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# taz.de -- Urteil gegen autofreie Friedrichstraße: So oder so kommt die Fußg…
> Am Dienstag entscheidet sich, ob der Berliner Senat in Berufung geht.
> Schon diese Woche hat Mitte den ersten Schritt zur Fußgängerzone
> eingeleitet.
Bild: Radfahrer und Vitrinen machen noch keine Aufenthaltsqualität
Es gab Zeiten, da waren Fußgängerzonen Auslaufmodelle. In Berlin ließ sich
diese putzige Ausnahme von der Regel „autogerechte Stadtplanung“ in der
Wilmersdorfer Straße besichtigen. Vitrinen auf der Straße sollten damals
Kauflaune verbreiten.
Inzwischen sind nicht mehr Fußgängerzonen Auslaufmodelle, sondern Straßen,
auf denen wie eh und je Autos rollen oder stehen. Der Kampf um die
Verteilungsgerechtigkeit im öffentlichen Straßenraum wird in Berlin
beispielhaft an der Friedrichstraße ausgefochten. Seit August 2020 ist der
500 Meter lange Abschnitt zwischen Leipziger und Französischer Straße für
den Autoverkehr gesperrt.
Verkehrsversuch nannte sich das im Amtsdeutsch. Weil der im Mai zu Ende
war, [1][die Sperrung aber aufrechterhalten wurde], musste das
Verwaltungsgericht zu einer Grätsche ansetzen. Geklagt hatte eine
Weinhändlerin in der parallel verlaufenden Charlottenstraße, die sich die
Autofahrer als Umleitung aussuchen. Kein Verkehrskonzept für die
Seitenstraße habe der Senat vorgelegt. Das Gericht gab ihr Recht.
Anfang der kommenden Woche will nun Verkehrssenatorin Bettina Jarasch
(Grüne) bekannt geben, ob sie gegen das Urteil in Berufung geht. Das
bestätigte Jaraschs Sprecher Jan Thomsen der taz. Über eine mögliche
Berufung war zuletzt ein heftiger Streit zwischen Jarasch und der
Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) entbrannt.
Giffey will die Autos wieder zurücklassen, das Auslaufmodell Autostraße
also wieder rehabilitieren. Jarasch will das ehemalige Auslaufmodell
Fußgängerzone rehabilitieren, zumindest in der Friedrichstraße. Der
Gerichtsbeschluss kann das nicht verhindern.
Denn das Verwaltungsgericht bemängelte lediglich die zeitliche Lücke
zwischen dem beendeten Verkehrsversuch und der noch nicht für Autos
verbotenen Fußgängerzone. Ohne eine solche so genannte Teileinziehung könne
man den Autoverkehrs nur mit dem Hinweis auf eine Gefahrenabwehr verbannen.
Das war auch der Hintergrund der etwas verschnupften Äußerung Jaraschs,
Franziska Giffey habe das Urteil womöglich „nicht richtig verstanden“.
## Wahlkampfthema Friedrichstraße
Es ist Wahlkampf in Berlin, und die Friedrichstraße ist über Nacht zum
Wahlkampfthema geworden. Ein Akteur dabei ist auch der grün geführte Bezirk
Mitte. Der hat in dieser Woche den Antrag auf [2][Teileinziehung] gestellt.
Damit kann eine Straße auf eine bestimmte Nutzergruppe beschränkt werden.
Es ist also offiziell: Die Friedrichstraße soll zur Wilmersdorfer Straße
werden – nur eben jetzt als role model. Das ist also der Plan, und die
Frage ist, ob ihn die SPD durchkreuzen kann.
Die Gewerbetreibenden können ihn zumindest aufhalten, wenn sie Widerspruch
gegen die Verfügung einlegen. Unklar ist dann, wann genau die 500 Meter
lange Kampfzone autofrei wird. Unklar ist aber auch, was ein Einspruch
gegen das Verwaltungsgerichtsurteil bringen würde. Zeitgewinn für den
Bezirk? Oder die nächste Schlappe, diesmal eine Instanz höher? Es wäre auch
eine Schlappe für Jarasch, deren Verwaltung es tatsächlich versäumt hat,
ein schlüssiges Verkehrskonzept vorzulegen.
Sowohl für Bettina Jarasch als auch für Franziska Giffey ist das ganze
nicht ohne Risiko. Beide können sich verkämpfen. In ruhigen Zeiten wäre da
wohl nach einem Koalitionsausschuss alles geregelt. Aber Wahlkampf ist
keine ruhige Zeit.
Und manch einer wird sich fragen, ob Berlin das wirklich kann: eine
Fußgängerzone als role model. Beim Verkehrsversuch ab August 2020 wurden
ausgerechnet wieder Vitrinen aufgestellt. In der Wilmersdorfer waren sie in
den neunziger Jahren auch deshalb abgebaut worden, weil sie als zu
provinziell galten.
5 Nov 2022
## LINKS
[1] https://www.berlin.de/sen/uvk/presse/pressemitteilungen/2022/pressemitteilu…
[2] https://www.berlin.de/friedrichstrasse/haeufige-fragen/
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
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Verkehrswende
Schwerpunkt Radfahren in Berlin
Bettina Jarasch
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