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# taz.de -- Angriffe auf Polizisten: Gut gepflegte Opferrolle
> Die Polizei macht Politik mit der Zahl der angegriffenen Beamten. Doch
> wichtig sind die Details. Und ein notwendiger Kulturwandel in der
> Polizei.
Bild: Vorsicht Verletzungsgefahr
Berlin taz | Die Berliner Polizei pflegt eine unangenehme Tradition.
Alljährlich, kurz vor Silvester, liefert die Polizeipräsidentin der
Nachrichtenagentur dpa eine Zahl, die die – immer – zunehmende Gewalt gegen
Polizist:innen belegen soll. Ohne jeden Kontext, ohne jede
Aufschlüsselung wird die Zahl der Polizist:innen benannt, die von
Widerstandshandlungen betroffen gewesen sein sollen. Dieses Jahr angeblich
8.400 – selbstverständlich mehr als im vergangenen Jahr. Und das Echo in
den Medien ist jedes Jahr groß.
Für die Polizei ist das gut, pflegt sie damit ja ihre Opferrolle, die
wichtig ist beim ständigen Fordern nach mehr Polizist:innen, mehr
Befugnissen, mehr Waffen. Das Problem: Auf die zugrundeliegende Zahl kann
man sich nicht verlassen. [1][2019 nannte Barbara Slowik die neue
Rekordzahl 7.000 – wie Recherchen der taz ergaben, waren es letztlich aber
6.650 betroffene Polizist:innen], der zweitniedrigste Wert der
vergangenen fünf Jahre.
Selbst wenn die Zahlen stimmen, sagen sie nichts aus. Ein Polizist kann in
einer Situation Opfer gleich mehrerer Delikte werden; auch zählt jede
Beleidigung als Widerstandshandlung, mitnichten nur körperliche Angriffe.
Eine Aufschlüsselung der Zahlen reicht die Polizei irgendwann später nach –
nur interessiert es dann kaum noch jemanden.
Slowik kommentierte die Zahl dieses Jahr eher zurückhaltend mit einer
„zunehmenden Respektlosigkeit“ gegenüber Polizist:innen. Ein bisschen
klingt das, als hätte man inzwischen abgerüstet, weil man den neuen
Rekordzahlen selbst nicht ganz glaubt – oder damit rechnet, dass andere
genauer hinschauen. Respekt ist trotzdem das richtige Thema. Respekt
bekommt nur der, der sich selbst respektvoll verhält. Und das tut die
Polizei nicht immer.
## Mehr als Einzelfälle
Ein willkürliches Beispiel: U-Bahnhof Rosenthaler Platz; ein offensichtlich
berauschter Mann in Zivilkleidung prügelt mit seiner Waffe auf einen
verwirrten psychisch kranken Mann ein, bis dieser blutüberströmt zu Boden
geht. Als Passant:innen dem Opfer zu Hilfe kommen wollen, gibt sich der
Mann als Polizist zu erkennen und richtet die Waffe auf die Umstehenden.
Alarmierte Polizeikräfte eilen hinzu, prügeln ebenfalls auf das am Boden
liegende Opfer ein und nehmen es mit. Den Polizist in Zivil lassen sie
laufen, ohne Alkohol- oder Drogentest, stattdessen verfolgen sie einen
jungen Schwarzen Mann, der die Szene gefilmt hat und der gerade so
entkommen kann.
Ein Einzelfall, sicher, aber ein exemplarischer. Exzessive Polizeigewalt,
ob gegen psychisch Kranke, Migrant:innen oder politische
Aktivist:innen wird häufig – zumindest im Nachhinein – mit
vermeintlichem Widerstand begründet. Auch so geht die Statistik der
angegriffenen Beamten nach oben. Zum Kontext der Zahl gehört also auch der
mangelnde Respekt, manchmal auch der Rassismus, mit dem Polizeibeamte ihrem
Gegenüber entgegentreten.
Ein vom LKA erstellter neuer Leitfaden für die Berliner Polizei, der zum
Missfallen der B.Z. von der Verwendung rassistischer Begriffe wie
„Südländer“, „Zigeuner“ oder „Farbiger“ abrät, hilft den
Hauptstadtbeamt*innen in dieser Hinsicht hoffentlich künftig weiter.
28 Dec 2022
## LINKS
[1] /Fragwuerdige-Polizeistatistik/!5656730
## AUTOREN
Erik Peter
Marie Frank
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Barbara Slowik
Polizei
Polizeigewalt
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