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# taz.de -- Populistische Strategie gegen Clans: Staatlich verordneter Tunnelbl…
> Laut einer Studie sind viele Gewerbekontrollen in Berlin oft nur Vorwand
> für Razzien gegen migrantische Läden. Das ist rassistisch – und
> ineffizient.
Bild: Eigentlich Orte der sozialen Kontemplation, in Berlin immer öfter Zielsc…
Wie problematisch die Strategie gegen die sogenannte Clan-Kriminalität in
Berlin ist, [1][zeigt eine aktuelle interne Studie]. Sie wurde von der
Berliner Senatsverwaltung in Auftrag gegeben und liegt der taz exklusiv
vor.
In der geleakten wissenschaftlichen Untersuchung der Hochschule für
Wirtschaft und Recht (HWR) kommen Beamt*innen der Polizei und der
Bezirksverwaltungen zu Wort, die frei von der Leber von ihrem Frust über
die landesweit bekannten [2][Razzien] sprechen, die vermeintlich kriminelle
und ethnisch definierte Großfamilien in den Fokus nehmen.
Eine ähnliche Politik wird auch in Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen
schon seit Jahren unter fast allen in den Parlamenten und Landesregierungen
vertretenen Parteien gepflegt. Statistisch betrachtet, fand in den
vergangenen Jahren pro Tag mindestens eine solcher Razzien in Deutschland
statt – stets medial, unkritisch und polemisiert begleitet.
Neben dem rassistischen Blick, dem diese Strategie zugrunde liegt, zeigt
die Studie vor allem eins: Die bisherige Law-and-Order-Politik ist
ineffektiv. Sie lädt sogar Kriminelle ein, ihre Machenschaften weiter im
Verborgenen zu verfolgen. Wie kann das sein?
Eine Berliner Beamt*in umschreibt in der Studie das Problem etwas
bürokratisch, aber präzise derart: „Es gibt Vollzugsprobleme im
Gewerberecht.“ Denn in Berlin [3][werden Gewerbekontrollen] als Türöffner
benutzt, um die genannten Razzien überhaupt verdachtsunabhängig durchführen
zu können.
## Hoffen auf Drogen oder Waffen
Das funktioniert so: Mit dem Vorwand, zum Beispiel lebensmittelrechtliche
Standards in einem Gewerbe mit mutmaßlicher Clan-Zugehörigkeit
kontrollieren zu wollen, verschafft sich die Polizei und/oder die
Bezirksverwaltung manchmal mit Hunderten Beteiligten Zutritt zu einem Laden
– und hofft dann darauf, was ganz anderes zu finden. Drogen oder Waffen zum
Beispiel.
Aus der Studie geht allerdings hervor, dass bei den genannten Razzien
häufig wenig bis gar nichts gefunden wird. In Kombination mit einem
Personalmangel im Bereich Gewerbekontrollen ist daher vor allem eins zu
konstatieren: Viele Gewerbe (meist jene, die eben nicht von migrantisierten
Menschen geführt werden) bleiben unkontrolliert. Dort tauchen die Behörden
selten bis gar nicht mehr auf, weil sie dafür schlicht keine Kapazitäten
mehr haben.
Doch dabei stellt sich die Frage: Wie viele Alfons Schuhbecks können in der
Hauptstadt und darüber hinaus eigentlich ungestraft in ihrem Gewerbe heikle
Daten manipulieren, Steuern hinterziehen, Straftaten begehen?
Der Sternekoch Alfons Schuhbeck wurde erst vor wenigen Wochen von einem
Gericht verurteilt, weil er Kassen und Einnahmen in seinen
prestigeträchtigen Restaurants in München manipuliert und dadurch Steuern
in Millionenhöhe hinterzogen hatte.
Gewerbekontrollen sind eigentlich für die Aufdeckung solcher Fälle gedacht.
Doch sie können nicht durchgeführt werden, wenn sie sich auf kleine
Shisha-Bars, Frisörläden oder Spätis konzentrieren, allein weil dort
„Araber“ hinter dem Tresen stehen.
Abgesehen davon, dass diese performative Sicherheitspolitik laut einem
Rechtsgutachten in der besagten Studie gesetzwidrig ist, können sich weite
Teile der organisierten Kriminalität in Deutschland darauf verlassen, dass
sich die Sicherheitsbehörden zusammen mit Ordnungs-, Finanz- oder
Eichämtern mit der Produktion von politisch gewollten Fernsehbildern
beschäftigen.
## Populistische Politik
Politiker*innen wie der Neuköllner Bezirksbürgermeister Martin Hikel
oder seine Vorgängerin im Amt, Franziska Giffey, stellen sich gerne vor
Kameras und zeigen Präsenz, während Dutzende von Polizist*innen und
Beamt*innen im Hintergrund durch die Bilder huschen.
Diese populistische Politik stigmatisiert migrantische Läden und ihre
Besitzer*innen pauschal, viele von ihnen haben nachweislich nichts mit
Kriminalität am Hut. Dafür müssten Journalist*innen lediglich nach den
Razzien bei der Polizei nachfragen, was eigentlich bei den vorgeschobenen
Gewerbekontrollen gefunden wurde.
Meist lautet die Antwort wie schon beschrieben: wenig bis nichts. Nur die
wenigsten Medien liefern diese Informationen nach.So entsteht – vor allem
mit den verbreiteten Fernsehbildern – in der Bevölkerung ein auf sehr
vielen Ebenen falscher und verzerrter Eindruck. Ganze Bezirke und
Stadtteile werden mit dieser Strategie gebrandmarkt, die Lebensqualität und
das Sicherheitsgefühl der Anwohner*innen dort beeinträchtigt.
Und vor allem bringt dieser rassistische Blick auch eine große Gefahr mit
sich: migrantische Läden und Orte werden – im Zuge der Clan-Debatten auf
Parteitagen, in Talkshows und Boulevardmedien – von Rechtsextremisten als
Ziel ausgemacht.
Das zeigt zum Beispiel der Alltag in Berlin-Neukölln. Hier hat jahrelang
eine rechtsextreme, organisierte Bande ihr Unwesen getrieben und die
Menschen in Angst und Schrecken versetzt, ohne dass sie von den
Sicherheitsbehörden daran gehindert wurde.
Das zeigt auch sehr schmerzhaft das Attentat von Hanau, wo der
rechtsextreme Terrorist nicht zufällig eine Shisha-Bar ins Visier genommen
und dort mehrere migrantisierte junge Menschen gezielt getötet hat. Diese
rassistische und ineffektive Symbolpolitik hat weitreichende Konsequenzen.
22 Nov 2022
## LINKS
[1] /Bekaempfung-von-Clan-Kriminalitaet/!5895850
[2] /Aufruestung-der-Berliner-Polizei/!5889335
[3] /Offener-Brief-aus-Neukoelln/!5838514
## AUTOREN
Mohamed Amjahid
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
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Razzia
Organisierte Kriminalität
Nancy Faeser
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Organisierte Kriminalität
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Polizei Berlin
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