# taz.de -- Menschenrechtlerin über Afghanistan: „Humanitäre Hilfe kein Dru… | |
> Frauen dürfen in Afghanistan nicht mehr studieren. Die afghanische | |
> Menschenrechtlerin Shaharzad Akbar spricht über mögliche Reaktionen auf | |
> die Unterdrückung. | |
Bild: Universität Kabul: Noch am 13. Oktober standen Frauen Schlange, um ihre … | |
taz: Frau Akbar, wie erklären Sie sich das jetzige Timing des Univerbots | |
für Frauen? | |
Shaharzad Akbar: Das Univerbot für Frauen wurde schon einige Zeit | |
diskutiert, Aktivistinnen hatten schon länger Alarm geschlagen. Trotzdem | |
sind wir geschockt. Aber es ist auffällig, dass die Taliban am gleichen Tag | |
zwei US-Bürger aus der Gefangenschaft freigelassen haben. Das ist eine | |
Ironie: Zwei Menschen bekommen die Freiheit, während Millionen afghanischer | |
Frauen unter Hausarrest gestellt werden. | |
Verbirgt sich hinter dem Univerbot für Frauen ein Machtkampf, also der | |
Versuch von Taliban-Hardlinern sich durchzusetzen? | |
Schon seit der Machtübernahme am 15. August 2021 sehen wir einen Bruch | |
gemachter Zusagen und eine Erosion der Menschenrechte. Die repressiveren | |
Kräfte haben sich jetzt durchgesetzt. | |
Die Taliban hatten sich zunächst wohl auch deshalb mehr zurückgehalten, | |
weil sie auf internationale Anerkennung ihres Regimes gehofft hatten. Das | |
ist nicht erfolgt. War es ein Fehler, sie nicht anzuerkennen, weil man | |
jetzt weniger Sanktionsmöglichkeiten hat? | |
Absolut nicht, es wäre ein schwerer Fehler gewesen, das Regime ohne | |
Garantien für Menschen- und Frauenrechte anzuerkennen. Die Taliban hatten | |
bei den Gesprächen mit den USA in Doha den Eindruck gewonnen, dass sie sich | |
nicht bewegen müssen, weil sie ohnehin bekommen, was sie wollen. Wäre ihr | |
Regime bald anerkannt worden, hätte das genau diesen Eindruck bestätigt. | |
Die Taliban hatten bereits den Sekundarschulbesuch von Mädchen verboten, | |
aber nicht landesweit durchsetzen können, weil sich manche Distrikte | |
erfolgreich dagegen gewehrt haben. Ist das beim Univerbot für Frauen auch | |
denkbar? | |
Das Univerbot landesweit durchzusetzen wird für die Taliban leichter sein, | |
auch weil die Zahl der Hochschulen viel niedriger ist. Auch bei | |
Sekundarschulen konnte das Verbot inzwischen landesweit durchgesetzt | |
werden, die Ausnahmen betrafen nur wenige Provinzen. Es gibt aber | |
Widerstand, so kündigen bereits einige Professoren, und mancherorts sind | |
auch männliche Studenten in den Streik getreten. | |
Welche Strategien sind am aussichtsreichsten, um das Verbot zu verhindern? | |
Es braucht eine Kombination aus lokalem Widerstand und internationalem | |
Druck. [1][Leider hat sich der Raum für Widerstand in Afghanistan stark | |
verkleinert.] Sagt man nur ein kritisches Wort, droht Gefangennahme und | |
Folter. Ohne Unterstützung von außen geht es also nicht, vor allem aus | |
islamischen Ländern und religiösen Vereinigungen. Und leider gibt es kaum | |
Visa und Stipendien für afghanische Frauen aus anderen Ländern. Deutschland | |
hat sich noch etwas mehr engagiert, aber andere Länder wollen von der | |
Unterstützung für afghanische Frauen nichts wissen. | |
In Iran gibt es seit drei Monaten Massenproteste und dabei spielen Frauen | |
eine zentrale Rolle. Sehen Sie Parallelen? | |
Der Widerstand in Iran ist sehr ermutigend. Es gibt aber auch große | |
Unterschiede zwischen den beiden Ländern. Auch wenn die Unterdrückung der | |
Frauen ähnlich ist, reagieren westliche Länder ganz anders darauf. | |
Im Westen ist das Interesse an Iran größer? | |
Ja. Im Westen gilt Afghanistan als peinliche Niederlage, an die man nicht | |
erinnert werden möchte, während die Proteste in Iran als Chance gelten, das | |
dortige Regime stärker unter Druck zu setzen. | |
Wie sollte sich die internationale Gemeinschaft gegenüber den Taliban | |
verhalten? Die humanitäre Hilfe weiter kürzen? | |
Auf keinen Fall, sie muss erhöht werden. Afghanen dürfen nicht ausgehungert | |
werden, deshalb müssen alle wirtschaftlichen Sanktionen dahingehend | |
überprüft werden, wie das Leid der normalen Bevölkerung gemildert werden | |
kann. Humanitäre Hilfe sollte nicht als Druckmittel eingesetzt werden. | |
22 Dec 2022 | |
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## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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