| # taz.de -- Kinotipp der Woche: Die Zeit danach | |
| > Die kleine Reihe „77. Jahre Kriegsende in Berlin“ im Kino Krokodil zeigt | |
| > Filme und Wochenschauen der frühen Nachkriegszeit in Ost und West. | |
| Bild: „Irgendwo in Berlin“ (1946), Regie: Gerhard Lamprecht | |
| Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs: zwei Männer in ausgemusterten | |
| Uniformen schlachten frierend ein Auto aus. Auf der Windschutzscheibe | |
| entdecken sie eine Reihe Zahlen, die sie für eine Telefonnummer halten: | |
| „30133“. Ein Moment, der das Auto zum Sprechen bringt. Sieben Geschichten | |
| der Zeit „In jenen Tagen“, dem Nationalsozialismus. | |
| Die Zahlen stehen für einen romantischen Moment, in einer scheinbar | |
| privaten Beziehung. Ein Mann muss weg. Er bittet eine junge Frau, mit ihm | |
| zu kommen. Die junge Frau will zu einem anderen Mann. Die Wege der beiden | |
| trennen sich. | |
| Erst als der andere Mann mit der Frau im Auto sitzt, das Auto in Berlin | |
| Mitte im Menschengewimmel vor dem Fackelmarsch der Nazis zur | |
| Machtübertragung an Hitler am 30.1.1933 feststeckt, versteht die Frau, | |
| warum der Mann weg musste und entscheidet sich, ihm zu folgen. | |
| Helmut Käutners „In jenen Tagen“ ist ein Solitär des frühen deutschen | |
| Nachkriegskinos. Eine eher bieder umgesetzte Rahmenhandlung umgibt die | |
| Episoden des Films, die in seltener Offenheit das Leben im NS und die | |
| Repression aufgreifen: die Verfolgung von Künstler_innen, die Verfolgung | |
| von Jüd_innen, das Leben im Widerstand, der Krieg. | |
| Käutners Film eröffnet am Freitag eine kleine Filmreihe, mit der das Kino | |
| Krokodil „[1][77. Jahre Kriegsende in Berlin]“ feiert. Zusammengestellt | |
| wurde die Reihe von Torsten Ingmar Gareis. | |
| Gerhard Lamprechts „Irgendwo in Berlin“ blickt von den Dächern Berlins | |
| herab auf einen Markt. Ein Diebstahl bringt die Handlung des Films ins | |
| Laufen. Eine Gruppe Kinder, die zwischen Ruinen unermüdlich Krieg spielt, | |
| Erwachsene, die versuchen, die Provisorien zu verlängern, bis ein neues | |
| Leben aufgebaut ist. | |
| Als der Vater eines der Kinder aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrt, | |
| bittet seine Frau den Schneider, den Anzug aus der Zeit vor dem Krieg zwar | |
| anzupassen, aber etwas Stoff in den Nähten zu lassen. „Falls er wieder | |
| zunimmt.“ Anders als Käutners Film bleibt Lamprecht ganz im hier und jetzt | |
| der Nachkriegszeit, ohne den Krieg und die Politik, die zu ihm führte, | |
| konkret zu thematisieren. | |
| Als dritter und letzter Film der Reihe läuft am Sonntag Carol Reeds | |
| Ost-West-Spionagefilm „The Man Between“ („Gefährlicher Urlaub“) von 19… | |
| Reeds Film ist der einzige der drei, der nach Beginn des Kalten Kriegs | |
| zurückblickt auf die direkte Nachkriegszeit. | |
| Susanne Mallison, eine junge Britin, fliegt nach Kriegsende nach Berlin, um | |
| ihren Bruder zu besuchen. Der Bruder arbeitet bei der britischen Armee, | |
| leitet ein Flüchtlingslager und ist mit einer Deutschen verheiratet. Schon | |
| bald bekommt Mallison den Eindruck, dass Bettina, die Frau ihres Bruders, | |
| etwas verheimlicht. | |
| Ohne es zu wissen ist Mallison in ein Geflecht von Machenschaften zwischen | |
| Ost- und Westberlin geraten. Im Kern der Machenschaften steht der Versuch | |
| unliebsame Akteure aus dem Westteil in den Ostteil Berlins zu verschleppen. | |
| Reed hat den Roman „Susanne in Berlin“ des damaligen Leiters der | |
| Justizpressestelle Walter Ebert als dichten Thriller verfilmt. | |
| Die drei Filme der Reihe nähern sich in sehr unterschiedlichen Formen | |
| Lebensrealitäten am Ende des Zweiten Weltkriegs. Alle drei Filme werden | |
| umspielt von ergänzendem Material aus Wochenschauen und Kulturfilmen der | |
| Zeit. Vor Carol Reeds „The Man Between“ laufen zudem Ausschnitte eines | |
| Propagandafilms des Ministerium für Staatssicherheit, in dem die Bekämpfung | |
| westlicher „Agitatoren“ gezeigt wird. | |
| „77. Jahre Kriegsende in Berlin“ zeigt den Übergang von der Nachkriegszeit | |
| in die Nachkriegsordnung des Kalten Krieges. Die Reihe war ursprünglich für | |
| den 75. Jahrestag des Kriegsendes vor zwei Jahren geplant. Pandemiebedingt | |
| wird die Reihe erst jetzt – unter den veränderten Vorzeichen des russischen | |
| Kriegs gegen die Ukraine – nachgeholt. | |
| 4 May 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Fabian Tietke | |
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