# taz.de -- Rasmus Andresen zur Übergewinnsteuer: „Zähne zeigen bei Verteil… | |
> Der Bundestag hat die Übergewinnsteuer für den Energiesektor beschlossen. | |
> Dem grünen EU-Abgeordneten Rasmus Andresen geht das nicht weit genug. | |
Bild: Im deutschen Steuersystem gibt es zu viele Schlupflöcher, bemängelt Ras… | |
taz: Der Bundestag hat heute mit dem Jahressteuergesetz eine | |
Übergewinnsteuer beschlossen für Unternehmen der Erdöl-, Erdgas-, Kohle- | |
und Raffineriewirtschaft, deren Gewinne im Vergleich zu den Vorjahren den | |
Durchschnitt von 20% übersteigen. Der Anstoß dafür kam durch eine | |
EU-Verordnung zur Einführung eines Energiekrisenbeitrags. Wie ordnen Sie | |
[1][die heute beschlossene Übergewinnsteuer] ein? | |
Rasmus Andresen: Zunächst mal ist es gut, dass in dem Bereich überhaupt | |
etwas passiert. Dafür, dass fossile Konzerne wie Shell besteuert werden, | |
die in diesem Jahr teilweise das Fünffache an Gewinnen machen im Vergleich | |
zum Vorjahr, haben wir Grüne im Europäischen Parlament lange gekämpft. | |
Gleichzeitig gibt es große Spielräume für die Mitgliedstaaten diese Steuer | |
umzusetzen und damit auch viele Schlupflöcher. Der Beschluss des | |
Bundestages bleibt aber leider hinter dem zurück, was nötig wäre und auch | |
laut EU-Verordnung möglich ist. | |
Können Sie das konkretisieren? Wie sehen diese Schlupflöcher aus? | |
Um ein Beispiel zu nennen: Der Beschluss, den der Bundestag heute gefasst | |
hat, orientiert sich [2][an dem Mindeststeuersatz von 33%], der auf | |
europäischer Ebene festgelegt wurde. Ich bin der Meinung, dass ein | |
Steuersatz zwischen 60 und 70% möglich gewesen wäre, um genug Aufkommen zu | |
generieren. Das könnte wiederrum in soziale Entlastungspakete fließen, die | |
gerade dringend benötigt werden. Die großen fossilen Konzerne nur mit 33% | |
zu besteuern, ist deutlich zu gering. Neben dem Steuersatz bleibt die Frage | |
der Bemessungsgrundlage. Oder konkreter: Welche Möglichkeiten gibt es für | |
Konzerne wie Shell und andere, ihre Gewinne künstlich klein zu rechnen und | |
in andere Staaten zu verlagern? Da ist der neue Beschluss des Bundestages | |
sehr löchig. Man hätte die Umsätze als Bemessungsgrundlage wählen können, | |
anstatt die Gewinne. Die Verschiebung in andere Staaten wäre damit | |
steuerrechtlich deutlich komplizierter. [3][Dazu war die FDP, vor allem | |
Finanzminister Christian Lindner, nicht bereit]. Und das ärgert uns. | |
In Deutschland müssen die Unternehmen ihre Gewinne selbst berechnen und | |
melden, weil der Bund keinen Zugriff auf die Daten der Länder hat. So ist | |
eine Prüfung der Behörden unmöglich. Wie kann das sein? | |
Ja, das ist eine gute Frage. Da sieht man, welche Lücken wir auch in | |
unserem Steuerrecht und in unserem Steuersystem haben. Um so einer | |
Abhängigkeit entgegenzuwirken, braucht es auf allen Ebenen einen | |
einfacheren staatlichen Zugang zu Daten, um zu verhindern, dass Unternehmen | |
sich künstlich arm rechnen. Das geht weit über Energiekonzerne hinaus und | |
betrifft letztlich eben auch andere Steuerfragen. Das ist ein großes | |
Problem. | |
Die Grünen sind mitunter für diesen Entwurf verantwortlich. Wie konnte es | |
dazu kommen, dass nur der Mindeststeuersatz von 33% beschlossen wurde? | |
Unsere Leute haben intern sehr stark gekämpft, aber konnten sich in dem | |
Punkt nicht gegen die Blockade von Christian Lindner nicht durchsetzen. Das | |
bedauern wir sehr, so ist das aber in einer Koalition. Wichtig ist, dass | |
gerade in den Bereichen, die in unserer Verantwortung liegen, zukünftig | |
auch geliefert wird und dass wir dort gezielt gegen Schlupflöcher vorgehen. | |
Bezüglich der fossilen Energiekonzerne ist es uns Grünen, auch in der | |
Bundesregierung, gelungen, die EU-Kommission dazu zu bringen, überhaupt | |
etwas vorzulegen. Aber in der konkreten Ausgestaltung ist ein Kompromiss | |
gemacht worden, der uns nicht ausreicht. | |
Das hört man in letzter Zeit oft von Ihrer Partei. Es ist immer die FDP, | |
die etwas blockiert. Aber müssten die Grünen im Kabinett in solchen Fällen | |
nicht stärker dagegenhalten und sich gegen ihren Koalitionspartner | |
durchsetzen? | |
Natürlich wünsche ich mir, dass wir bei Verteilungsfragen auch Zähne zeigen | |
in der Koalition. Doch in der Demokratie braucht man Mehrheiten und wir | |
haben nun mal leider keine links-grüne Mehrheit im Bundestag, sondern sind | |
auf eine Kooperation angewiesen mit einer liberalen Partei, die in | |
ökonomischen Fragen sehr weit rechts steht. Zusätzlich haben wir einen | |
Bundeskanzler, der bei solchen Fragen nicht hilfreich ist. Aber klar, | |
gerade bei dem Thema Übergewinnsteuer hätte ich mir von meiner Partei | |
gewünscht, dass Fragen vielleicht etwas schärfer gestellt worden wären. | |
Gibt es Länder, die es besser machen als Deutschland? | |
Tschechien hat einen Steuersatz von 60 % beschlossen, was auf jeden Fall | |
deutlich besser ist als das, was jetzt im Deutschen Bundestag gerade | |
beschlossen wurde. Spanien hat das Ganze nicht nur für den Energiebereich | |
beschlossen, sondern beispielsweise auch für Banken. Das ist in Deutschland | |
nicht passiert, könnte aber ein weiterer Schritt sein. Österreich ist im | |
Steuersatz immerhin bei 40%. Außerdem zahlen Unternehmen weniger Steuern, | |
wenn sie nachweisen können, dass sie in erneuerbare Energien stärker | |
investieren. Österreich setzt somit Anreize für grüne Investitionen, die | |
wir dringend brauchen in der jetzigen Zeit, in der viel zu wenig auf | |
europäischer Ebene passiert. Das sind andere Modelle, die in Deutschland | |
weiter diskutiert werden sollten. Das Thema ist mit der Abstimmung heute | |
nicht beendet. | |
Glauben Sie, dass die Debatte weitergeführt wird in Deutschland – auch nach | |
dem heutigen Beschluss? | |
Sie darf auf keinen Fall beendet sein, weil sich die Frage von | |
unverhältnismäßigen Gewinnen bei großen Konzernen, aber auch bei Banken | |
weiterhin stellt. Die EU, und insbesondere Deutschland, steuert in eine | |
tiefe Rezession. Wir werden noch über viel gravierendere | |
[4][Verteilungsfragen] diskutieren als im letzten Jahr. Wir müssen dafür | |
sorgen, dass unsere Gesellschaft nicht immer weiter auseinanderdriftet und | |
wir müssen sicherstellen, dass wir genug Geld haben, um in | |
Zukunftsbereichen zu investieren. Dafür brauchen wir eine höhere | |
Besteuerung von großen Unternehmen. Deshalb glaube ich, dass das jetzt nur | |
ein Vorgeschmack dessen ist, was nächstes Jahr auch noch diskutiert wird. | |
[5][Denn die Notwendigkeit ist da]. | |
2 Dec 2022 | |
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## AUTOREN | |
Paula Gaess | |
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