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# taz.de -- Religion und Regime unterscheiden: Der Islam ist nicht an allem sch…
> Immer wieder liest unser Autor Vorwürfe gegen Demonstrierende im Nahen
> Osten und in Nordafrika. Darin schwingt auch Islamfeindlichkeit mit.
Bild: Tahrirplatz in Kairo im Februar 2011: Menschen feiern den Abgang des ägy…
Von Dezember bis März jähren sich viele Ereignisse im Zuge der Revolutionen
in Nordafrika und im Nahen Osten: Der Tod des jungen Gemüsehändlers Mohamed
Bouazizi im tunesischen Sidi Bouzid, die Jagd auf Demonstrant*innen in
Kairo durch die Schergen der ägyptischen Sicherheitsdienste, die Formierung
einer neuen marokkanischen Bewegung von Frauen und Queers oder die ersten
Proteste in Syrien gegen das Assad-Regime, das mit der Unterstützung Putins
und der iranischen Mullahs sein eigenes Volk zerbomben ließ.
Von Dezember bis März lese ich leider immer wieder gewagte Takes zu diesen
Geschehnissen: Der [1][Arabische Frühling] (wie ihn Ahnungslose nennen) sei
gescheitert, überhaupt seien die Motive der Demonstrant*innen nicht gut
gewesen, schon gar nicht feministisch oder emanzipatorisch. Es hat mich
mehr als zehn Jahre gekostet, um in diese Denke einzusteigen und zu
verstehen, was dahintersteckt.
Vor wenigen Wochen saß ich in Stuttgart bei einer Lesung auf der Bühne. Ich
erklärte, wie säkulare Regime in Nordafrika die Menschen dort bedrohen: Wie
in Ägypten zum Beispiel Demonstrantinnen sogenannte Jungfräulichkeitstests
durch das ägyptische Militär (ein enger Verbündeter des Westens) überlebt
haben. In der ersten Reihe saßen mehrere alte weiße Frauen, die – während
ich sprach – mit den Köpfen schüttelten. Bis es aus einer von ihnen
herausplatzte: „Was geschieht da? In so einer anderen Kultur? Mit so einer
anderen Religion?“
Was Ursula von mir hören wollte: Der Islam ist an allem schuld. Mit dieser
Antwort wären sie und ihre Freundinnen glücklich gewesen. Nur ist die
Geschichte eine andere: Radikale Auslegungen des Glaubens spielen freilich
in der Region eine Rolle, es waren und sind aber weltliche Regime, die auf
Menschen schießen lassen. Selbst daraus wird den mutigen
Demonstrant*innen ein Vorwurf gestrickt.
## Die Erinnerungen der Betroffenen kann man nicht nehmen
Was ich in den vergangenen Wochen auch gehört habe: Die Menschen in
Nordafrika und im Nahen Osten wollten den Islamismus, weil sie gegen
säkulare Regime demonstrierten. Möchtegernexpert*innen, die nicht
zwischen den klerikalfaschistischen Regimen der [2][Islamischen Republik
Iran] oder der [3][Taliban] und anderen politischen Systemen der
Unterdrückung unterscheiden können (oder wollen), möchten sich mit solchen
eindimensionalen Aussagen beliebt machen vor einem Ursula-Publikum.
Eine Bekannte aus Kairo erzählte mir neulich, dass ihr neunjähriger Neffe
nicht wusste, was im Zuge der Revolution im eigenen Land vor zwölf Jahren
passierte. Sie erzählte ihm die Geschichte, wie sie selbst vor den Schergen
des Regimes wegrannte und ihre Menschenwürde verteidigte. Ich habe mich
gefreut über diese Anekdote: Die Meinung der vielen
Möchtegernexpert*innen hierzulande ist irrelevant für die Menschen in
der Region. Ihre Erinnerungen an das Geschehene kann man ihnen nicht
nehmen. Sie geben ihr Wissen weiter und schöpfen damit für die Zukunft
Kraft.
13 Jan 2023
## LINKS
[1] /Bezeichnung-Arabischer-Fruehling/!5740396
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[3] /Afghanistan-unter-den-Taliban/!5901328
## AUTOREN
Mohamed Amjahid
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