# taz.de -- E-Roller in der Stadt: Das Ende der Gemeinschaft | |
> Da wird man doch glatt zum rollerzählenden Bürgi! Die Dinger sind eine | |
> Gefahr für Menschen. E-Scooter sollten verboten werden. | |
Bild: Liegen übereinenader und machen Angst, dass sich auch Menschen hinlegen:… | |
Auch ich werde alt. Das hat wenig damit zu tun, dass ich mittlerweile meine | |
Knochen spüre. Und nein, diese Erkenntnis ist nicht in Jahren aufzuwiegen. | |
Sie ist verknüpft mit einem Gefühl: Rage. Die empfinde ich jedes Mal, wenn | |
ich einen dieser [1][E-Roller in Großstädten] sehe. | |
E-Roller – und damit auch die Betreiber dieses Verunmöglichens von | |
Gemeinschaft im öffentlich Raum – sind schlicht die Pest. In Berlin, Köln | |
oder Frankfurt heißen sie Tier, Bolt, Lime, Bird oder Voi. Ihre Slogans: | |
„Change mobility for good“ (Dabei haben sie nur Schlechtes über uns | |
gebracht) oder „Ride Green“ (eher blau wegen blaues Auge, wenn man | |
angefahren wird). | |
Beim E-Roller-Wahnsinn werde ich zu den nörgelnden Greisen auf dem | |
Opernbalkon der „Muppet Show“. Greise im Plural. Meine Empörung würde die | |
Energie von Statler und von Waldorf aufbrauchen. | |
Niemand in der Stadt benötigt E-Roller zur Miete: Geschäftsmänner, die mit | |
flatternder Krawatte ihre Männlichkeit performen, können sich selbst einen | |
E-Roller kaufen, und weil sie Geschäftssinn besitzen, werden sie mit ihrem | |
Besitz ganz anders umgehen und ihn nicht mitten auf Gehwegen liegen lassen. | |
Touris sollten lieber laufen oder Fahrräder ausleihen oder teure | |
Touri-Tickets für den Nahverkehr kaufen. Das betrunkene und zugedröhnte | |
Partyvolk sollte sich in den Park legen und ein Nickerchen machen, anstatt | |
sich durch die Stadt mit Motor zu bewegen und andere zu gefährden. | |
Halbstarke Jugendliche, die den Kick suchen, können sich von mir aus auf | |
der Kirmes in einem Gehege gegenseitig überfahren. Neulich sind drei Kids | |
auf einem (!) E-Roller über Rot gefahren und haben nur knapp überlebt, weil | |
ein Autofahrer eine Vollbremsung hingelegt hat. | |
## Wut aus Solidarität | |
Ich bin vor Kurzem fünf Kilometer durch Berlin gelaufen und habe | |
mitgezählt: 34 E-Roller lagen quer auf dem Gehweg, sie ragten auf | |
Fahrradstreifen oder versperrten schmale Zugänge zwischen Dauerbaustellen | |
und Eingängen zu U-Bahnhöfen, sodass sich lange Schlangen von | |
Fußgänger*innen bildeten. Mir ist es so was von egal, dass ich nun wie | |
ein verklemmter Bürgi daherkomme, der E-Roller zählt und in seiner Kolumne | |
petzt. Diese Wut hat mit Solidarität zu tun. | |
Denn für meinen alten Körper sind die E-Roller erst mal kein Problem. | |
[2][Andere Menschen stellen sie aber vor existenzielle Fragen]: Eine | |
aktuelle Studie besagt, dass Blinde und sehbeeinträchtigte Menschen, | |
Senior*innen und kranke Menschen in der Stadt Angst haben, sich auf den | |
Gehweg zu begeben – wegen der E-Roller-Apokalypse. | |
Das muss man sich erst mal vorstellen: Der Fußverkehr als darwinistisches | |
Spiel, in dem man sich mit einem funktionierenden Körper, 1 Euro | |
Grundgebühr pro Fahrt plus 20 Cents pro Minute einfach das Überleben | |
erkaufen kann. E-Roller markieren das Ende der Gemeinschaft im öffentlichen | |
Raum. Sie sollten unbedingt verboten werden. | |
16 Dec 2022 | |
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[1] /E-Roller/!t5586472 | |
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## AUTOREN | |
Mohamed Amjahid | |
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