# taz.de -- Hannovers Kinovergangenheit: Die Stadt der deutschen Stars | |
> Das Buch „Premierenfieber“ und eine gleichnamige Ausstellung erinnern | |
> daran: Hannover war in den 1950er-Jahren Deutschlands Kinometropole. | |
Bild: Hannover, Georgstraße, kurz nach 16 Uhr: Zarah Leander ist ihrem weißen… | |
Hamburg taz | Hannover ist zwar Landeshauptstadt, aber keine Metropole. Das | |
war einmal anders. Hannover war einmal die „Welturauführungsstadt“ | |
Deutschlands für Filme. Zwischen 1950 und 1957 herrschte hier [1][echtes | |
Premierenfieber:] 100 Uraufführungen gab es hier – mehr als in Berlin, | |
München, und erst recht Hamburg. „Premierenfieber“ heißt daher auch die | |
Ausstellung, die an diese glamouröse Ära erinnert. | |
Vor allem deutsche Kinostars wurden damals bejubelt. In den Zeitungen wurde | |
bekanntgegeben, zu welcher Uhrzeit und mit welchem Zug sie in Hannover | |
ankamen, und so kam es zu Massenaufläufen, die für die berühmten Gäste | |
sogar gefährlich werden konnten. | |
Als Hans Albers 1952 „Blaubart“ im Prunkkino „Weltspiele“ vorstellte, g… | |
es davor ein „lebensgefährliches Gedränge auf Bahnsteig und Vorplatz, die | |
Polizeiabsperrung reichte nicht aus, nur rechtzeitige Flucht konnte Albers | |
vor dem Erdrücktwerden retten“, heißt es im Premierenbuch des Kinos. | |
Dieses hat Peter Struck gefunden, der Co-Kurator und Autor des Sachbuchs | |
„Preminerenfieber“, das den Anstoß zur Ausstellung gegeben hat: In der | |
präsentiert er diese Reliquie zusammen mit vielen „Wimmelbildern“. | |
## Tausende füllten den Bahnhof | |
So nennt er die Fotos solcher Zusammentreffen von den Stars und ihren Fans, | |
die zu Verkehrsstaus führten: „Selbst bei den größten Staatsempfängen war | |
so etwas noch nie da. Tausende und Abertausende füllten den Bahnhof und | |
umlagerten die Eingänge der Theater. Die Polizei (60 Mann) war einfach | |
machtlos – der Straßenverkehr musste umgeleitet werden“, heißt es im | |
Premierenbuch zu „Johannes und die 13 Schönheitsköniginnen“, den die | |
Hauptdarsteller*innen Rudolf Prack und Grethe Weiser vorstellten. | |
Weiser wurde dabei besonders bedrängt und gefeiert: Sie ist in Hannover | |
geboren, wie auch Gustav Fröhlich, Theo Lingen und Dieter Borsche. Heinz | |
Ehrhardt hatte als Kind immerhin fünf Jahre in Wennigsen und in | |
Barsinghausen verbracht: Auch seine Filme wurden zuerst in Hannover | |
gezeigt. | |
Dafür gab es aber auch noch einen anderen Grund: Seine frühen Komödien wie | |
„Drillinge an Bord“ waren, so wie viele Filme der frühen Nachkriegszeit, in | |
Niedersachsen gedreht worden. Die Erhardt-Produktionen in den Studios des | |
„Atelier Göttingen“, andere in [2][Bendestorf in der Lüneburger Heide]. | |
Nach dem Krieg ging es darum, die Vormachtstellung der Berliner Ufa zu | |
zerschlagen. Das hatte zur Gründung dieser zwei kleinen Studios in der | |
britischen Zone geführt. In Bendestorf entstanden der [3][Skandalfilm „Die | |
Sünderin“] mit Hildegard Knef und viel später [4][„How I won the war“] … | |
Richard Lester mit John Lennon. | |
## Vergessene nationale Größen | |
Der wurde allerdings nicht mehr in Hannover von den Fans bejubelt: Die Zeit | |
der feierlichen Kinopremieren war dort 1968 längst vorbei. Aber auch in | |
ihren besten Jahren kamen nur wenige internationale Stars in die Stadt. | |
Um so wilder wurden dagegen die heute eher vergessenen nationalen Größen | |
Vico Torriani, Marika Röck und [5][Zarah Leander] gefeiert. Die Bilder, in | |
denen sie von Menschenmassen umdrängt werden, sind die unterhaltsamsten | |
Exponate der Ausstellung. Die meisten von ihnen hat der damalige Fotograf | |
der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, Wilhelm Hauschild, gemacht. | |
Kulturwissenschaftler Struck ist sehr an Architektur interessiert, und das | |
prägt sowohl sein Buch als auch die Ausstellung. So hängen Originalentwürfe | |
und Baupläne von Kinobauten an der Wand, ganz verzichtet wurde darauf, die | |
Filme genauer vorzustellen, die dort so gefeiert wurden. | |
Immerhin gibt es in der Ausstellung zwei kleine, durch Vorhänge abgegrenzte | |
„Kinosäle“, in denen in Endlosschleife Trailer zu Werken wie „Grün ist … | |
Heide“, „Der Tag vor der Hochzeit“ und „Hilfe, ich bin unsichtbar“ mi… | |
Lingen laufen. Außerdem stellt das Kino im Künstlerhaus einige der | |
historischen Filme vor. Allerdings stand laut Struck der „Rummel um diese | |
Filme oft im diametralen Verhältnis zu ihren künstlerischen Qualitäten“. Er | |
betont, Hannover sei mit 52 Kinos 1958 „keine Film-, aber eine Kinostadt“ | |
gewesen. Dieses Phänomen hat er in dreijähriger Recherchearbeit untersucht. | |
Dem wird die etwas lieblos wirkende Ausstellung nicht gerecht: Struck | |
konnte sein Konzept nur sehr bedingt durchsetzen. In drei Räumen gibt es | |
viel „Flachware“, also Plakate und Fotos. Es mangelt an dreidimensionalen | |
Objekten: Ein paar Kleider, Gebrauchsgegenstände und Möbel wurden aus dem | |
Depot geholt, um Zeitkolorit zu vermitteln. Dazu gibt’s fünf Vitrinen mit | |
filmbezogenen Objekten – aber das war’s denn auch. | |
26 Dec 2022 | |
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## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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