# taz.de -- Frauenrechte in Afghanistan: Welle der Festnahmen | |
> In Afghanistan gehen die Taliban immer härter gegen Frauen vor. Wer | |
> protestiert, wird festgenommen, der Zugang zu Bildung weiter | |
> eingeschränkt. | |
Bild: Vergnügungspark in Kabul: Für Frauen inzwischen verboten | |
BERLIN taz | Eine neue Welle von Repressalien rollt durch Afghanistan. Am | |
Donnerstag nahmen Taliban-Sicherheitskräfte die Aktivistin Farhat Popalsai | |
fest. Das ist bereits die sechste Festnahme im Zusammenhang mit einer | |
Pressekonferenz am vorigen Donnerstag im Westkabuler Stadtteil Dascht-e | |
Bartschi, bei der junge Afghan:innen die Gründung einer zivilen | |
Oppositionsbewegung bekanntgaben, der „Bewegung der Frauen Afghanistans für | |
Gleichheit“. Popalsai managte deren Konten in sozialen Medien. | |
Bewaffnete Taliban stürmten die Veranstaltung, als die Anwesenden gerade | |
symbolisch ein grünes Band durchschnitten hatten. Sie nahmen eine Frau, | |
Sarifa Jakubi, und vier Männer fest. | |
Jakubi war bereits mehrmals führend an Straßenprotesten in der afghanischen | |
Hauptstadt beteiligt. Zuletzt war das am Montag zuvor, als sich in einem | |
Kabuler Park arbeitslose ehemalige Mitarbeiterinnen von | |
Regierungseinrichtungen versammelten, um für ihr Recht auf Arbeit zu | |
demonstrieren. | |
Taliban zerstreuten den Protest, hinderten Journalisten an der | |
Berichterstattung darüber und führten die Reporterinnen auf ein nahes | |
Polizeireview ab, wo sie unterschreiben mussten, künftig nicht mehr über | |
Proteste zu berichten. | |
## Harsche Reaktion der Taliban auf die organisierten Frauen | |
Ähnlich lief es nach der Pressekonferenz von Jakubis Organisation: | |
Teilnehmer:innen seien laut afghanischen Exilmedien geschlagen und | |
ihnen die Mobiltelefone abgenommen worden. Am nächsten Tag sollten sie mit | |
männlichen Angehörigen die Handys in einem Geheimdienstbüro wieder abholen. | |
Die UN-Mission in Afghanistan bestätigte den Vorfall und forderte von den | |
Taliban-Behörden Aufklärung über den Verbleib der Verhafteten. Bisher blieb | |
die Anfrage jedoch ohne Antwort, und die Taliban berichteten bislang nicht | |
über diese Vorfälle. | |
Die harsche Reaktion der Taliban auf diese Aktion hat wohl zwei Gründe. Zum | |
einen meldete sich damit zum ersten Mal im Land eine organisierte Gruppe zu | |
Wort, die gegen ihr Regime protestiert. | |
Zum zweiten wird die Gruppe von einer inzwischen aus dem Exil agierenden | |
politischen Partei unterstützt, der Bewegung Welle der Veränderung, die | |
bereits 2013 in Afghanistan von der damaligen Parlamentsabgeordneten Fausia | |
Kufi gegründet worden war. Kufi und die Partei bekannten sich nach den | |
Festnahmen zu der Aktion und gaben an, Jakubi gehöre zu deren Führungsrat. | |
Kufi selbst ist in den eigenen Reihen nicht unumstritten: Viele | |
Frauenrechtlerinnen liegen mit ihr über Kreuz, da sie zu unabgesprochenen | |
Alleingängen neigt. | |
## Weder Park noch Auditorium | |
Schon Ende Oktober zogen in Kabul [1][Schülerinnen], Mütter und Lehrerinnen | |
vor drei Schulen, um symbolisch Einlass zu begehren. Sie trugen Schilder | |
mit dem in sozialen Medien trendenden Slogan „Unterricht ohne Angst“ (dars | |
bedun-e tars), der auf einen Aufruf des im Exil lebenden afghanischen | |
Sängers Farhad Darja zurückgeht. | |
In Faisabad, Hauptstadt der Nordost-Provinz Badachschan, protestierten | |
Studentinnen dagegen, dass die Taliban-Moralpolizei Amr bi-l-Maruf einigen | |
von ihnen den Zugang zum Campus verwehrte, weil sie Covidmasken statt des | |
vorgeschriebenen Gesichtsschleiers trugen. | |
Die Taliban schlugen nun zurück. Seit Donnerstag dürfen Frauen keine | |
Fitnessstudios und öffentlichen Parks mehr besuchen. Letzteres war schon | |
zuvor auf einen Tag pro Woche begrenzt. Sie begründeten das neue Verbot | |
damit, dass Frauen und Männer trotzdem gemeinsam Parks besucht hätten. | |
Ausnahmen für Familien gab es nicht. | |
Mitte Oktober wurde bekannt, dass die Taliban die für [2][Studentinnen] zur | |
Auswahl stehenden Fachrichtungen begrenzt haben. Nach einer BBC-Recherche | |
sind ihnen landesweit die Fakultäten für Landwirtschaft, Veterinärmedizin, | |
Ingenieurwissenschaften und Wirtschaft verschlossen. Journalismus wird | |
Frauen nur an wenigen Universitäten wie in Kabul angeboten. | |
Nur die Fächer Medizin und Krankenpflege, Lehramt und Islamische Studien | |
stünden weiblichen Studierenden noch überall offen. Ein Sprecher des | |
Taliban-Hochschulministeriums erklärte, die Universitäten könnten über das | |
Angebot selbst entscheiden. | |
Die oppositionelle Onlinezeitung Hascht-e Sobh berichtete aber unter Bezug | |
auf eine Quelle in dem Ministerium, im Oktober sei eine Delegation in die | |
Provinzen gereist und habe die Universitäten diesbezüglich angewiesen. | |
Nun gibt es sogar – bisher unbestätigte – Gerüchte, die Taliban wollten | |
nach dem jetzigen Semester die Universitäten generell für Frauen schließen. | |
10 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Thomas Ruttig | |
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