie
Asylanträge annehmen. Grenzpunkte dürfen geschlossen werden,
Migrant:innen fünf Monate inhaftiert werden, ohne dass ein Asylverfahren
begonnen wird. Normalerweise wäre dies in der EU nicht legal.
Die Umstände, unter denen die Mitgliedstaaten geltende Standards
entsprechend absenken dürfen, seien zu breit gefasst, kritisiert Josefine
Liebl vom europäischen Flüchtlingsrat ECRE. Sie erklärt: Regierungen
könnten schon in alltäglichen Situationen – zum Beispiel, wenn Flüchtlinge
versuchen, außerhalb der offiziellen Grenzübertritte ins Land zu gelangen –
sagen: „Wir werden instrumentalisiert und sind deshalb berechtigt, die
Menschenrechte und das geltende EU-Recht auszusetzen.“
## Strafe für Instrumentalisierte
ECRE befürchtet, dass [2][Regierungen wie die Polens oder Griechenlands]
„künftig permanent mit einer Ausnahmesituation argumentieren werden, um das
Recht zu umgehen“, führt Liebl weiter aus.
In einem offenen Brief haben sich Brot für die Welt und 34 weitere
Hilfsorganisationen gegen die Verordnung gewandt. Im Kampf gegen die
Instrumentalisierung adressiere die EU nicht die Drittstaaten, die Menschen
instrumentalisierten, sondern die Migranten, sagte Andreas Grünewald,
Referent für Migration bei Brot für die Welt, dem Evangelischen
Pressedienst. Die lange Frist bis zur verpflichtenden Registrierung
begünstige Pushbacks, „weil die Menschen offiziell noch gar nicht im Land
sind“, sagte Grünewald.
[3][Deutschlands Stimme entscheide mit darüber], ob die Verordnung
angenommen werde, schätzt Grünewald. Das selbsterklärte Ziel der
Ampel-Regierung, „illegale Zurückweisungen und das Leid an den
EU-Außengrenzen“ zu beenden, rücke mit einer Zustimmung zur Verordnung in
weite Ferne, sagte Grünewald. „Es ist wirklich sehr enttäuschend, dass die
Bundesregierung sich bisher nicht klar positioniert hat.“
Ähnlich äußert sich die Linken-Abgeordnete Clara Bünger. Sie verweist auf
eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshof aus dem Juni 2022. Demnach
dürfen die EU-Grundrechtecharta und das Asylrecht nicht mit Verweis auf
einen vermeintlichen oder tatsächlichen Notstand außer Kraft gesetzt
werden– auch nicht bei einem „massiven Zustrom von Ausländern“, wie es im
Kommissionsentwurf heißt.
Vielmehr müsse „so bald wie möglich“ Schutzsuchenden ein effektiver Zugang
zur Asylantragstellung gewährleistet werden, so das Gericht, und nicht
Wochen später. Dass die Bundesregierung sich in die Verhandlungen zur
sogenannten Instrumentalisierungsverordnung „konstruktiv“ einbringen wolle,
nennt Bünger deshalb eine „Schande“.
In den parallel laufenden Verhandlungen zum Schengener Grenzkodex habe die
Ampel sogar der verstärkten Errichtung von Mauern und Zäunen an den
EU-Außengrenzen zur Abwehr unerwünschter Migration bereits zugestimmt – das
hat eine Parlamentarische Anfrage Büngers ergeben. Von „baulicher
Befestigungen zum Schutz der Außengrenzen“, spreche demnach die Ampel.
Im Vorschlag der EU-Kommission sei hingegen klar benannt, dass es um „alle
Arten stationär postierter und mobiler Infrastruktur“ zur „Verhinderung des
illegalen Grenzübertritts“ geht, wozu auch Drohnen und Bewegungssensoren
gehören.
7 Dec 2022
## LINKS
[1] /Grenze-zwischen-Polen-und-Belarus/!5816565
[2] /Flucht-nach-Europa/!5861114
[3] /Gesetz-fuer-schnelleres-Asylverfahren/!5899898
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
EU-Kommission
Schwerpunkt Flucht
Bundesregierung
Asylsuchende
Asylpolitik
EU-Außengrenzen
Migration
Schwerpunkt Flucht
Europäische Union
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