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# taz.de -- Projektleiterin über Alphabetisierung: „Jeder Achte kann nicht l…
> Christine Biskamp leitet in Hamburg-St.-Pauli ein Projekt für die
> Alphabetisierung Erwachsener. Die meisten von ihnen sind über 40 Jahre
> alt.
Bild: Lesen ist wichtig im Alltag: Eine Buchstabiertafel aus einem alten Telefo…
taz: Frau Biskamp, gibt es Hamburger, die nicht lesen können?
Christine Biskamp: Auf jeden Fall. Es gibt die Leo-Studie der Universität
Hamburg, die besagt, dass in [1][Deutschland 6,2 Millionen Erwachsene
zwischen 18 und 64 Jahren] nicht ausreichend lesen und schreiben können, um
ihren Alltag selbstständig zu bewältigen. Also das ist jeder Achte. Auch in
Hamburg.
Woher wissen Sie das?
Weil die Menschen in die Lese- und Schreibkurse unseres Projekts „Neustart
St. Pauli“ kommen. Und auch in die entsprechenden Kurse der
Volkshochschule. Da gibt es Menschen, die kommen und sagen: Ich möchte das
jetzt lernen. Es gibt aber auch Menschen, die das nicht von sich aus tun.
Deshalb kooperieren wir als Projekt mit anderen Einrichtungen, die Menschen
zu ihren Lebenslagen beraten, etwa bei Schulden, und dort merken: Da kann
jemand nicht lesen und schreiben.
Sind es eher ältere oder jüngere Menschen?
Es sind eher Menschen ab 40 Jahren und älter. Als die in der Grundschule
waren, war die Förderung noch nicht so passend, wie sie heute ist. Aber es
gibt auch junge Menschen, die keinen Schulabschluss schaffen oder als
Berufsschüler nicht ausreichend lesen und schreiben können.
Spielt die Muttersprache eine Rolle?
Eher nicht. Die in der Leo-Studie erhobene hohe Zahl bezieht sich nur auf
deutsche Muttersprachler und auf Menschen, die schon lange hier leben und
gut Deutsch sprechen.
Was genau machen Sie in St. Pauli?
Wir gehen mit Bildungsangeboten in die Lebenswelt der Menschen. Wir bieten
zum Beispiel im „Haus der Familie“ an der Schilleroper Lernberatung
parallel zur dortigen Sozialberatung an. Und wenn einer Sozialberaterin
auffällt, hier hapert es mit dem Lesen, dann verweist sie zu uns. Und wir
können im Zimmer nebenan das Gespräch zum Thema Lernen aufnehmen. Ich leite
auch noch ein zweites Projekt, „Neustart Arbeit“ in Lokstedt, das sich
gezielt an Erwerbslose richtet. Beide werden vom Bundesbildungsministerium
finanziert. Das Ministerium hat als Reaktion auf die Leo-Studie ein
Programm aufgelegt, die „[2][AlphaDekade 2016–2026]“.
Wie bringen Sie Erwachsenen Lesen bei?
Lesen und Schreiben in Kleingruppen. Es gibt auch offene Lernangebote, wo
Leute ohne Anmeldung einfach erst mal gucken können: Mit welchen
Materialien kann ich gut lernen?
Was ist denn geeignet?
Diese 6,2 Millionen sind [3][nicht alles Menschen, die keine Buchstaben
kennen]. Manche können auch schon Sätze lesen und schreiben. Es
funktioniert am besten, wenn man die Zeit und Muße hat, sehr individuell zu
gucken, was passt. Wir arbeiten mit Lernspielen und Karten, aber auch
klassisch mit Arbeitsblättern, gerne auch mit Apps, je nachdem, was die
Person will.
Sie laden am 24. November zum Fachtag „Heimspiel Alphabetisierung und
Grundbildung“. Was wird da besprochen?
Wir wollen mit Akteuren aus St. Pauli, aus Politik und Verwaltung ins
Gespräch kommen, um zu schauen, wie wir das Projekt verstetigen können. Es
nützt nichts, wenn wir drei Jahre den Menschen tolle Angebote unterbreiten,
die dann wieder weg sind.
Sie werben für Alphabetisierung. Tut Hamburg da genug?
Da geht noch was.
Sind Menschen glücklicher, wenn sie lesen können?
Glück ist eine sehr individuelle Frage. Aber ich war vorher Kursleiterin
und durfte schon bei vielen miterleben, wie sie lesen und schreiben lernen.
Die sagen: Meine Welt hat sich geöffnet. Die empfanden das als eine
Bereicherung und Erweiterung ihrer Selbstständigkeit. Das ist für
erwachsene Menschen wichtig.
22 Nov 2022
## LINKS
[1] /AnalphabetInnen-in-Deutschland/!5799694
[2] https://www.alphadekade.de/alphadekade/de/home/home_node.html
[3] /Analphabeten-in-Deutschland/!5087642
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Lesen
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